Flüchtlingskrise
EU-Kommissar: “Europa wurde kalt erwischt!”
EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos hat am Mittwoch in Brüssel eine Zwischenbilanz der Union zur Flüchtlingskrise vorgestellt. Der Grieche erklärte im Rahmen seiner Präsentation des Berichts, dass "Europa kalt erwischt worden ist. Kein Staat war gut darauf vorbereitet, mit der Situation umzugehen, auch Italien und Griechenland an vorderster Front nicht." Avramopoulos wies dabei Vorwürfe zurück, dass jene Staaten, die in der Migrationskrise am meisten belastet sind, wie etwa Deutschland, Schweden oder Österreich, zu wenig berücksichtigt werden.
"Es stimmt, dass Österreich unter Druck steht. Deshalb hat die EU-Kommission auch Verständnis für die Initiativen, die Österreich ergriffen hat, geäußert. Die Kommission schlägt jetzt vor, den Umsiedlungsmechanismus der Union für Österreich teilweise auszusetzen. Wir unterstützen Österreich, damit es mit dieser schwierigen Situation zurecht kommt", sagte Avramopoulos.
Österreichs Flüchtlingsquote um 30 Prozent reduziert
Zuvor hatte die EU-Kommission die Flüchtlingsquote für Österreich um 30 Prozent reduziert. Die Maßnahme sei auf ein Jahr befristet und jener von Schweden vergleichbar, das im Dezember ebenfalls eine Aufhebung um ein Jahr zugestanden erhielt, hieß es. Österreich muss damit statt zuletzt 1935 im laufenden Jahr nur rund 1350 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland übernehmen. Als Grund führte die Kommission den "plötzlichen Ansturm" von Drittstaatsangehörigen an. Dies habe zu einem "verschärften Anwachsen der Zahl der Asylantragsteller" geführt.
Aufbau der Hotspots geht nur langsam voran
Laut Avramopoulos verbessere sich die Situation in der Flüchtlingskrise im Allgemeinen - allerdings nur "langsam". Die Hotspots in Italien und Griechenland, deren Aufbau zu langsam vorangehe, müssten zu 100 Prozent operationell funktionieren - dies sei aber etwa bei den Fingerabdrücken nur zu 70 Prozent der Fall. Auf den griechischen Inseln sei zudem bisher nur das Zentrum auf Lesbos voll einsatzfähig. Die griechische Regierung habe aber zugesagt, dass mithilfe der Armee die übrigen Hotspots bis Mitte Februar einsatzfähig sein sollen.
Sobald alle Hotspots voll funktionstüchtig seien, sollen dort pro Tag von rund 11.000 Ankommenden die Fingerabdrücke registrieren werden können. Es sei "endlich Zeit, Ergebnisse zu bringen. Wir sind nicht durch irgendwelche Feinde bedroht. Die EU ist nicht unter Druck, weil Feinde versuchen, einzufallen. Sondern es geht um Menschen, die unbedingt Hilfe brauchen. Wir müssen unsere moralische und humane Pflicht leisten", betonte Avramopoulos, dem zufolge auch in Italien die Arbeiten nur schleppend vorangehen: So sind von den geplanten sechs Hotspots nur zwei voll funktionsfähig.
Kritik an schleppender Umverteilung der Flüchtlinge
Die EU-Staaten forderte der Innenkommissar auf, sich stärker an der beschlossenen Umverteilung von Flüchtlingen aus den Erstankunftsländern Griechenland und Italien zu beteiligen. Avramopoulos habe in Briefen an die EU-Innenminister die "klare und starke Botschaft" gesandt, dass die Umverteilung beschleunigt werden müsse: "Wir müssen bei der Umverteilung dringend hochschalten. Die Ergebnisse sind zu armselig." Er verwies darauf, dass bisher nur 497 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland in anderen EU-Staaten aufgenommen worden seien. Insgesamt sollen 160.000 Menschen in der EU verteilt werden.
Schwierige Kooperation mit der Türkei
Nicht gerade zuversichtlich zeigte sich der Kommissar über die Zusammenarbeit mit der Türkei. "Wir stehen am Anfang des Umsetzungsplans mit der Türkei. Wir hoffen, dass bald erste spürbare Ergebnisse sichtbar werden. Falls sich die Türkei nicht engagiert und nicht das leistet, was wir vereinbart haben, wird das eine sehr schwierige Lage werden."
Avramopoulos: "Dublin ist nicht tot"
Entschieden wandte sich Avramopoulos gegen Berichte, wonach das Dublin-System de facto nicht mehr existiere. "Dublin ist nicht tot. Wir erhalten Dublin am Leben. Einige wollten Dublin den Todesstoß versetzen. Wir werden in einem Monat einen Vorschlag zur Überarbeitung machen." Außerdem sei es wesentlich, Schengen einzuhalten. "Das ist eines der wichtigsten Ergebnisse der europäischen Integration. Kein einziges Land darf aus Schengen rausgedrängt werden."
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