Brisante Pläne

EU-Kommission will ihre eigene “Europa-Steuer”

Ausland
09.08.2010 15:04
Die EU-Kommission will die Einführung einer "Europa-Steuer" vorschlagen, mit der sie künftig eigene Einnahmen erhalten soll. Im Idealfall klingt das so: Brüssel füttert sein Budget z.B. über eine Finanztransaktionssteuer, die Mitglieder müssen dafür weniger direkt überweisen. Laut Finanzminister Pröll würde das Nettozahler wie Österreich entlasten. Haushaltskommissar Janusz Lewandowski warnt jedoch bei seinem eigenen Vorschlag gleich vor dem Scheitern - nämlich, wenn die EU "100 Euro Einnahmen hat und davon 95 für das Einsammeln des Geldes benötigt".

Lewandowski hat am Montag in der Zeitung "Financial Times Deutschland" erklärt, er wolle Ende September mehrere Optionen für eine EU-Steuer vorschlagen, die direkt in das EU-Budget fließen sollte. So sei eine Luftverkehrsabgabe ebenso denkbar wie eine von Deutschland, Frankreich und auch Österreich verlangte Finanztransaktionssteuer. Außerdem könnten auch die Einnahmen aus einer Versteigerung von CO2-Emissionsrechten an die EU überwiesen werden. 

Bereits 2006, beim österreichischen Ratsvorsitz unter dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, war über eine derartige Steuer diskutiert worden, die Mitgliedsländer konnten sich jedoch nicht einigen. Auch Lewandowski gibt zu, es sei "immens komplex", eine Entscheidung zu treffen, die politisch akzeptabel, finanziell sinnvoll und praktikabel sein müsse. Die Zeit sei aber angesichts der Krise und den Sparzwängen der Länder jetzt möglicherweise reif.

Auf die Unterstützung von EU-Staaten angesprochen, wollte sich der aus Polen stammende Haushaltskommissar dennoch nicht festlegen. "Ich kann nicht darüber spekulieren, ob es eine Unterstützung gibt oder nicht", sagte er auf die Frage der "FTD", wer konkret in Deutschland den Plan Lewandowskis befürworte. Tatsächlich seien aber mehrere EU-Länder dafür, ihre eigenen Beiträge zu verringern. 

Pröll dafür: "Entlastung der Nettozahler"
Österreichs Finanzminister Josef Pröll äußerte sich am Montag positiv gegenüber einer europäischen Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung des Haushalts der Europäischen Union. Man müsse "emotionslos" auch über die Einbeziehung des Luftverkehrs diskutieren, da Kerosin derzeit vollkommen unversteuert sei. Dies hatte etwa zuletzt der Verkehrsclub Österreich als nationale Maßnahme zur Budgetsanierung vorgeschlagen.

Jedenfalls müsse es sich um eine praktikable Lösung handeln. "Wir haben immer erwartet, dass die Debatte über die nächste Finanzperiode der EU auch unserem Vorschlag einer Finanztransaktionssteuer Auftrieb geben wird. Das ist vollkommen klar", so Pröll. Eine derartige Finanztransaktionssteuer könne man nur europaweit einführen und "wenn man die als Finanzquelle für die EU nimmt, ist das eine Entlastung der Nettozahler. Ob die Finanztransaktionssteuer in das nationale Budget einfließt oder für die Refinanzierung der EU verwendet wird und dafür ein geringerer Beitrag an die EU überwiesen wird, ist nicht so wichtig".

Berlin kategorisch gegen EU-Steuer
Ein kategorisches Nein kam dagegen aus Berlin. "Die Forderung nach Einführung einer EU-Steuer steht im Widerspruch zu der im Koalitionsvertrag bestätigten Haltung der Bundesregierung", sagte ein Sprecher des deutschen Finanzministeriums am Montag. Zahlreiche andere EU-Staaten, insbesondere die Mehrheit der Nettozahler, teilten die Bedenken Deutschlands gegenüber dem "Instrument der EU-Steuer als solches", meinte der Sprecher.

Gegen eine "Europasteuer" wandte sich auch die FPÖ. Vizechef Norbert Hofer forderte, stattdessen die "Extrawürste" einiger Mitgliedsstaaten wie den "Britenrabatt" zu überdenken. Von der Grünen Europaabgeordneten Ulrike Lunacek kam dagegen Lob für Budgetkommissar Lewandowski, der "die Zeichen der Zeit richtig erkannt" habe. Die EU brauche nämlich ein größeres Budget, um dem Ziel einer "Sozial- und Transferunion" näher zu kommen. Auch die deutschen Grünen begrüßten die Überlegungen zur EU-Steuer.

EU-Budget: Deutschland größter Nettozahler
Bisher speist sich der Brüsseler Haushalt zum größten Teil aus direkten Überweisungen der Regierungen; eine eigene EU-Steuer lehnten die meisten Länder bisher ab. Die Furcht, Brüssel könnte ohne die Finanzzügel der Staaten über die Köpfe der Regierungen hinauswachsen und zu mächtig werden, war zu groß. 

Deutschland hatte 2008 mit 8,8 Milliarden Euro den größten EU-Nettobeitrag nach Brüssel überwiesen. Österreich war 2008 auf einen Nettobeitrag von 365 Millionen Euro gekommen. 2007 hatte er noch 563,2 Millionen Euro betragen. 2003 hatte er 331,9 Millionen ausgemacht, war 2004 auf 365,1 Millionen gestiegen, 2005 auf 277,9 Millionen gefallen und 2006 wieder auf 301,5 Millionen angestiegen.

Lewandowski: "Länder wollen entlastet werden"
Laut Lewandowski hat sich die Stimmung in den EU-Staaten inzwischen wegen der Sparzwänge der nationalen Budgets gewandelt. "Viele Länder wollen entlastet werden. Damit öffnet sich die Tür, über eigene Einnahmen nachzudenken," sagte er. 

Was den Zeitplan betrifft, gibt es in EU-Kreisen die Hoffnung, dass eine ehrgeizige dänische Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 2012 eine entsprechende Vereinbarung zustande bringen könnte. Die EU hat ein Sieben-Jahres-Budget. Der laufende Zyklus dauert von 2007 bis 2013. Die Verhandlungen über das EU-Budget sind traditionellerweise von Missmut und Neid geprägt.

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