Unmut wächst
EU-US-Abkommen: “Wir wollen keine Chlorhühner”
Es sind die bösen Erfahrungen mit der EU-Kommission und ihrer berüchtigten Schwäche für – besonders amerikanische – Großkapitalinteressen. Es sind die Hinterzimmer-Mauscheleien der Lobbyisten in Brüssel. Es wird befürchtet, dass die EU-Kommission vor den USA in die Knie geht und unter dem Deckmantel der "Harmonisierung der Standards und Normen" Chlor-Hühnern, Hormon-Fleisch oder umweltschädlicher Industrie, wo immer US-Konzerne sie hinstellen wollen, Tür und Tor öffnet.
Bei diesem Freihandelsabkommen geht es nicht so sehr um Abschaffung der Zölle. Die sind schon jetzt nicht hoch. Es geht um die Vereinfachung von Zulassungsverfahren von Lebensmitteln über Autos bis zu Medikamenten. Der Abbau von Handelshemmnissen bringt zwar neue Jobs und Wirtschaftswachstum. Umwelt- und Konsumentenschützer befürchten aber eine Aushebelung europäischer Standards durch schleichende Aufweichung.
Der Teufel steckt im Detail
Der Teufel steckt im Detail, besonders im Investitionsschutzabkommen. Es besteht die Gefahr, dass bei Streitfällen Sonderschiedsgerichte, bestückt mit käuflichen Lobby-Advokaten, staatliches Recht aushebeln. Für welche Seite das Herz solcher Schiedsrichter schlüge, gegen die keine Berufung möglich ist, kann man sich an fünf Fingern abzählen.
Solche Schiedsgerichtsvereinbarungen gibt es schon, und Deutschland macht damit gerade jetzt die allerschlechteste Erfahrung: Der Energiekonzern Vattenfall klagt die deutsche Bundesregierung auf entgangenen Profit in Milliardenhöhe, weil Angela Merkel Atomkraftwerke "vorzeitig" abschalten ließ.
Kommen bald Fracking und Chlor-Bäder für Hühner?
In den USA ist erlaubt, was in Europa verboten, ja undenkbar ist: Fracking von Erdgas, Chlor-Bäder für geschlachtete Hühner, hormongespritztes Vieh, allzu lockere Sicherheitsvorschriften und so weiter.
Die US-Konzerne fordern außerdem Sonderrechte zum Schutz ihrer Investitionen in der EU. Investoren bekämen so die Möglichkeit, fernab von den nationalen Gerichtsinstanzen Staaten auf Schadenersatz zu klagen, falls diese etwa schärfere Umwelt- und Sozialgesetze einführen würden.
Schutzklauseln für Konzerne
Die Erfahrung mit bereits abgeschlossenen Wirtschaftsabkommen zeigt, dass solche undurchsichtige Sonderrechte von Konzernen immer häufiger missbraucht werden, um unternehmerische Risiken auf die Allgemeinheit, also die Steuerzahler abzuwälzen. Das ergäbe unter dem Deckmantel der "Rechtssicherheit" Schutzklauseln für die Konzerne statt Schutzklauseln für die Bürger. So wird der Spielraum nationaler Regierungen in der EU immer kleiner. Und deshalb fordern viele Kritiker: "Es müssen endlich alle Karten auf den Tisch. Kein Aufweichen europäischer Standards!"
EU-Abgeordnete kämpfen gegen das Abkommen
In dieselbe Kerbe schlägt auch die EU-Spitzenkandidatin der Grünen, Ulrike Lunacek: "Wir brauchen keine US-Chlorhühner!" Sie fordert deshalb: "Die Verhandlungen zum TTIP-Prozess müssen so lange völlig gestoppt bleiben, bis volle Transparenz bei den Gesprächen gewährleistet ist. Auch die Bürgerbeteiligung muss oberster Grundsatz sein."
An ähnlicher Öko-Front kämpft zur Stunde auch die EU-Parlamentarierin Karin Kadenbach von der SPÖ: "Die Kommission plant, die nationalen Gentechnik-Anbauverbote durch juristische Schlupflöcher zuzulassen."
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