Folter in Ukraine?

Entführter Aktivist: “Sie haben mich gekreuzigt”

Ausland
01.02.2014 08:12
Die Regierungsgegner in der Ukraine beklagen schon seit Längerem, dass von der Regierung angeheuerte Schlägerbanden Aktivisten immer wieder gezielt entführten. Während ihrer Gefangenschaft würden sie brutal misshandelt, vereinzelt wird auch der Verdacht erhoben, dass einige gar getötet wurden. Derzeit sorgt der Fall des 35-jährigen Dmitro Bulatow für Entsetzen. Er war eine Woche lang verschollen. Nun tauchte er völlig entstellt wieder auf und erhebt erschreckende Vorwürfe. Bulatow befindet sich derzeit unter Hausarrest.

Seine Peiniger hätten ihn massiv gefoltert und einen Teil seines Ohrs abgeschnitten, berichtete Bulatow. "Sie haben mich gekreuzigt. Sie haben meine Hände durchstoßen", so Bulatow im ukrainischen Fernsehen. Er zeigte dabei die Wunden an seinen Handrücken.

"Es gibt keine einzige heile Stelle an meinem Körper"
"Es gibt keine einzige heile Stelle an meinem Körper. Aber Gott sei Dank bin ich am Leben." Oppositionsführer Vitali Klitschko bezeichnete die Folter des Demonstranten nach einem Besuch als Versuch, alle Aktivisten einzuschüchtern.

Bulatow wurde seit dem 23. Jänner vermisst. Er hatte sich an mehreren Autokorsos beteiligt, die zu den Wohnsitzen der ukrainischen Spitzenpolitikern führten. Nach Auskunft eines Freundes wurde er von seinen Peinigern im Wald ausgesetzt und habe sich aus eigener Kraft in ein Dorf gerettet. Inzwischen wird er in einem Krankenhaus behandelt.

"Ich kann nicht gut sehen, ich saß die ganze Zeit im Dunkeln." Er habe daher die Entführer nicht sehen können, sie hätten jedoch mit russischem Akzent gesprochen, berichtete Bulatow, dem das Reden offensichtlich schwer fiel.

Hausarrest über Bulatow verhängt
Kurz nach seinem medialen Auftritt wurde Bulatow unter Hausarrest gestellt. Seit 24. Jänner sei wegen des Verdachts der "Organisation massiver Unruhen" nach ihm gefahndet worden, so das Kiewer Innenministerium am Freitag. Normalerweise wäre er in U-Haft gekommen, doch mit Rücksicht auf seine Verletzungen wurde nun Hausarrest verhängt. Diese Entscheidung wurde vom zuständigen Untersuchungsrichter getroffen.

Ashton: "Offensichtliches Zeichen von Folter"
EU-Außenpolitikbeauftragte Catherine Ashton hat den jüngsten Fall von Folter gegen einen oppositionellen Aktivisten in der Ukraine scharf verurteilt. Die höchste Diplomatin der Union zeigte sich am Freitag "erschüttert über die offensichtlichen Zeichen von anhaltender Folter und grausamer Behandlung des Auto-Maidan-Organisatoren Dmitro Bulatow".

Sie erinnerte auch an den Maidan-Demonstranten Juri Verbytskyy, der am 22. Jänner tot aufgefunden wurde. "Das sind nur zwei Fälle von anhaltender und absichtlicher Verfolgung der Organisatoren und Teilnehmer friedlicher Proteste", sagte Ashton.

Ärzte und Journalisten sollen gezielt attackiert worden sein
Menschenrechtler kritisierten auch, dass Polizeieinheiten während der Straßenschlachten mit radikalen Regierungsgegnern absichtlich auch Journalisten und Ärzte angegriffen hätten.

Die Polizei hat ihr Vorgehen gegen die Teilnehmer der Autokorsos zuletzt verschärft und Oppositionsgruppen zufolge inzwischen etwa 20 Menschen festgenommen. Die UNO forderte am Freitag eine unabhängige Untersuchung der Berichte über Entführungen und Folter in der Ukraine.

Die ukrainische Polizei nahm Ermittlungen auf und befragte Bulatows Freunde. Das Innenministerium erklärte, dass "unbekannte Individuen ihn mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen und in ein Auto gestopft" hätten.

Amnestiegesetz und Lockerung der Demonstrationsregeln
Nach einigem Hin und Her hat am Freitag der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch die in den Sondersitzungen des Parlaments am Dienstag und Mittwoch beschlossenen Lockerungen der erst vor Kurzem verschärften Demonstrationsrechts unterzeichnet (siehe Story in der Infobox). Damit haben diese nun Gültigkeit. Ob es dadurch zu einer Entspannung der Krise in Kiew kommt, ist mehr als fraglich. Die Opposition fordert nämlich den Rücktritt des Präsidenten und hat trotz des Amnestiegesetzes betont, dass sie weiterkämpfen werde.

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