Chaos in der Türkei
Erdogan-Anhänger ringen putschendes Militär nieder
In der Türkei ist in der Nacht auf Samstag ein Putschversuch durch das Militär offenbar gescheitert, hat das Land und besonders die Metropolen Istanbul und Ankara aber ins Chaos gestürzt. Die ganze Nacht über waren in der Hauptstadt Schüsse zu hören, das Parlament wurde bombardiert. Der Fernsehsender CNN Türk meldete zudem den Abschuss eines Militärhubschraubers. In Istanbul wurden die beiden Brücken über den Bosporus vom Militär gesperrt. Nach Angaben eines Regierungsvertreters kamen mindestens 60 Menschen ums Leben, darunter auch Zivilisten.
Das Militär hatte am Freitagabend in einem Kommunique seine Machtübernahme erklärt. Man wolle "die Demokratie in der Türkei wiederherstellen", hieß es in dem Schreiben. Weiters wolle man die Menschenrechte schützen. Priorität habe die Rechtsstaatlichkeit. Die Beziehungen zum Ausland würden unverändert beibehalten.
"Idiotischer Versuch gescheitert"
Gegen halb drei Uhr morgens vermeldete Ministerpräsident Binali Yildirim aber, das die Lage wieder "weitgehend unter Kontrolle" sei. Er sprach im Nachrichtensender NTV von einem "idiotischen Versuch, der zum Scheitern verurteilt" gewesen sei. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der zum Zeitpunkt des Angriffes in Marmaris an der Mittelmeerküste auf Urlaub weilte, landete in der Nacht auf Samstag auf dem Istanbuler Flughafen und wurde von Hunderten jubelnden Unterstützern begrüßt.
krone.at-berichtete die Nacht über live - hier gibt's den Ticker zum Nachlesen:
- 07.35 Uhr: Türkische Sicherheitskräfte haben laut einem Fernsehbericht den von Putschisten festgehaltenen Armeechef Hulusi Akar befreit. General Akar sei an einen sicheren Ort gebracht worden, berichtete der private Fernsehsender CNN-Türk. Demnach fand die Befreiung nach dem Putschversuch von Teilen der Armee während eines Einsatzes am Luftwaffenstützpunkt Akinci nordwestlich der Hauptstadt Ankara statt.
- 07.15: Mittlerweile sind 754 Militärangehörige festgenommen worden. Dies teilte das Justizministerium in Ankara am Samstag mit. Zuvor war von 336 Festnahmen die Rede gewesen.
- 07.05 Uhr: Das Hauptquartier des Militärs ist nach Angaben eines hochrangigen Regierungsvertreters unter der Kontrolle von Regierungstruppen. Eine kleine Gruppe leiste aber noch Widerstand. Die Putschisten hätten noch einige Hubschrauber unter ihrer Kontrolle, aber keine Kampfjets. Fünf Generäle seien ihre Posten entzogen worden. Die Angriffe auf das türkische Parlament und den Präsidentenpalast hätten weitgehend aufgehört.
- 06.33 Uhr: Anhänger von Präsident Erdogan greifen einem Augenzeugen zufolge Soldaten an, die sich auf einer Brücke in Istanbul ergeben hatten. Die Polizei kommt ihnen zu Hilfe.
- 06.28 Uhr: Die Putschisten haben in einer Email erklärt, dass sie weiter "entschlossen" kämpfen. Sie riefen die Bevölkerung auf, zu ihrer eigenen Sicherheit in Räumen zu bleiben. Die Gruppe nennt sich Bewegung für Frieden in der Heimat. Die Mail hat den Absender des Pressebüros des Generalstabs des Militärs.
- 06.20 Uhr: Mindestens 60 Menschen sind bei dem Putschversuch in der Nacht ums Leben gekommen, wie ein hochrangiger Regierungsvertreter sagt.
- 06.17 Uhr: Dem türkischen Justizminister zufolge wurden 336 Personen in Zusammenhang mit dem Putschversuch verhaftet. Das berichtet CNN Türk.
- 05.55 Uhr: Regierungskreisen zufolge wurde Umit Dundar kommissarisch zum Stabschef des Militärs ernannt, da der Aufenthaltsort des eigentlichen Amtsinhabers unklar ist.
- 05.53 Uhr: Erdogan zufolge hat die Fluggesellschaft Turkish Airlines ihre Flüge wiederaufgenommen.
- 05.41 Uhr: Erdogan ruft seine Anhänger auf, die öffentlichen Plätze nicht zu verlassen, bis sich die Situation wieder normalisiert habe. In Ankara gebe es noch in geringem Ausmaß Widerstand von Putschisten, der aber hoffentlich bald niedergeschlagen sei.
- 05.37 Uhr: Dem Sender CNN Türk zufolge haben die türkischen Behörden einen Militärhubschrauber abgeschossen, der auf Büros des staatlichen Satellitenbetreibers Türksat feuerte.
- 04.55 Uhr: Regierungskreisen zufolge gibt es auch in Istanbul Todesopfer. Die Angriffe auf das Parlament in Ankara hielten noch an. Der örtliche Widerstand von Putschisten in Ankara und Istanbul werde aber bald beendet. Der Flughafen von Istanbul befinde sich unter Kontrolle regierungstreuer Soldaten.
- 04.30 Uhr: Regierungskreisen zufolge wurden in Ankara während des Putschversuchs 42 Menschen getötet. Die meisten davon seien Zivilisten. Es seien 13 Soldaten festgenommen worden, die versucht hätten, den Präsidentenpalast zu betreten.
- 04.08 Uhr: Ministerpräsident Yildirim sagt laut CNN Türk, aufständische Soldaten feuerten in Istanbul und Ankara weiter aus der Luft. Er fügt hinzu, im Zusammenhang mit dem Putschversuch seien 130 Menschen festgenommen worden.
- 03.50 Uhr: Nach der vorübergehenden Besetzung durch Putschisten nimmt CNN Türk seine Berichterstattung wieder auf.
- 03.13 Uhr: Präsident Recep Tayyip Erdogan meldet sich nach seiner Ankunft in Istanbul zu Wort. Er kündigt ein hartes Vorgehen gegen die Rebellen an. Es habe den Versuch eines Aufstandes gegen die Solidarität und die Einheit des Landes gegeben, sagt Erdogan dem Sender Fox TV zufolge.
- 03.09 Uhr: Mehrere Fluggesellschaften haben ihre Türkei-Flüge gestrichen. Betroffen ist unter anderem die AUA-Mutter Lufthansa, die ihre Verbindungen ins Krisenland vorerst bis Samstagmittag aussetzt.
- 03.08 Uhr: Dutzende Soldaten seien festgenommen worden, berichtet der Sender NTV. Laut Augenzeugen haben rund 30 Armeeangehörige am Istanbuler Taksim-Platz ihre Waffen an Polizisten übergeben. 13 weitere Soldaten seien bei dem Versuch festgenommen worden, ins Präsidialbüro in Ankara einzudringen.
- 03.03 Uhr: Nun sind auch zivile Opfer zu beklagen. Sechs Menschen seien in Istanbul durch Schüsse getötet und fast 100 weitere verletzt worden, berichtet die Agentur DHA. Die Opfer seien in ein Krankenhaus auf der asiatischen Seite der Stadt eingeliefert worden. Laut Augenzeugen waren in der Nähe des Taksim-Platzes und am Atatürk-Flughafen zwei lauten Explosionen zu hören. Auch in der Istanbuler Altstadt melden Anrainer mehrere heftige Detonationen innerhalb weniger Minuten. Kampfjets fliegen im Tiefflug über die Stadt. Auch das Parlamentsgebäude in Ankara sei laut Anrainern von zwei weiteren Explosionen erschüttert worden.
- 02.55 Uhr: Der türkische CNN-Ableger wurde von Soldaten besetzt, der Moderator aus dem Studio getragen. Derzeit sendet CNN Türk keine Nachrichten mehr.
- 02.50 Uhr: Erdogan ist mittlerweile in Istanbul gelandet. Die Stadt wird noch immer von Explosionen erschüttert. Mehrere Zivilisten wurden bei Zusammenstößen mit dem Militär getötet.
- 02.28 Uhr: Nach dem Putschversuch des Militärs ist die Situation nach Angaben von Ministerpräsident Yildirim wieder "weitgehend unter Kontrolle". Yildirim spricht im Nachrichtensender NTV von einem "idiotischen Versuch, der zum Scheitern verurteilt" gewesen sei.
- 02.18 Uhr: Der türkische Staatssender TRT ist wieder auf Sendung. Die Putschisten hatten den Sender zwischenzeitlich unter ihre Kontrolle gebracht.
- 02.16 Uhr: Erdogan hat nach Angaben aus dem Präsidialamt nicht das Land verlassen. "Der Präsident ist an einem sicheren Ort", heißt es. "Er ist in der Türkei." Bilder aus Istanbul zeigen Verletzte, die von anderen Demonstranten und Sanitätern versorgt werden.
Die Armee habe die Polizeidirektion beschossen, berichtet der Sender CNN Türk. Augenzeugen berichten von Panzern in den Straßen der Hauptstadt. Auch am Flughafen in Istanbul fallen Augenzeugen zufolge Schüsse. Die Nachrichtenagentur DHA meldet, das Militär sei wieder vom Gelände des Atatürk-Flughafens abgezogen. Demnach seien Demonstranten auf das Gelände eingedrungen, daraufhin habe das Militär den Flughafen verlassen.
Der Putsch werde nach den Worten Erdogans binnen kurzer Zeit niedergeschlagen sein. Die Verantwortlichen würden vor Gericht einen hohen Preis dafür zahlen, kündigt er an. Jene, die die türkische Demokratie angegriffen hätten, würden schnell vor Gericht gestellt. Der demokratische gewählte Präsident und die Regierung seien weiter an der Macht. Sie würde keinen Versuch akzeptieren, die Demokratie zu untergraben.
23.30 Uhr: Auf den Straßen von Istanbul patroullieren Panzer und andere Militärfahrzeuge.
Erdogan soll Gerüchten zufolge außer Landes gebracht worden sein, was bislang aber nicht bestätigt wurde.
Auf Fernsehbildern sind Panzer beim Eingang des Atatürk-Flughafens in Istanbul zu sehen, sämtliche Flüge wurden gestrichen. Augenzeugen berichten von schwer bewaffneten Sicherheitskräften in den Straßen. Über Ankara und Istanbul kreisen Kampfhubschrauber und Jets.
Ministerpräsident Yildirim hatte zuvor einen "illegalen Versuch" durch eine "Gruppe" im Militär verurteilt. Die Beteiligten an dem Putschversuch würden "den höchsten Preis" zahlen, so Yildirim am Freitagabend. Die Nachrichtenagentur DHA meldete, in der Hauptstadt Ankara habe die Polizei das gesamte Personal zum Dienst gerufen. Im Umfeld des Armee-Hauptquartiers seien erhöhte Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden. Zahlreiche Rettungswagen stünden dort bereit.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.