"Unbeherrschbar"
Flüchtlingsansturm: Slowenien mobilisiert Armee
Die slowenische Regierung hatte angesichts des massiven Zustroms von Flüchtlingen aus Kroatien in einer Krisensitzung bereits in der Nacht auf Dienstag den Einsatz des Militärs beschlossen. Eine entsprechende Gesetzesnovelle, mit der die Armee zusätzliche Aufgaben zum Schutz der Grenze erhält, wurde nun Mittwochfrüh im Parlament verabschiedet. Derzeit beschränkt sich die Befugnis für die slowenischen Streitkräfte auf logistische Unterstützung. Künftig werden sie zusätzlich die Flüchtlinge vorläufig an der Grenze aufhalten oder bei ihrer Durchreise lenken können. Das neue Mandat beinhalte zudem Armeepatrouillen an der Grenze, hieß es am Dienstag in Laibach.
Kritik an Österreich und Kroatien
Slowenien, das seit Samstag endgültig zum neuen und zugleich kleinsten Transitland an der Balkan-Route geworden ist, gerät immer stärker unter Druck. Ein großes Problem sei nach Angaben der Regierung, dass nur ein Teil der Ankommenden nach Österreich weiterfahre, weil man dort zu wenige Menschen durchlasse. Allein am Montag seien demnach rund 8000 Flüchtlinge in Slowenien eingereist, aber nur 2000 Menschen von Österreich aufgenommen worden. Laut der Polizei in der Steiermark kamen allerdings mehr als doppelt so viele Menschen nach Österreich: So seien am Montag rund 4280 Flüchtlinge an den Grenzübergängen in Spielfeld und Bad Radkersburg gezählt worden.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hatte den slowenischen Vorwurf, wonach Österreich eine Obergrenze für Flüchtlinge festlege, bereits am Montagabend zurückgewiesen. Demnach würden mit dem Nachbarland keine Zahlen ausgemacht. Die Ministerin räumte allerdings ein, dass die Vorgangsweise Österreichs einerseits "von den österreichischen Unterbringungskapazitäten", andererseits "vom Verhalten Deutschlands" abhänge. Verzögere sich die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland, müsse Österreich nachziehen: "Binnen zwei bis drei Tagen können unsere Unterbringungskapazitäten erschöpft sein."
Die slowenische Regierung kritisierte zudem am Dienstag erneut, dass Kroatien die Flüchtlinge ohne Vorwarnung und "unkontrolliert, sogar absichtlich zerstreut an die Grenze schickt". Auch aus dem Nordosten des Landes habe es demnach Berichte gegeben, dass Flüchtlinge in der Nähe von kleineren, abgelegeneren Grenzübergängen ins Land kamen. Man rechne am Dienstag erneut mit Tausenden Migranten, obwohl sämtliche Aufnahmeeinrichtungen des Landes völlig überfüllt seien. So befänden sich etwa im Lager in Brezice, das für 400 Menschen ausgelegt ist, bereits mehr als 3000 Flüchtlinge.
Laibach appelliert an EU-Mitgliedsstaaten
"Slowenien ist das kleinste Land auf der Balkan-Route und hat dementsprechend nur begrenzte Möglichkeiten für den Grenzschutz und die Unterbringung von Flüchtlingen", teilte die slowenische Regierung mit. Laibach bat daher andere EU-Mitgliedsstaaten um Hilfe. Aus Sicht Sloweniens werde derzeit die europäische Solidarität auf die Probe gestellt: "Es ist illusorisch, zu erwarten, dass ein Zwei-Millionen-Land das aufhalten, regeln und lösen kann, was viel größere Mitgliedsstaaten nicht geschafft haben", hieß es.
Auch Lage in Kroatien weiter angespannt
Auch in Kroatien blieb die Lage am Dienstag angespannt. Tausende Flüchtlinge hatten die ganze Nacht am serbisch-kroatischen Grenzübergang Berkasovo-Babska ausgeharrt. Dienstagfrüh ließen die kroatischen Behörden die Menschen schließlich einreisen, zu Mittag wurde der Grenzübergang aber wieder gesperrt. Zuvor hatten Medien berichtet, dass Flüchtlinge unkontrolliert über die nahe gelegenen Obstgärten nach Kroatien gewandert seien. In Serbien wiederum warteten insgesamt mehr als 12.000 Menschen auf ihre Weiterreise. Im südserbischen Presevo treffen derzeit täglich rund 5000 Menschen ein.
Auf der Balkan-Route, die über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und nun Kroatien und Slowenien nach Österreich bzw. Deutschland führt, versuchen seit Wochen Zehntausende Flüchtlinge, aus dem vom Bürgerkrieg geplagten Syrien zu entkommen. Seit Ende September bombardiert die russische Luftwaffe Ziele in Syrien. Unten sehen Sie ein Video von einem der Einsätze russischer Kampfjets in der Provinz Homs.
UNHCR: "Neuer dramatischer Höhepunkt"
Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat bezeichnete am Dienstag die jüngste Entwicklung als einen "neuen dramatischen Höhepunkt". Allein am Montag seien mehr als 8000 Menschen aus der Türkei auf die griechischen Ägäis-Inseln gekommen, teilte UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming mit. In diesem Jahr seien bereits mehr als 500.000 Menschen in Griechenland eingetroffen. Derzeit seien rund 27.500 Menschen in Transiteinrichtungen.
Laut Fleming haben noch immer viele der Flüchtlinge keine realistischen Vorstellungen von dem, was sie in Europa erwarte. "Die meisten glauben, dass ihre einzige Chance auf ein neues Leben in der Flucht nach Deutschland, Österreich oder Schweden besteht." Daher sei es wichtig, die Menschen in den betroffenen Ländern besser über die Situation in Europa zu informieren. Die UNHCR-Sprecherin verwies darauf, dass in Österreich und Deutschland Tausende Flüchtlinge in Zelten und anderen notdürftigen Unterkünften leben, weil es kaum noch solide Unterbringungsmöglichkeiten für sie gebe.
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