Islamisten-Angriff

Frankreich: Mann bei Terroranschlag enthauptet

Ausland
26.06.2015 20:17
Rund ein halbes Jahr nach dem islamistischen Anschlag auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" steht Frankreich erneut unter Schock: Nach einem Angriff auf eine Fabrik für Industriegase bei Lyon wurde am Freitag auf dem Gelände laut Polizei ein abgetrennter Kopf gefunden, der in ein Transparent mit islamistischen Parolen eingehüllt war. Die französische Regierung rief für die gesamte Region die höchste Terrorwarnstufe aus.

Laut Innenminister Bernard Cazeneuve habe der 35-jährige mutmaßliche Attentäter, Yassin Salhi, einen terroristischen Hintergrund und Verbindungen zur Salafisten-Bewegung. Nach unbestätigten Berichten kam es nach dem Anschlag bisher zu vier Festnahmen. Neben Salhi wurden auch seine Frau sowie eine Schwester in Gewahrsam genommen. Ein weiterer Verdächtiger wurde zunächst als möglicher Komplize festgenommen und seine Wohnung durchsucht.

Salhis Ehefrau hatte vor ihrer Festnahme noch dem Radiosender Europe 1 ein Interview gegeben und sich fassungslos über die Vorwürfe gegen ihren Gatten gezeigt. "Ich weiß nicht, was gerade passiert", sagte sie. Ihr Mann sei in der Früh wie jeden Tag zur Arbeit aufgebrochen. "Wir sind normale Muslime (...). Wir haben drei Kinder, ein normales Familienleben." Sie wüsste nicht, warum ihr Mann ein Attentat hätte verüben sollen.

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Am Tatort wurden islamistische Flaggen gefunden. (Bild: APA/EPA/STR)
Am Tatort wurden islamistische Flaggen gefunden.
Laut Innenminister Bernard Cazeneuve wurden der Täter und seine mutmaßliche Komplizen festgenommen. (Bild: AFP)
Laut Innenminister Bernard Cazeneuve wurden der Täter und seine mutmaßliche Komplizen festgenommen.

Mit Auto auf Gelände von Fabrik eingedrungen
Nach dem Anschlag auf die Fabrik in Saint-Quentin-Fallavier im Südosten von Lyon, die Gas- und Chemieprodukte für die Industrie herstellt, war dort eine enthauptete Leiche gefunden worden. Der abgetrennte Kopf war am Zaun der Industrieanlage befestigt, er sei mit einem Transparent mit arabischen Schriftzeichen bedeckt gewesen - Polizeikreise sprachen von islamistischen Parolen.

Der Tote, ein 50-jähriger Transportunternehmer aus einem Vorort von Lyon, war offenbar der Arbeitgeber des mutmaßlichen Attentäters. Er sei feige ermordet worden, sagte Frankreichs Präsident Francois Hollande. Der mutmaßliche Täter, ein 35-Jähriger mit Kontakt zur radikalislamischen Szene, gelangte mit dem Fahrzeug des Opfers auf das Gelände der Firma Air Products in Saint-Quentin Fallavier bei Lyon. Das Transportunternehmen des Opfers hatte eine Zugangsgenehmigung zur Gasfabrik.

Aufnahmen der Überwachungskameras zeigen laut Angaben der Polizei, wie der später festgenommene Angreifer den Kopf am Zaun anbringt. Anschließend rammte der 35-Jährige gegen 9.50 Uhr mit seinem Fahrzeug Dutzende auf dem Gelände gestapelte Gasflaschen und löste so eine Explosion aus, bei der zwei Menschen leicht verletzt wurden. Anschließend rannte er auf ein Gebäude zu und hantierte mit weiteren Gasflaschen - offenbar, um eine weitere Explosion herbeizuführen. Herbeigeeilte Feuerwehrleute konnten den Mann, der sie mit "Allahu Akbar"-Rufen empfing und laut Medienberichten auch Islamistenfahnen bei sich hatte, überwältigen und festhalten, bis die Polizei eintraf.

Verbindungen zur radikalislamischen Salafisten-Bewegung
Frankreichs Innenminister Cazeneuve erklärte, der kurz nach dem Anschlag festgenommene Mann sei den französischen Geheimdiensten bereits 2005 und 2006 aufgefallen, doch offenbar wurde seine Gefährlichkeit unterschätzt. Der Mann, dessen Vater algerischer und dessen Mutter marokkanischer Abstammung war, hatte Kontakt zu einer Gruppe radikaler Islamisten, als Eiferer fiel er aber nicht auf, wie ein Ermittler sagte. 2006 wurde Salhi auf eine Liste verdächtiger Personen gesetzt, zwei Jahre später aber wieder aus dem Register gestrichen.

2013 dann wurden die Sicherheitsbehörden dann wieder auf den Mann aufmerksam, weil er sich mit mutmaßlichen Islamisten abgab. Damals trug er ein langes Männergewand und einen Bart, wie ihn Salafisten tragen. Innenminister Cazeneuve sagte, Salhi habe Verbindungen zur "salafistischen Bewegung" gehabt. Mit verbotenen Aktivitäten wurde er aber nie in Verbindung gebracht, auch vorbestraft war der Mann nicht.

Der Bereich rund um die Fabrik wurde weiträumig abgesperrt, die Staatsanwaltschaft schickte Anti-Terror-Ermittler nach Saint-Quentin-Fallavier. Präsident Francois Hollande, der sofort vom EU-Gipfel in Brüssel nach Paris zurückkehrte, sprach von einem Terroranschlag. Es würden sämtliche Maßnahmen ergriffen, um weitere Anschläge zu verhindern. Premierminister Manuel Valls ordnete an, "sofort" in der gesamten ostfranzösischen Region Rhone-Alpes die Sicherheitsvorkehrungen für Einrichtungen zu verstärken, die gefährdet sein könnten.

Chef der Fabrik stammt aus Iran - IS hinter dem Anschlag?
Welchen Hintergrund die Auswahl dieses Angriffsziel hat, blieb zunächst unklar. Air-Products-Chef Seifi Ghasemi stammt jedenfalls aus dem Iran. Das überwiegend schiitische Land ist ein erklärter Gegner der Extremistenorganisation Islamischen Staat, die von sunnitischen Strömungen dominiert wird.

Frankreich, das sich an dem Kampf gegen den IS im Irak beteiligt, gilt schon einige Zeit als Anschlagsziel der Extremisten. Laut Ministerpräsident Manuel Valls wurden allein seit dem Terror in Paris Anfang des Jahres fünf weitere Attacken vereitelt. Im Jänner hatten drei Islamisten bei Anschlägen auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo", auf eine Polizistin und auf einen jüdischen Supermarkt im Großraum Paris insgesamt 17 Menschen getötet.

Präsident Hollande appelliert an Einheit der Nation
Frankreichs Präsident François Hollande hat nach dem Terroranschlag an die Einheit der Nation appelliert. Das Land dürfe sich nicht durch unnütze Streitereien ablenken lassen, sagte der Staatschef in Paris nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in Paris. In einem solchen Moment seien es Einheit, Zusammenrücken und Fähigkeit der Nation, Gesicht zu zeigen, die den Kampf gegen den Terrorismus mit der größten Effizienz erlaubten.

Hollande kündigte zudem an, für die betroffene Region Rhône-Alpes werde die Terrorwarnung auf die oberste Stufe angehoben. Dies solle drei Tage andauern. Mit der Warnstufe sind umfassende Sicherheitsmaßnahmen und Kontrollen verbunden.

Kurz: "Dürfen uns dadurch nicht einschüchtern lassen"
Vertreter mehrerer EU-Staaten haben die nunmehrige Bluttat nahe Lyon verurteilt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprach Hollande ihre Anteilnahme und Solidarität aus. "In diesen Stunden sind unsere Gedanken bei den Angehörigen der Opfer." Das Attentat mache die große Herausforderung klar, die der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus darstelle.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy erklärte, er verurteilte die Attacke auf das Schärfste. "Wir werden immer gegen die Barbarei einstehen." Und Außenminister Sebastian Kurz sagte: "Demokratische Gesellschaften wie unsere dürfen sich dadurch nicht einschüchtern lassen. Wir müssen weiterhin unsere Grundwerte mit Nachdruck verteidigen."

Israels Einwanderungsminister ruft Juden "nach Hause"
Der israelische Einwanderungsminister hat die französischen Juden dazu aufgerufen, nach Israel zu immigrieren. "Der Antisemitismus wächst, der Terrorismus greift um sich und Berichten zufolge mordet der Islamische Staat mitten am Tag", sagte Zeev Elkin. "Wir sind darauf vorbereitet, unsere Arme für die Juden Frankreichs zu öffnen", erklärte der Minister. Bei der islamistischen Anschlagsserie in Paris im Jänner waren auch mehrere Juden getötet worden.

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