Libyen-Unruhen

Frankreich erkennt Rebellen an und fordert Luftangriffe

Ausland
10.03.2011 16:31
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy macht Druck in der Debatte um eventuelle militärische Aktivitäten der EU in Libyen. Nicht nur erkannte Frankreich am Donnerstag als erstes Land den oppositionellen Nationalrat in Bengasi als "rechtmäßigen Vertreter" Libyens an. Aus Regierungskreisen in Paris verlautete, Sarkozy werde seinen europäischen Amtskollegen beim EU-Sondergipfel zur Libyen-Krise einen "umfassenden Plan" u.a. für "gezielte Luftangriffe" auf das Gadafi-Regime unterbreiten.

Sarkozy - im Bild mit Libyens Machthaber Muammar al-Gadafi bei einem Staatbesuch des französischen Präsidenten in Tripolis im Sommer 2007 - will seine Amtskollegen offenbar zu einem energischeren Vorgehen samt militärischem Eingriff drängen. Bis auf die "gezielten Luftangriffe auf libysche Ziele" verlautete dazu am Donnerstag in Paris aber vorerst noch nichts Genaueres.

Auf EU-Ebene ist am Donnerstag indes noch nicht einmal in der Debatte um die (militärische) Erzwingung eines Flugverbots über Libyen ein Fortschritt erzielt worden. Laut Österreichs Außenminister Michael Spindelegger ging das Treffen der EU-Außenminister in Brüssel ohne Übereinkunft zu Ende. So wie Österreich hätten viele EU-Staaten die Ansicht vertreten, dass ein UNO-Sicherheitsratsbeschluss eine Voraussetzung für eine Flugverbotszone wäre, sagte Spindelegger. 

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle nannte die Errichtung einer Flugverbotszone zwar "eine Option", warnte aber vor voreiligen Schritten. "Wir wollen nicht Bürgerkriegspartei auf Dauer werden. Wir wollen nicht, dass Europa in den Bürgerkrieg hineingezogen wird."

Rebellen als Vertreter anerkannt
In Frankreich sieht man das offenbar anders. Das nach Deutschland zweitgrößte Land der EU hat am Donnerstag als erster Staat überhaupt die libyschen Rebellen als rechtmäßige Vertreter des nordafrikanischen Landes, mit dem Frankreich in der Vergangenheit u.a. zahlreiche Rüstungsgeschäfte einging, anerkannt. Über einen Sprecher ließ Sarkozy erklären, dass man die Gegner von Machthaber Gadafi "politisch unterstützen" wolle. 

Der Nationalrat wurde von den Rebellen gegründet und hat sich zum alleinigen legitimen Vertreter des libyschen Volkes erklärt. Die Erklärung blieb vorerst ohne internationale Reaktion. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat in den vergangenen Tagen eine Anerkennung durch die EU sogar abgelehnt. Die als zahnlos und feige verrufene "Hohe Außenbeauftragte" der EU wurde von  der französischen Regierung nun einigermaßen düpiert.

Sarkozy traf Delegation aus Bengasi
Sarkozy hat am Mittwochabend außerdem als erster Staatschef zwei Vertreter des libyschen Nationalrates empfangen. Laut dem Präsidialamtssprecher werde Frankreich bald einen Botschafter nach Bengasi schicken, wo der Nationalrat seinen Sitz hat. Auch werde man selbst einen Gesandten der Rebellen empfangen. 

Bengasi im Osten Libyens ist das Machtzentrum des Aufstands gegen Gadafi, dessen Truppen den Westteil des Landes halten. Bei den Gesprächen Sarkozys mit Mahmoud Jibril und Ali Essaoui, den beiden Vertretern des Nationalrats, ging es vor allem um die humanitäre Lage in Libyen, teilte der Elysee-Palast am Mittwochabend mit. 

Spanien schickte heimlich Diplomat nach Libyen
In Spanien wurde derweil bekannt, dass das Land heimlich einen diplomatischen Vertreter nach Libyen geschickt hat, um direkte Kontakte mit dem oppositionellen Nationalrat aufzunehmen. Wie die spanische Zeitung "El Pais" am Donnerstag berichtete, traf sich Pablo Yuste, Leiter der spanischen Gesellschaft für Internationale Entwicklungszusammenarbeit, bereits vor einigen Tagen mit Angehörigen des Nationalrats, um eine politische Bewertung der Oppositionsvertreter zu machen sowie eine mögliche politische und humanitäre Zusammenarbeit in der Zukunft auszuloten.

Verschärfte EU-Sanktionen abgesegnet
Die Europäische Union hat unterdessen die verschärften Sanktionen gegen das Gadafi-Regime endlich offiziell abgesegnet. Die Sanktionen gegen fünf weitere libysche Finanzorganisationen seien nun im schriftlichen Verfahren beschlossen worden, teilte die ungarische EU-Ratspräsidentschaft am Donnerstag mit. 

Die EU hat zudem den Manager Mustafa Zarti auf die Liste der Führungspersönlichkeiten gesetzt, die von Sanktionen gegen das libysche Regime erfasst werden. Auch Zartis Konten werden damit gesperrt, bestätigte der Sprecher des österreichischen Außenministeriums, Peter Launsky-Tieffenthal. Die Oesterreichische Nationalbank hatte bereits vergangene Woche mittels einer Verordnung die Konten von Zarti eingefroren. Dieser hat dagegen Rechtsmittel erhoben. Zarti hat einen österreichischen Pass, der bis 2016 gilt. Daher darf er sich weiter in der EU aufhalten. 

Diplomaten: Entwurf sieht Rücktrittsaufforderung vor
Am Mittwoch war aus Diplomatenkreisen durchsickert, dass die EU auf ihrem Sondergipfel am Freitag den Rücktritt von Gadafi fordern wird. "Oberst Gadafi muss seine Macht sofort aufgeben", heißt es in dem Entwurf der Abschlusserklärung, der der Deutschen Presse-Agentur zugespielt wurde (siehe Infobox). 

Nach Ansicht von Diplomaten dürfte es bei dem Treffen am Freitag aber noch heftige Debatten um diese klare Aufforderung geben. Es ist äußerst selten, dass die 27 EU-Staaten einen Machthaber zum Rücktritt drängen. Während der jüngsten Unruhen in Tunesien und Ägypten hatte die EU beispielsweise nicht den Abgang der Präsidenten, sondern nur den Übergang zur Demokratie verlangt.

Gadafi startete diplomatische Offensive
Ungeachtet anhaltender Angriffe gegen die Aufständischen hat Gadafi am Mittwoch eine diplomatische Offensive gestartet. Er entsandte einen Vertreter nach Kairo und einen weiteren nach Lissabon. Am Nachmittag landete der libysche General Abdelrahman al-Sawi mit einem Privatflugzeug Gadafis in Ägypten. Italiens Außenminister Franco Frattini zufolge war Ziel der Mission, der Arabischen Liga eine Nachricht von Gadafi zu überbringen. Die Organisation arabischer Staaten will am Wochenende in Kairo über eine Flugverbotszone über Libyen beraten.

Ein weiterer Vertreter Gadafis reiste in die portugiesische Hauptstadt Lissabon. Portugals Außenminister Luis Amando willigte nach Abstimmung mit EU-Außenministerin Ashton ein, ihn zu empfangen. Portugal hat derzeit den Vorsitz über den UN-Ausschuss inne, der die Libyen-Sanktionen überwacht. Laut Frattini waren weitere Gadafi-Gesandte auf dem Weg nach Brüssel.

Neuer Luftangriff gegen Rebellen bei Ras Lanuf
Die Situation in Libyen blieb am Donnerstag weiterhin angespannt und von Kämpfen geprägt. Ein Kampfflugzeug der libyschen Luftwaffe hat am Vormittag erneut einen Angriff auf Stellungen der Aufständischen nahe dem Ölhafen Ras Lanuf geflogen. Das Flugzeug flog in niedriger Höhe, später war am Horizont etwa acht Kilometer östlich von Ras Lanuf eine Rauchwolke zu sehen, berichtete ein Reporter der Agence France Presse. Die vom Flugzeug abgefeuerte Rakete landete vermutlich in der Wüste, unklar war , ob Menschen getötet oder verletzt wurden.

Die Hafenstadt Ras Lanuf liegt an der Front zwischen den Aufständischen und den Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gadafi. Die libysche Luftwaffe attackierte die von den Rebellen kontrollierte Stadt in den vergangenen Tagen mehrfach.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt