"Tempora"-Programm

GB-Geheimdienst übertrumpft NSA bei Web-Spionage

Web
22.06.2013 12:40
Die Affäre rund um das Überwachungsprogramm PRISM der US-amerikanischen NSA ist um ein pikantes Detail reicher. Denn auch der britische Geheimdienst GCHQ (Government Communications Headquarters) soll laut Bericht der Zeitung "The Guardian" eine umfassende Sammlung an Telefon- und Internetdaten angelegt und diese sogar mit den USA geteilt haben. Dafür habe sich die Behörde Zugang zu Glasfaserkabeln verschafft. In Sachen Webspionage könnte der GCHQ die Amerikaner damit sogar noch übertrumpfen.

Die Glasfaserkabel wurden an diversen Internetknotenpunkten angezapft, heißt es in dem "Guardian"-Artikel. GCHQ verschaffte sich damit Informationen über internationale Telefonanrufe und den Internetverkehr. Neben E-Mails, Einträgen im sozialen Netzwerk Facebook oder auch Telefongesprächen würden auch persönliche Informationen der Nutzer gespeichert und analysiert.

Die Informationen des "Guardian" stammen von dem US-Amerikaner Edward Snowden, der erst vor Kurzem Details über PRISM, das Überwachungsprogramm der NSA, an die Öffentlichkeit gebracht hat. Das britische Spionageprogramm unter dem Namen "Tempora" soll demnach noch umfangreicher als das US-amerikanische sein und ist seit eineinhalb Jahren in Betrieb.

"Es ist nicht nur ein US-Problem"
Snowden berichtete, er wolle "das größte unauffällige Überwachungsprogramm in der Geschichte der Menschheit" aufdecken. "Es ist nicht nur ein US-Problem", zitierte ihn der "Guardian". Auch Großbritannien habe "einen großen Hund im Rennen". GCHQ sei "schlimmer als die US-Kollegen". Dazu habe er dem "Guardian" Dokumente vorgelegt, die diese Aussagen untermauern würden, schreibt das Blatt weiter. Insgesamt 200 Glasfaserkabeln sollen angezapft worden sein, bis zu 46 können gleichzeitig abgehört werden.

Der international bisher nur Experten bekannte Geheimdienst GCHQ betonte auch mit Blick auf die neuesten Enthüllungen, man halte sich "kompromisslos" an die juristischen Vorgaben. Der "Guardian" wirft allerdings die Frage auf, ob diese nicht deutlich zu weit interpretiert werden, wenn sie das Sammeln von derartigen Massen von Daten erlauben.

Hauge beruft sich auf Ripa-Akte
Der britische Außenminister William Hague hatte sich bei einer Erklärung im Parlament vor einigen Tagen vor allem auf den sogenannten Regulation of Investigatory Powers Act (Ripa) berufen. Diesem zufolge dürfen Daten nur mit der Zustimmung von höchsten Stellen eingesehen werden. Der Inhalt eines Telefongesprächs etwa darf nur ausgewertet werden, wenn Hague dies persönlich unterschreibt.

Datenschutz-Aktivisten betonen allerdings, dass diese Gesetze aus dem Jahr 2000 stammen. Damals habe noch keiner ahnen können, in welchem Ausmaß die weltweite Datenmenge explodieren würde, und welche neuen Techniken den Geheimdiensten zum Sammeln zur Verfügung stehen könnten. So werden heutzutage täglich Millionen Gespräche über Internetdienste wie Skype geführt, statt über die klassischen Telefonleitungen.

"Passt nicht auf die Vorgaben"
"Sollte GCHQ im Rahmen einer riesigen Sammelaktion tatsächlich die Kommunikationsdaten von einer großen Zahl unschuldiger Menschen eingesehen haben, dann frage ich mich, wie das auf die Vorgabe passt, dass für jede einzelne Abhöraktion eine individuelle Berechtigung vorliegen muss", sagte Nick Pickles von der Organisation "Big Brother Watch". "Mir scheint, dass wir hier gefährlich nah an einer zentralen Datenbank aller unserer Internet-Kommunikationsdaten sind, zum Teil sogar deren Inhalte", kritisierte er. "Die haben alle Regierungen aber bisher abgelehnt und das Parlament hat dazu nie ein Gesetz erlassen. Diese Frage muss dringend im Parlament diskutiert werden."

Shami Chakrabarti von der Menschenrechtsorganisation "Liberty" warf dem Geheimdienst GCHQ im Sender BBC vor, sich selber eine "sehr großzügige Auslegung der Gesetze" zu erlauben: "Es ist traurig, wenn es in einer Demokratie passieren kann, dass alles, was den Geheimdienst-Staat zurückhält, seine physischen und technischen Möglichkeiten sind - und nicht ethische Fragen oder eine strengere Auslegung der Gesetze."

WikiLeaks-Flugzeug für Snowden
Die Affäre rund um den US-Geheimdienst NSA war aufgeflogen, als Snowden Informationen zu Überwachungs-Programmen NSA an die Medien gegeben hatte. Er war anschließend nach Hongkong geflohen, da er eine eine Verfolgung durch die US-Behörden fürchtete. Nach Angaben eines mit der Enthüllungsplattform WikiLeaks verbundenen isländischen Geschäftsmannes steht in Hongkong ein Flugzeug bereit, das Snowden nach Island fliegen könnte (Bericht siehe Infobox). Man warte nun auf ein positives Signal von der isländischen Regierung, sagte der Geschäftsmann Olafur Vignir Sigurvinsson am Freitag.

Die isländische Regierung reagiert zurückhaltend auf Hinweise, wonach Snowden in dem Land Schutz suchen will. Sie beharrt darauf, dass der 29-Jährige nur in Island selbst politisches Asyl beantragen kann. Die Innenministerin des Landes, Hanna Birna Kristjansdottir, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Das Gesetz gilt für alle gleich. Wer in Island um Asyl ersucht, muss sich im Land aufhalten und den Antrag persönlich stellen." Bisher habe das Innenministerium keinen formalen Antrag bezüglich des Falles von Snowden bekommen.

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