50 Tonnen Arsen

Giftschlamm aus Ungarn bedroht jetzt Österreich

Österreich
08.10.2010 17:51
Der Giftschlamm aus Ungarn könnte nun auch für Österreich gefährlich werden. Allein 50 Tonnen extrem toxisches Arsen befinden sich in den roten Massen, die aus einem Aluminiumwerk ausgetreten sind, wie Greenpeace am Freitag berichtete. Sollte der Schlamm trocknen, würde das Gift bei Ostwind nach Österreich transportiert werden - mit unabsehbaren Folgen, so die Umweltschützer. Ebenso schlimm sei das Szenario bei Regen: Dann würde das Arsen ins ungarische Grundwasser gespült werden.

Damit könnte die Giftschlamm-Katastrophe in Westungarn noch weit schlimmere Ausmaße haben als ursprünglich befürchtet: So sei allein der Arsengehalt des freigesetzten Rotschlamms doppelt so hoch wie erwartet, sagte Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien. Etwa 50 Tonnen der hochgiftigen Substanz seien ausgetreten, hinzu kommen 500 Kilogramm Quecksilber und 300 Tonnen Chrom. 50 Tonnen Arsen reichen aus, um etwa 500 Millionen Menschen zu töten.

Greenpeace beruft sich in seiner Einschätzung auf Messungen der Umweltschützer, die in Labors des Umweltbundesamtes sowie in Budapest analysiert wurden. Es sei zu befürchten, dass die betroffenen Gebiete "auf viele Jahre unbewohnbar sind", sagte Schuster. Kritik gab es an der ungarischen Regierung: "Ich wundere mich, warum wir es sind, die diese Ergebnisse veröffentlichen müssen."

Wasserlöslichkeit von Arsen als großes Problem
Vor allem das Arsen bereitet den Umweltschützern große Sorgen: Die Substanz sei sehr gut wasserlöslich. Wenn der pH-Wert im Schlamm wie derzeit im stark basischen Bereich von 13 bis 14 liege, lägen die meisten Metalle in gebundener Form vor. Sinkt der Wert jedoch - etwa durch Verdünnung mit Regenwasser oder in Grundwasser und Flüssen -, werden die Schadstoffe freigesetzt. Die Analyse des ungarischen Balint-Labors deutet darauf hin, dass dieser Prozess bereits im Gange sei. In einer Wasserprobe wurden 0,25 Milligramm Arsen gefunden, was laut Greenpeace das 25-Fache des Grenzwertes ist.

Doch auch trockenes Wetter kann problematisch sein: Der Schlamm würde trocknen, der Wind könnte ihn aufwirbeln und verfrachten. Bei einem Ostwind wäre auch Österreich in Gefahr. Die möglichen Folgen sind derzeit noch nicht absehbar.

Verheerende Langzeitfolgen
Vor allem Arsen und Quecksilber könnten im Hinblick auf die Langzeitfolgen der Katastrophe verheerende Folgen haben: "Es besteht die Gefahr, dass das Arsen das Trinkwasser in einer sehr großen Region kontaminieren wird", sagte Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster. Das Wasser würde damit unbrauchbar. Quecksilber könnte sich bei der Freisetzung im Wasser in der Nahrungskette, vor allem im Fisch schrittweise anreichern. Schäden am Nervensystem wären die Folge bei Menschen, die den Fisch essen würden.

Feuerwehrleute mit völlig verätzten Händen
Greenpeace-Aktivist Bernd Schaudinnus, der aus dem Katastrophengebiet kam, berichtete von Feuerwehrleuten, die den Schlamm einen Tag lang ohne entsprechenden Schutz geborgen hatten. Sie hatten völlig verätzte Hände. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Politiker nicht gewusst haben, was da drin ist." Auch Schuster kritisierte die Informationspolitik der Regierung: "Wenn in Österreich so etwas passiert, hat das Umweltbundesamt eine Datenbank, wo man schnell nachschauen kann, was eigentlich los ist." Ungarns Premierminister Viktor Orban müsse "sofort alle verfügbaren Informationen auf den Tisch legen". Das Vermögen der Eigentümer sollte für den Schadenersatz herangezogen werden.

Wie der Schlamm nun entsorgt werden soll, scheint überhaupt nicht klar. Kurzfristig seien Sicherungsmaßnahmen für bestehende Dämme das wichtigste, nicht zuletzt, weil auch das Nachbarbecken gefährdet sein dürfte, sagte Schuster. Die Feuerwehr spritze den Schlamm weg. Hier müsse man aber Sperren errichten, damit die Schadstoffe nicht in die Kanalisation gelangen kann. Der Schlamm müsste in Deponien, die der entsprechenden EU-Verordnung entsprechen, gelagert werden. Es könnte durchaus sein, dass solche Lagerstätten nur in Westeuropa zu finden sind, meinte der Greenpeace-Chemiker.

Siebentes Todesopfer
Die Zahl der Toten hat sich derweil auf sieben erhöht. Ein 81 Jahre alter Mann ist nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde vom Freitag im Krankenhaus Veszprem gestorben. Wenig später meldeten die Helfer, dass eine weitere Leiche in der Kleinstadt Devecser entdeckt worden sei. Die Zahl der Verletzten wurde mit 150 angegeben. Weitere Personen werden noch vermisst.

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