Hiobsbotschaft

Erdöl im Golf von Mexiko wird noch Monate sprudeln

Ausland
04.05.2010 13:38
Noch "rund drei Monate" wird das Erdöl den Golf von Mexiko verseuchen. Mit dieser Hiobsbotschaft ist der britische BP-Konzern am Dienstag an die Öffentlichkeit gegangen. Eine Abdichtung des unterirdischen Lecks vor Ablauf dieses Zeitraums sei derzeit unrealistisch, weil die Quelle wahrscheinlich nur mit zusätzlichen Bohrungen verschlossen werden kann. An der Oberfläche muss dadurch wohl noch wochenlang gegen den Ölteppich gekämpft werden. Beim "großen Sterben" unter dem Meeresspiegel kann man vorerst nur zusehen.

BP hat am Dienstag mit einer Entlastungsbohrung an der Unfallstelle im Golf von Mexiko begonnen. Die Rettungsbemühungen kosten voraussichtlich sechs Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) pro Tag, teilte der Konzern, dessen Aktie sich derzeit auf Talfahrt befindet, mit. Die Entlastungsbohrung soll den Druck innerhalb der bestehenden Ölleitung und damit den Ölfluss reduzieren.

Durch ein neues Bohrloch könnte Öl dann abgepumpt werden. Auch das Einspritzen einer Art Spachtelmasse ist möglich, um die Quelle abzudichten. Allerdings ist diese Methode sehr zeitaufwendig. 

Parallel dazu gebe es "zügige Fortschritte" beim Bau der Abdeckhaube (re.), hieß es in der BP-Mitteilung. Diese 70 Tonnen schwere, quaderförmige Stahl-Abdeckung soll auf dem Meeresgrund über die Ölquelle gestülpt werden. Unter einem eigens erweiterten "Polution Containment Dome" ("Dome" wird derzeit häufig mit der Bezeichnung Kuppel übersetzt, bedeutet bei technischer Verwendung aber eher Haube oder Glocke) soll das Öl aufgefangen und dann abgepumpt werden. Die Verwendung einer solchen Einrichtung zum Abpumpen, die normalerweise beim Erschließen von Ölquellen zum Einsatz kommt, ist völlig unerprobt.

"Dome" ist gewagt, Entlastungsbohrung "zielführend"
Peter Seifert, Leiter der Geologischen Bundesanstalt in Wien und ehemaliger Manager von Erdölkonzernen wie der OMV, hält die "Dome"-Idee für "durchaus interessant, aber technisches Neuland und einfach nicht ausgereift". Derartige Glocken könnten zwar innerhalb von Wochen installiert werden. Dann gehe es aber darum, wirklich die Masse des aufsteigenden Öls aufzufischen. Es sei kaum zu erwarten, dass das Material in konzentrierten Strömen nach oben gelangt, vielmehr würden sich Öl und Wasser durch Meeresströmungen schon teilweise vermischen.

Die von BP offenbar angepeilte Zusatzbohrung hält Seifert für "sicher machbar und zielführend". Dabei wird das alte Bohrloch in einer Tiefe von einigen hundert Metern mittels einer Schrägbohrung angestochen. "Das alte Loch zu treffen, wird nicht leicht, aber es wird letztendlich gelingen", ist Seifert überzeugt. Anschließend erzeugen die Techniker über das neue Loch Gegendruck und bringen so das aussprudelnde Öl zum Versiegen.

Betonstöpsel und Co. "völlig illusorisch"
Eine bisher probierte Möglichkeit, das Bohrloch durch Tauchroboter zu verschließen, hält Seifert für unwahrscheinlich. Wenn das Rückschlagventil an der Basis der Leitung am Meeresgrund funktioniert hätte, wäre die ganze Katastrophe gar nicht passiert. Das Ventilsystem im Nachhinein gegen den gewaltigen Druck des Öls zu reaktivieren, sei praktisch unmöglich. Illusorisch sei es auch, irgendwelche Betonstöpsel oder Ähnliches über dem Bohrloch anbringen zu können, so der Geologe.

Tut man gar nichts, könne die durch die Katastrophe gekappte Leitung noch viele Jahre Rohöl ins Meer spucken. Wie lange, hängt vom Druck und damit von der Größe der Lagerstätte ab, so Seifert.

"Das Drama spielt sich unter der Wasseroberfläche ab"
Die Einsatzkräfte im Golf von Mexiko wollen indes wieder damit beginnen, Öl von der Wasseroberfläche abzuschöpfen. BP hofft auch, erneut Öl auf See abfackeln zu können. Hohe Wellen hatten beides in den vergangenen Tagen verhindert. Bis Dienstag früh (Ortszeit) gab es noch keine Hinweise, dass Ölklumpen in größerer Menge die nahe gelegene US-Küste erreichten.

Die Ölpest habe trotzdem allmählich Folgen wie ein schweres Tankerunglück, meinte der Meeresbiologe Christian Bussau von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. "Das wirkliche Drama spielt sich unter der Wasseroberfläche ab." Dabei seien vor allem Kleinlebewesen betroffen. Ihnen droht derzeit eine größere Belastung, weil der Ölteppich an der Oberfläche kleiner wird, weil Wind und Wellengang das Öl unter Wasser drücken. Am Montag bedeckte der Ölteppich eine Fläche von 5.200 Quadratkilometern, nach 8.800 Quadratkilometern in der vergangenen Woche.

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