"War unser Kämpfer"
IS-Miliz bekennt sich zum Axt-Anschlag von Bayern
Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat beansprucht das Axt-Attentat auf Zuginsassen am Montagabend in Bayern für sich. Der Angriff sei von einem ihrer "Kämpfer" ausgeführt worden, verkündete der IS am Dienstag über seine Agentur Amaq. Der Attentäter war ein erst 17-jähriger afghanischer Migrant, der bei seinem Fluchtversuch von der Polizei erschossen wurde. Es ist das erste Mal, dass der IS einen Anschlag in Deutschland für sich beansprucht. Beim Blutbad wurden fünf Menschen, vier davon schwer, verletzt. Laut Uniklinikum Würzburg schweben noch drei in Lebensgefahr.
Bereits nach dem Attentat fanden die Ermittler bei dem 17-jährigen Angreifer einen Hinweis auf den IS. Bei der Durchsuchung seines Zimmers seien "eine handgemalte IS-Flagge und ein Schriftstück" gefunden worden, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im ZDF-"Morgenmagazin". Letzteres deute darauf hin, "dass es sich um jemanden handeln könnte, der sich in letzter Zeit selbst radikalisiert hat". Nur wenige Tage nach dem Anschlag von Nizza scheint damit wieder ein radikalisierter Islamist wahllos zufällig anwesende Menschen angegriffen zu haben. Herrmann forderte mehr Polizeipräsenz, räumte aber ein, 100-prozentige Sicherheit könne es nicht geben.
IS: "Länder angreifen, die den IS bekämpfen"
"Der mit Hieb- und Stichwaffen angreifende Täter in Deutschland ist einer der Kämpfer des Islamischen Staates", vermeldete die IS-Amaq. "Er hat diese Operation als Antwort auf unsere Aufrufe ausgeführt, die Länder der Koalition anzugreifen, die den IS in Syrien und im Irak bekämpft". Zu der von den USA angeführten Militärkoalition gehören unter anderem Frankreich, Großbritannien und Italien. Auch Deutschland unterstützt die Allianz mit einer Fregatte und Aufklärungsflügen.
Attentäter rief "Allahu Akbar!"
Der 17-Jährige griff nach Herrmanns Worten Montagnacht mit einem Beil und einem Messer unvermittelt die Passagiere in einem Regionalzug zwischen Ochsenfurt und Heidingsfeld an. Ein Zeuge, der den ersten Notruf aus dem Zug abgesetzt habe, habe berichtet, der Täter habe "Allahu Akbar" (Gott ist groß) gerufen. Der Zug sei im Würzburger Vorort Heidingsfeld gestoppt worden. "Der Täter hat dort den Zug verlassen und ist dann durch den Ort unterwegs gewesen", sagte Herrmann. Bei seiner Flucht aus dem Zug habe er noch eine weitere Person verletzt.
Einsatzkommando zufällig in der Nähe
Das Sondereinsatzkommando der Polizei war nach Angaben Herrmanns zufällig wegen eines anderen Einsatzes in der Nähe, es habe den flüchtigen Jugendlichen ausfindig machen können und gestellt. Der Angreifer war geflohen, nachdem der Zug im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld zum Stehen gekommen war. In Heidingsfeld sei er dann auf Polizeibeamte losgegangen, die ihn erschossen hätten.
Vier Schwerverletzte - darunter chinesische Touristenfamilie
Vier Menschen seien schwer verletzt worden, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamtes in München. Dabei handle es sich um eine chinesische Touristenfamilie, die zufällig in dem Zug aus Richtung Treuchtlingen unterwegs war. Dies berichtete die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" am Dienstag unter Hinweis auf die Behörden in der asiatischen Wirtschaftsmetropole. Drei Opfer schweben nach Angaben des Uniklinikums Würzburg weiter in akuter Lebensgefahr.
Die vier Verletzten seien ein Vater (62) und die Mutter (58) einer Tochter (27) und deren Freund (31) gewesen. Der Vater und der Freund hätten versucht, die anderen Mitglieder in der Gruppe vor dem Angreifer zu schützen. Ein fünfter Mitreisender, der 17-jährige Sohn, sei unverletzt davon gekommen, berichtete das Blatt. Weitere Passagiere werden nach Polizeiangaben wegen Schocksymptomen behandelt.
"Asylwerber ging brutal auf andere Fahrgäste los"
Herrmann sprach im ARD-"Nachtmagazin" von einer "wirklich schrecklichen Tat, wie wir sie so in Bayern noch nicht erlebt haben". Herrmann weiter: "Der 17-jährige Asylbewerber aus Afghanistan ist brutal auf andere Fahrgäste in der Bahn losgegangen." Überall auf dem Boden und auf den Sitzen sei Blut zu sehen gewesen. Ein Augenzeuge berichtete gegenüber der "Bild": "Es sah aus wie in einem Schlachthof."
Täter als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland gekommen
Nach Informationen von Herrmann war der 17-Jährige als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Von März an habe er zunächst in einem Kolpingheim in Ochsenfurth gelebt, in den vergangenen zwei Wochen sei er in einer Pflegefamilie untergebracht gewesen. Die Ermittlungen richteten sich nun auf das Umfeld des Angreifers und auf die Frage, ob er in jüngster Zeit in irgendeiner Weise auffällig geworden sei, sagte Herrmann. Die Polizei sei nun intensiv dabei zu ermitteln, wer den jungen Flüchtling erlebt hat und Aussagen über ihn machen kann.
Direkte Verbindung zum IS bislang nicht belegt
Eine Radikalisierung des 17-Jährigen sei bisher jedenfalls nicht erkennbar gewesen, sagte der LKA-Sprecher. Auch die Meldung der IS-nahe Agentur Amak ist nicht unbedingt als Beleg für eine IS-Mitgliedschaft des Täters gelten. Zuletzt hatte die Agentur islamistisch motivierte Angriffe für den IS in Anspruch genommen, auch wenn direkte Kontakte zwischen Täter und Miliz nicht belegt werden konnten. Auch bei dem Attentäter in Nizza war dies der Fall. Wie das LKA erklärte auch Herrmann, über den jungen Mann habe es bei den Sicherheitsbehörden keine besonderen Erkenntnisse gegeben.
Ähnliche Tat im Mai im bayrischer S-Bahn
Der Fall erinnert an eine Messerattacke vor gut zwei Monaten in einer S- Bahn in Grafing nahe München, als ein Mann einen 56 Jahre alten Fahrgast getötet hatte. Drei weitere wurden teils lebensgefährlich verletzt. Der 27- jährige mutmaßliche Täter hatte nach seiner Festnahme wirre Angaben gemacht und war deswegen vorläufig in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden. Nach einer ersten Einschätzung war der Mann aus dem hessischen Grünberg bei Gießen schuldunfähig oder zumindest vermindert schuldfähig.
Bereits im März war es auch in Hannover zu einer offenbar islamistisch motivierten Messerattacke im Hauptbahnhof gekommen. Damals hatte eine in Deutschland aufgewachsene 15-Jährige auf einen Polizisten eingestochen, die in Kontakt zum IS stand. In Deutschland warnen Sicherheitsbehörden seit längerem vor radikalisierten Einzeltätern. Als eine der treibenden Kräfte dieser Entwicklung gilt der IS, der seine Anhänger in Europa dazu aufruft, als Vergeltung für die Luftwaffen-Einsätze gegen seine Kämpfer in Syrien und im Irak wahllos "Ungläubige" anzugreifen.
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