Anfang eines Sturms?
Krieg gegen Europa: Was uns so verwundbar macht
Paris ist nicht mehr das, was es vor den Anschlägen war, sagt "Krone"-Radakteurin Catherine Lankes, die von vor Ort berichtet. Spätestens jetzt sei allen Menschen in der Stadt klar geworden, dass der Terror jeden treffen kann. Überall. "Das ist ein Horror", war auch die erste Schockreaktion von Präsident Hollande gewesen. Er rief Staatstrauer aus und ließ als erste Sofortmaßnahme im ganzen Land den Ausnahmezustand verhängen - das hat es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht gegeben.
Konkret bedeutet das, dass die Polizei jederzeit sowohl den privaten als auch den öffentlichen Verkehr stoppen kann, dass sie Veranstaltungsorte schließen und ohne richterliche Anordnung Hausdurchsuchungen durchführen kann.
Mindestens einer der Terroristen kam Anfang Oktober als registrierter Flüchtling aus der Türkei nach Griechenland. Eine weitere Spur der Attentäter führt nach Belgien. Ein bei einem der Anschlagsorte gesichteter Mietwagen wurde bei einer Razzia in Brüssel entdeckt. Mehrere Personen wurden festgenommen. Auf dem Londoner Flughafen Gatwick wurde ein bewaffneter Franzose verhaftet. Mittlerweile sind 129 Todesopfer bestätigt.
Welt trauert mit Frankreich
Aus der ganzen Welt - von den USA bis China, von Russland bis Australien, von der UNO bis zum Vatikan - trafen Solidaritätsbotschaften in Frankreich ein. US-Präsident Obama sprach von einem "abscheulichen Versuch", unschuldige Menschen zu terrorisieren: "Es handelt sich nicht nur um Anschläge auf Paris oder das französische Volk, sondern auf die gesamte Menschheit." Amerika stehe bereit, jedwede Unterstützung zu leisten, die die Regierung und die Bevölkerung Frankreichs benötige. Für kommenden Montag wurde eine Trauerminute ausgerufen.
Hollande sprach schließlich von einer "Kriegserklärung", und er rief die Menschen auf, die Reihen zu schließen und kaltblütig zu bleiben: "Frankreich wird über die Barbarei triumphieren. Wir verteidigen nicht nur unser Vaterland, wir verteidigen unsere Werte und alle Menschen der freien Welt."
"Der Anfang eines Sturms"
Zu den Anschlägen hatte sich der sogenannte Islamische Staat bekannt - dieser blutige Überfall sei aber nur der "Anfang eines Sturms" gewesen. In einer Erklärung der Dschihadisten heißt es wörtlich, "acht Brüder mit Sprengstoffgürteln und Sturmgewehren" hätten am Freitagabend einen "gesegneten Angriff" auf das "Kreuzzug-Frankreich" verübt. Eine "treue Gruppe der Armee des Kalifats" habe die "Hauptstadt der Unzucht und Laster" angegriffen. Der Überfall sei nur der "erste Tropfen Regen und eine Warnung" gewesen.
Die Attentatsziele waren jedenfalls sehr bewusst gewählt: erstens das große Fußballstadion, in dem das Endspiel der kommenden Euro stattfinden soll und in dem gerade Staatspräsident Hollande und der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf der Ehrentribüne saßen. Zweitens jene Orte, für die Paris in der ganzen Welt bekannt ist und geliebt wird: die Bars und Restaurants im 10. und 11. Bezirk zwischen Bastille, Place de la Republique und dem Canal Saint-Martin. Sowie eine der angesehensten Konzerthallen der Stadt, das Bataclan, in dem gerade eine Rockband aus den USA auftrrat.
"Ideale Vorraussetzungen für Terror geschaffen"
"Der arabische Frühling, der Krieg in Syrien, die Welle von Flüchtlingen aus dem islamischen Raum und die Schwäche der europäischen Institutionen schaffen ideale Voraussetzungen für Taten islamistischer Fanatiker", schreibt nun die "Neue Zürcher Zeitung".
"Europa mit seinen offenen Gesellschaften, seinen porösen Grenzen, seiner zunehmend multiethnischen Bevölkerung, seiner immer noch mangelhaften Koordination in Sicherheitsfragen macht es Terroristen einfacher, sich einzunisten und hier ihre Untaten zu planen." Man müsse "leider davon ausgehen, dass sich unter den vielen Flüchtlingen, die gegenwärtig ankommen, auch vereinzelt potenzielle Terroristen befinden. Die Gefahr von Anschlägen dürfte in Europa insgesamt also eher zu- als abnehmen."
Und auch eine Lösung bietet das angesehene Schweizer Leitmedium: "Ohne ein Mehr der Methoden, die in den USA nach 9/11 entwickelt und umgesetzt worden sind, lässt sich deshalb die Sicherheit in Europa nicht verbessern. Es wird mehr Überwachung geben müssen, mehr Datenerfassung, mehr Staatstrojaner, mehr Verdächtigenlisten, mehr polizeiliche Kontrollen; die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Europa muss verbessert werden."
"Reaktive Maßnahmen" als einzige Lösung
Die Alternative wäre, dass man die Schreckensbilder aus Paris in regelmäßigen Abständen zu sehen bekommt, heißt es in der NZZ weiter. Europa müsse sich jedenfalls mit "reaktiven Maßnahmen" begnügen. Denn die Wurzeln des Terrors, einen "möglicherweise inhärent gewalttätigen Islam" bzw. einen "Mix von politischen und sozialen Problemen", der junge Menschen in die Arme von Islamisten treibt, könne der Westen lediglich eindämmen.
Video: Grausame Terrorserie in Frankreich
Video: Menschen fliehen durch den Bataclan-Notausgang
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