Reserven für Jahre
Libyens Gadafi sitzt trotz Sanktionen auf Milliarden
Laut dem Zeitungsbericht haben die USA und die Europäische Union bereits kurz nach der UN-Resolution 64 Milliarden Dollar an Investitionen oder auf Bankkonten eingefroren, danach sei aber in diese Richtung nicht mehr viel passiert. Einige Staaten würden sich offen der UN-Resolution wiedersetzen, andere halten sich hingegen nur sehr zögerlich daran. Da die Regierungen die Umsetzung von Kontosperren erst 120 Tage nach Inkrafttreten der Sanktionen melden müssten, würde aber frühestens Ende Juni abschätzbar sein, über welche Beträge der libysche Machthaber noch verfügen könne.
Geschickte Finanzpolitik von Gadafi
Jedoch selbst eine vollständige Einfrierung des im Ausland gebunkerten oder angelegten Gadafi-Vermögens würde das Regime nur sehr langfristig in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Der Machthaber hätte nämlich bereits vor Jahren damit begonnen, Investitionen rund um den Erdball so anzulegen, dass sie erstens schwer zu ihm nachverfolgbar und zweitens auch relativ rasch wieder verfügbar wären.
Nach dem Beginn des Aufstandes im Februar hätte Gadafi zudem innerhalb Libyens Geld und andere Reserven derart umgeschichtet, dass die Rebellen keinen Zugriff darauf hätten. Laut dem Internationalen Währungsfonds kann der Wüstenstaat zudem allein mit seinen Währungsreserven in der Höhe von 104,5 Milliarden Dollar die Importe von drei Jahren bezahlen.
Ungehinderter Zugriff auf Investitionen in Afrika
Zusätzlich würde Gadafi aber weiterhin auch noch Zugriff auf Investitionen in mehreren afrikanischen Staaten haben. Allein seit 2006 habe Libyen mindestens fünf Milliarden Dollar in Ölfirmen, Pipelines, Telekommunikationsunternehmen, Hotels und Immobilien auf dem Kontinent investiert. Die Regierung von Kenia etwa habe aber bisher noch keine Anstrengungen unternommen, die libyschen Investitionen zu sperren. Von Staaten wie Simbabwe, das von Gadafis Verbündetem Robert Mugabe regiert wird, sei eine solche Handlung ohnehin nicht zu erwarten.
Probleme bereiten aber laut dem Zeitungsbericht auch Staaten wie die Türkei, die zwar die NATO-Aktionen in Libyen unterstützt, dabei aber nicht vollkommen auf ihre wirtschaftlichen Interessen verzichten will. Rund 17 Milliarden Dollar hätten türkische Unternehmen im nordafrikanischen Land investiert, welches ebenfalls Beteiligungen am Bosporus hält. Russland, China und Indien wiederum hätten zwar einige libysche Konten und Investitionen gesperrt, würden sich aber weigern, das Einfrieren auszuweiten, weil dann auch Ölfirmen betroffen würden, von denen die drei Staaten profitieren.
NATO startet "Tötungsversuch" gegen Gadafi
Unterdessen gehen die Kämpfe um Libyens Hauptstadt weiter. Das Zentrum von Tripolis ist in der Nacht auf den Ostermontag erneut von schweren Explosionen erschüttert worden. Die NATO traf bei ihren Luftangriffen auch ein Gebäude der weitläufigen Residenz von Gadafi in der Hauptstadt. Das Bürogebäude in der Anlage wurde durch den Beschuss komplett, ein angrenzender Konferenzsaal teilweise zerstört. Eine Sprecherin der Regierung sagte, der Angriff am frühen Montagmorgen habe Gadafi selbst gegolten.
Den Angaben zufolge wurden bei dem Angriff 45 Menschen verletzt, 15 von ihnen schwer. Einige Personen würden noch vermisst. Der Beschuss sei ein "Tötungsversuch" gegen Gadafi gewesen, hieß es. Gadafi habe das zerstörte Gebäude unter anderem für Treffen mit seinen Ministern benutzt, sagte die Sprecherin weiter. Feuerwehrleute waren noch dabei die Flammen in Teilen des zerstörten Gebäudes zu löschen, als Journalisten von der libyschen Regierung zum Schauplatz gebracht wurden.
Schwere Angriffe auf Tripolis
Während der Nacht ereigneten sich die heftigsten Detonationen in Tripolis seit dem Beginn des internationalen Kampfeinsatzes in Libyen gegen das Gadafi-Regime in Unterstützung der Aufständischen. Die Explosionen waren über die Innenstadt von Tripolis hinaus in angrenzenden Stadtvierteln deutlich zu spüren. Wegen der Detonationen fielen die staatlichen libyschen Fernsehprogramme teilweise minutenlang aus.
Die NATO hatte Zivilisten zuvor aufgerufen, sich von den Truppen des Regimes, von militärischen Einrichtungen und Ausrüstung wenn möglich fernzuhalten, "damit wir mit größerem Erfolg und minimalem Risiko für die Zivilisten treffen können", wie der Vize-Kommandant des NATO-Einsatzes in Libyen, Russ Harding, am Sonntag in Brüssel sagte. Das war auch auf Drohnenangriffe gemünzt. Die USA setzten am Samstag die unbemannten Kampfflugzeuge erstmals in Libyen ein. Am Samstagnachmittag zerstörte eine US-Drohne nahe der libyschen Stadt Misrata Raketenwerfer. Die NATO werde weiterhin alles tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen, so Harding.
Seit Freitag fliegt die NATO verstärkt Luftangriffe auf die libysche Hauptstadt. Auch die rund 200 Kilometer östlich von Tripolis liegende Hafenstadt Misrata war am Wochenende weiter heftig umkämpft. Der Beschuss dort sei intensiver geworden, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Jazeera. Der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim sagte nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN, die Armee habe ihren Rückzug aus Misrata fortgesetzt. Dabei sei sie von Rebellen angegriffen worden und hätte sich zur Wehr gesetzt. Ein Bewohner der drittgrößten libyschen Stadt sagte, am Sonntag seien mindestens vier Menschen getötet worden.
Rebellenhochburg Misrata nur auf dem Seeweg erreichbar
Am Samstag hatte es zunächst geheißen, die Gadafi-Truppen hätten den Befehl erhalten, sich aus Misrata zurückzuziehen. Ein Kämpfer der Rebellen in der Stadt sagte einem der neuen libyschen Fernsehsender, ein verletzter Soldat, der ihnen in die Hände gefallen sei, habe erklärt, die Truppen hätten tatsächlich den Befehl zum Abzug bekommen. Dies allerdings nur, um bei einem geplanten Raketenbeschuss keine Opfer in den eigenen Reihen zu riskieren. Am Sonntag seien mehrere Grad-Raketen auf Misrata abgeschossen worden.
Misrata liegt 210 Kilometer östlich von Tripolis und ist derzeit nur auf dem Seeweg zu erreichen. Die Versorgungslage ist sehr schlecht. Tausende afrikanische Gastarbeiter, Dutzende verletzte Kämpfer und Zivilisten wurden per Schiff in Sicherheit gebracht.
Kuwait hat den Aufständischen in Libyen unterdessen umgerechnet 123 Millionen Euro gespendet. Dieses Geld werde dem Nationalen Übergangsrat der Rebellen helfen, einen Teil der Gehälter der Angestellten zu zahlen, sagte Übergangsrats-Chef Mustafa Abdel Jalil am Sonntag in Kuwait. Die Aufständischen benötigten dringend Unterstützung.
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