52% für Austritt

Die Brexit-Bombe: Briten verlassen die EU

Ausland
24.06.2016 11:25

In der hochdramatischen Brexit-Abstimmung am Donnerstag haben die Befürworter des Austritts Großbritanniens aus der EU überraschend die Mehrheit erreicht. Nach Auszählung aller 33,5 Millionen abgegebenen Stimmen liegen die Brexit-Vertreter mit rund 1,3 Millionen Stimmen voran. Insgesamt haben 51,9 Prozent für einen EU-Austritt gestimmt, die Wahlbeteiligung lag bei 72 Prozent. Großbritannien ist somit das erste Land, das die EU verlässt. Während die Brexit-Befürworter jubeln, ist Brüssel angesichts der historischen Entscheidung geschockt. Der britische Premier David Cameron hat für Oktober seinen Rücktritt angekündigt.

Der EU-Parlamentarier und Chef der Unabhängigkeitspartei UKIP, Nigel Farage, sprach in einer ersten Reaktion von einem "Sieg für wirkliche Menschen, für normale Menschen, für anständige Menschen". Man könne nun davon träumen, dass "die Morgendämmerung für ein unabhängiges Großbritannien angebrochen ist. Das ist ein Sieg für das Volk. Wir haben gegen die Multi-Nationalen gekämpft. Wir haben gegen Lügen und Täuschungen gekämpft." Farage forderte am Freitagvormittag vor dem Parlament eine "Brexit-Regierung". "Wir haben eine scheiternde politische Union zurückgelassen", so Farage.

Entsetzt zeigten sich dagegen die britischen Sozialdemokraten. "Es ist ein schrecklicher Tag für Großbritannien und ein schrecklicher Tag für Europa", so Keith Vaz von der Labour-Partei.

Der frühere UKIP-Chef Nigel Farage hatte 2016 angesichts des erfolgreichen Brexit-Votums Grund zum Jubeln. (Bild: AP)
Der frühere UKIP-Chef Nigel Farage hatte 2016 angesichts des erfolgreichen Brexit-Votums Grund zum Jubeln.

Schock bei EU-Spitzenpolitikern
In der EU überwiegt der Schock. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: "Die Nachrichten aus Großbritannien sind wahrlich ernüchternd. Es sieht nach einem traurigen Tag für Europa und für Großbritannien aus." Der SPD-Politiker wird am Freitag zu einem EU-Ministertreffen in Luxemburg erwartet, bei dem über die Folgen des Referendums beraten werden soll. Am Samstag kommen in Berlin die Außenminister der sechs EU-Gründerstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Länder) zusammen.

(Bild: APA/BBC)

Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault sagte, der Ausgang des Referendums sei "traurig für Großbritannien". Europa werde weitermachen, aber es müsse reagieren, um das Vertrauen der Menschen wiederzugewinnen. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz zeigte sich in einer ersten Reaktion in London schockiert und überrascht. Wenn eines der größten Mitgliedsländer aus der EU austrete, könne "kein Stein auf dem anderen bleiben". Die Abstimmung der Briten sei "definitiv ein Erdbeben", die EU werde aber "überleben", so Kurz.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz rechnet mit einem schnellen Start der Austrittsverhandlungen mit Großbritannien. "Wir haben uns auf einen Brexit vorbereitet", sagte Schulz. Er glaube nicht, dass es nun zu einer Kettenreaktion komme. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, wertete den Ausgang des Brexit-Referendums als "Warnschuss" für die 27 anderen EU-Mitgliedsländer.

"Ohrfeige für das Projekt Europa"
Der belgische Regierungschef Charles Michel forderte einen Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs im Juli. Das Abstimmungsergebnis sei eine "Ohrfeige für das Projekt Europa", sagte Michel. "Ich fordere ein Konklave, um unser Engagement zu bekräftigen. Wir müssen unsere Prioritäten definieren und eine neue Zukunft für Europa darlegen." Michel warnte gleichzeitig, nicht in "Panik" zu verfallen: "Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren", sagte er.

EU-Ratspräsident Donald Tusk versicherte den Willen der anderen EU-Staaten zur Geschlossenheit: "Wir sind entschlossen, unsere Einheit der 27 zu erhalten", sagte Tusk. Es sei "ein ernster, wenn nicht dramatischer Moment, politisch betrachtet". Er fühle sich aber an seinen Vater erinnert, der ihm immer gesagt habe: "Was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker", so Tusk.

Deutschlands Finanzminister Schäuble (Bild: APA/AFP/JOHN MACDOUGALL)
Deutschlands Finanzminister Schäuble

Schäuble bedauert Entscheidung der Briten
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble bedauerte die Entscheidung der Briten. "Ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht", sagte er. "Europa wird jetzt zusammenstehen", versicherte der CDU-Politiker. "Gemeinsam müssen wir das Beste aus der Entscheidung unserer britischen Freunde machen." Jetzt müsse man nach vorne schauen und mit der Situation umgehen. Das Verfahren zu einem EU-Austritt sei eindeutig geregelt und müsse nun angewendet werden.

Sturgeon: Schottland will in EU bleiben
Schottland will nach Ansicht seiner führenden Politiker in der EU bleiben. Das Ergebnis bei der Brexit-Abstimmung mache "klar, dass das Volk Schottlands seine Zukunft als Teil der Europäischen Union sieht", sagte Regierungschefin Nicola Sturgeon am Freitag. Im Gegensatz zum britischen Gesamtergebnis hatten sich die schottischen Wähler in allen Wahlkreisen mehrheitlich für einen Verbleib ausgesprochen. Der frühere schottische Regierungschef Alex Salmond will sich mit einem Brexit ebenfalls nicht abfinden. Er möchte, dass Schottland in der EU bleibt, sagte er gegenüber der belgischen Zeitung "Le Soir".

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon (Bild: APA/AFP/ROBERT PERRY)
Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon

Brexit für Trump eine "großartige Sache"
Der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump bezeichnete den Brexit als "großartige Sache". Der Immobilienmogul hält sich derzeit in Schottland auf, um an der Einweihung seines Golfplatzes teilzunehmen. Trump freute sich, dass die Briten die "Kontrolle über ihr Land zurückbekommen" hätten, berichtete die Zeitung "Guardian". Auch die erzkonservative US-Politikerin Sarah Palin begrüßte das Votum Großbritanniens. "Froh, dass der Brexit sich durchgesetzt hat!", schrieb Palin am Freitag auf Facebook.

Pfund massiv abgestürzt
Das britische Pfund fiel wegen des Brexits unter 1,35 Dollar - den tiefsten Stand seit 30 Jahren. Der Euro rutschte Richtung 1,10 Dollar ab. Die Börse in Sydney reagierte umgehend und brach um mehr als drei Prozent ein, auch an der Börse in Hongkong riss der drohende Brexit die Kurse ins Minus. Der Brexit-Schock dürfte auf den Finanzmärkten generell für einen "Black Friday" sorgen.

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