Berlin mahnt Ungarn:
“Migranten nicht tatenlos durchreisen lassen”
Das eigentliche Problem sei, dass die Bedingungen für Flüchtlinge in manchen EU-Staaten so schlimm sind, dass die Migranten alles versuchen, um von dort wegzukommen, erklärte Özoguz in der Freitagausgabe der "Nordwest-Zeitung". Die geltende Dublin-Verordnung besagt, dass Flüchtlinge dort ihr Asylverfahren durchlaufen, wo sie zuerst europäischen Boden betreten. Ungarns Premier Viktor Orban hatte darauf hingewiesen, dass der Großteil der in seinem Land ankommenden Flüchtlinge weiter nach Deutschland will, und von einem "deutschen Problem" gesprochen.
Situation in Bicske weiterhin angespannt
Die Situation in der ungarischen Kleinstadt Bicske, wo seit Donnerstagnachmittag rund 500 Flüchtlinge in Zügen und zum Teil bereits im Auffanglager der Stadt festsitzen, ist weiterhin sehr angespannt. Jene Waggons, in denen nach wie vor Menschen für ihre Weiterreise nach Österreich und Deutschland protestieren, werden von der Polizei weitgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Güterwaggons wurden ebenfalls auf den anderen Gleisen geparkt, damit die Flüchtlinge nicht in weiterhin verkehrende Regionalzüge steigen können. Nach wie vor ist unklar, wie viele Personen sich tatsächlich am Bahnhof von Bicske bzw. im Auffanglager befinden.
Flüchtlinge verweigern Essen und Trinken
Viele von ihnen verweigern jedenfalls derzeit aus Protest Essen und Trinken. Indes kritisierten Mitarbeiter der Hilfsorganisation Migration Aid: Wer den Stopp des Zuges in Bicske angeordnet habe, der habe nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch die freiwilligen Helfer "betrogen". Mehrere Politiker der Wiener Grünen befinden sich ebenfalls vor Ort und twittern Bilder und Videos über die Zustände in der Kleinstadt.
Wieder Direktzüge bis zur österreichischen Grenze
Mittlerweile verkehren wieder Direktzüge von Budapest bis zur österreichischen Grenze. Freitagfrüh fuhr erstmals wieder ein Reisezug planmäßig nach Hegyeshalom. Reisende brauchten für die Fahrt jedoch eine Reservierung. Flüchtlinge sollen sich diesmal nicht in den Zug gedrängt haben.
EU-Außenminister beraten über Flüchtlingssituation
Am Freitag kommen in Luxemburg die EU-Außenminister zusammen, um über die dramatische Situation der Flüchtlinge zu beraten. Schwerpunkt der zweitägigen Gespräche soll die Situation in den Herkunfts- und Transitstaaten sein. Deutschland und Frankreich starteten kurz vor dem Treffen eine gemeinsame Initiative für verbindliche Aufnahmequoten in der EU. Die EU streitet seit Monaten über dieses Thema. Bisher war selbst eine freiwillige Verteilungsquote, wie sie im Mai von der Union beschlossen worden war, am Widerstand vor allem osteuropäischer Länder gescheitert.
EU-Ratspräsident Donald Tusk sprach sich am Donnerstag dafür aus, deutlich mehr Flüchtlinge umzuverteilen als bisher vorgesehen. "Was wir brauchen, ist eine faire Verteilung von mindestens 100.000 Flüchtlingen unter den Mitgliedsstaaten", sagte der Pole. Gleichzeitig müsse Europa aber mehr tun, um seine Grenzen zu sichern, ergänzte Tusk. Nach Angaben aus EU-Kreisen vom Donnerstag will Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Mitgliedsstaaten vorschlagen, sogar 120.000 Flüchtlinge umzuverteilen.
UNO: EU soll 200.000 Flüchtlinge auf Mitglieder aufteilen
Von den Vereinten Nationen wurde eine noch viel höhere Zahl genannt. Am Freitag forderte UNO-Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres die EU auf, bis zu 200.000 Flüchtlinge auf die Mitgliedsstaaten aufzuteilen. Menschen, die einen anerkannten Schutzanspruch haben, müssten von einem Massenverteilungsprogramm profitieren, an dem sich alle EU-Staaten verpflichtend beteiligen", erklärte Guterres.
Geht es nach den europäischen Grünen, soll die UNO nun auch konkret zur Tat schreiten. "Wo bleibt die UNO, wo bleiben internationale Hilfsorganisationen?", fragte die Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, bei einem Besuch des Bahnhofs in Bicske am Freitag und rief die UNO gleichzeitig zu einem Eingreifen in Budapest auf. Hilfsorganisationen wie etwa das Rote Kreuz seien demnach am dortigen Ostbahnhof bisher nicht präsent.
EU-Grüne begrüßt geplanten Autokonvoi für Flüchtlinge
Den von österreichischen Aktivisten geplanten Autokonvoi, der Flüchtlinge von Ungarn über die Straße nach Österreich bzw. weiter nach Deutschland bringen soll, bezeichnete Harms als "eine sehr gute Idee": "Wenn all die europäischen Regierungen nicht imstande sind zu helfen, muss es die Zivilgesellschaft sein, die eingreift."
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