"Faschisten, Mörder"

Musikfans attackiert: Wütender Protest in Istanbul

Ausland
19.06.2016 15:37

Die türkische Polizei ist am Samstag in Istanbul massiv mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Hunderte regierungskritische Demonstranten vorgegangen. Während der stundenlangen Proteste gegen die regierende AKP-Partei riefen die Demo-Teilnehmer "Faschisten" und "Mörder". Mehrere Menschen wurden festgenommen. Auslöser war ein Angriff auf Fans der Rockgruppe Radiohead am Vorabend.

Dabei hatten mehrere Männer ein Musikgeschäft in der Nähe des Taksim-Platzes gestürmt, in dem junge Menschen das neue Album der Band gehört hatten. Während der Veranstaltung im für Muslime heiligen Fastenmonat Ramadan sei Alkohol getrunken worden, hieß es zur Begründung des Angriffs.

Dieses Video zeigt den Angriff:

Protestierende bringen sich vor Tränengasgranaten in Sicherheit (Bild: APA/AFP/OZAN KOSE)
Protestierende bringen sich vor Tränengasgranaten in Sicherheit
Auch unbeteiligte Lokalgäste wurden nicht verschont und atmeten Tränengas ein. (Bild: APA/AFP/OZAN KOSE)
Auch unbeteiligte Lokalgäste wurden nicht verschont und atmeten Tränengas ein.
Regierungskritiker zeigen, was sie vom Vorgehen der Polizei halten. (Bild: APA/AFP/OZAN KOSE)
Regierungskritiker zeigen, was sie vom Vorgehen der Polizei halten.

Radiohead verurteilte den Angriff auf den Plattenladen. Es sei ein Akt "gewalttätiger Intoleranz", so die britische Rockband am Samstag im Magazin "Rolling Stone". Die Musiker sprachen ihren Fans nach dem Vorfall ihr Mitgefühl aus: "Wir schicken unseren Fans in Istanbul unsere Liebe und Unterstützung", hieß es in einer Mitteilung. Die Band hoffe, dass solche Angriffe bald der fernen Vergangenheit angehören.

Sänger Thom Yorke verurteilt die "gewalttätige Intoleranz" gegen Fans seiner Band Radiohead. (Bild: APA/AFP/PATRICK KOVARIK)
Sänger Thom Yorke verurteilt die "gewalttätige Intoleranz" gegen Fans seiner Band Radiohead.

Regenbogenparade wegen Sicherheitslage untersagt
Unter Hinweis auf die Sicherheitslage haben die Behörden unterdessen eine bis zum Monatsende geplante Gay-Pride-Parade untersagt. Islamisten und Rechtsextreme hatten gedroht, die Parade zu verhindern. Vergangenes Jahr war eine ähnliche Kundgebung von der Polizei aufgelöst worden. Die Veranstalter kündigten rechtliche Schritte an und kritisierten, das Verbot verstoße gegen die Verfassung.

Erdogan will Gezi-Bauprojekt wiederbeleben
Für Spannungen dürfte auch die Ankündigung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sorgen, den Istanbuler Gezi-Park doch noch bebauen zu lassen. "Wir werden dort dieses historische Werk errichten", sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag bei einer Rede in Istanbul. Das erfordere "Mut". Erdogan bezieht sich damit auf Pläne von vor drei Jahren, auf dem Parkgelände neben dem zentralen Taksim-Platz den Nachbau einer osmanischen Kaserne mit einem Einkaufszentrum zu errichten.

Demonstrationsverbot auf Taksim-Platz
Im Juni 2013 hatten sich landesweite Proteste an dem Projekt entzündet. Die Demonstrationen richteten sich schnell gegen den autoritären Regierungsstil Erdogans, der damals noch Ministerpräsident war. Die türkische Polizei schlug den Protest brutal nieder, mindestens sieben Menschen kamen ums Leben. Erdogan ist seit Sommer 2014 Staatspräsident. Auf dem zentralen Taksim-Platz wurden seit den Gezi-Protesten keine Demonstrationen mehr erlaubt.

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