Giftunfall in Ungarn

Neuer Dammbruch laut Staatssekretär “unausweichlich”

Ausland
10.10.2010 16:52
Das ungarische Umweltministerium ist sich mittlerweile sicher, dass der Damm eines weiteren Abfallbeckens unausweichlich brechen und damit eine weitere giftige Schlammwelle den Ort Kolontar treffen wird. Umweltstaatssekretär Zoltan Illes sagte am Sonntag, kürzlich festgestellte Risse in der Nordwand des Reservoirs der Aluminiumfabrik hätten nur vorübergehend aufgehört, sich zu vergrößern. Die Risse würden sich aber unaufhaltsam erweitern.

Illes sagte weiter, dass die daraus folgende neuerliche Welle das Dorf Kolontar rund einen Kilometer nördlich des Beckens erneut überfluten werde. Die Brühe solle dann aber kurz vor der nächsten Ortschaft haltmachen.

Auch am sechsten Tag nach der Katastrophe gibt es damit keine Entwarnung für die betroffenen Gebiete. Kolontar, das der Giftschlamm am Montag überschwemmt hatte, war bereits am Samstag vollständig geräumt worden. Die über 700 Bewohner wurden in Sicherheit gebracht. Einsatzkräfte hatten zugleich damit begonnen, in dem Ort einen Damm zu errichten. Mit einer einer Dicke von 20 Metern und einer Länge von 400 Metern soll das Bauwerk die erwartete zweite Flutwelle, die wie die vorherige Schlammlawine die Giftstoffe Arsen und Quecksilber enthält, zumindest bremsen.

Auch benachbartes Becken könnte bersten
Auch die Dämme eines benachbarten Auffangbeckens drohen angeblich einzustürzen, berichtete ein Sprecher von Greenpeace. Menge und Inhalt des Reservoirs seien derzeit unbekannt. Von Entspannung könne keine Rede sein: "Die Lage scheint sich wieder zuzuspitzen", hieß es bei Greenpeace.

Schwere Vorwürfe erhob der WWF: Der Damm des brüchigen Auffangbeckens sei schon seit Monaten undicht gewesen. Ein Foto vom Juni 2010 belege, dass bereits damals Rotschlamm ausgetreten sei. Auf dem Bild vom Juni sei "klar ersichtlich, dass der Schlamm bereits herausfloss und Teile des Dammes des zehnten Beckens beschädigt sind", betonte Andreas Beckmann, Direktor des WWF-Donauprogramms. Letztlich sei die Mauer zwar an einer anderen Stelle gebrochen, aber das Foto sei "ein klarer Beweis, dass das Becken einer dringenden Inspektion bedurfte".

Trockenes Wetter bereitet Sorge
Sorgen bereitet den Experten das angekündigte trockene Wetter. Denn sobald der giftige Rotschlamm sich in Staub verwandelt, wird er von den Menschen nicht nur eingeatmet, er kann vom Wind auch über viele Kilometer verfrachtet werden. Selbst für das rund 70 Kilometer entfernte Österreich könnte dieser Umstand zum Problem werden. 

Premierminister Viktor Orban und Verteidigungsminister Csaba Hende waren am Samstag nach Kolontar gekommen. Besonders der Premier fand scharfe Worte: Laut der Nachrichtenagentur Reuters sagte er, dass der Austritt des Giftschlamms verhindert hätte werden können und versprach "härtestmögliche Konsequenzen". Hende kündigte an, falls notwendig das gesamte Armeepersonal abzustellen. Er fügte jedoch hinzu, dass bis dato noch kein Ansuchen um eine Aufstockung eingelangt sei. Am Samstag befanden sich rund 320 Soldaten im Krisengebiet.

Eine Million Kubikmeter Giftbrühe ausgelaufen
Am Montag war ein Damm eines Auffangbeckens für giftigen Bauxitschlamm geborsten, fast eine Million Kubikmeter der giften Brühe waren ausgelaufen und hatten Kolontar und andere benachbarte Dörfer überschwemmt. Der natronlaugenhaltige Schlamm ist ein Abfallprodukt bei der Gewinnung von Reinbauxit, aus dem wiederum Aluminium gewonnen wird. Sieben Menschen starben, 150 wurden verletzt. Insgesamt wurden rund 40 Quadratkilometer Land von dem Giftschlamm verwüstet. Zudem floss der rote Schlamm über Wasserläufe in die Donau, in der er sich in der Folge jedoch weitgehend verdünnte. Das Unglück gilt als schlimmste Umweltkatastrophe in der Geschichte Ungarns.

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