Wegen Euro-Krise
Obama macht Wahlkampf gegen Deutschland
Eigentlich hatte Obama gerade das "pazifische Zeitalter" ausgerufen - doch plötzlich kümmert er sich auffallend intensiv um Europa. Beim G-8-Gipfel in Camp David stellte er Frankreichs neuen Präsidenten Francois Hollande und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beim obligatorischen Familienfoto demonstrativ rechts und links neben sich - als ob er zwischen beiden vermitteln müsse. Denn Hollande teilt seine Haltung, Wachstum in den westlichen Industriestaaten notfalls mit staatlichen Programmen anzuschieben - anders als Merkel. Nach dem Treffen lobte er, dass sich die Europäer nun endlich auf eine Wachstumsstrategie einließen.
Euro-Krise als Dauerthema
Weil die Sorgen aber weiter wachsen, lud er Merkel, Hollande und den italienischen Premier Mario Monti vergangene Woche zu einer Videokonferenz ein. Offiziell ging es um Syrien - doch tatsächlich redete das Quartett fast nur über die Euro-Krise. Am vergangenen Freitag machte dann die stellvertretende US-Finanzministerin ihrem Kollegen Wolfgang Schäuble ihre Aufwartung.
Vor allem Deutschland bekomme den Druck Washingtons zu spüren, räumt man in Regierungskreisen in Berlin ein. Denn Obama gehört ins Lager derjenigen Euro-Staaten, die den harten Konsolidierungskurs wieder verlassen möchten. Sie sind überzeugt, dass die Krise mit mehr Geld zu lösen ist. Und seit der Wahl Hollandes verspürt dieses Lager Auftrieb. Im Einklang mit anglo-amerikanischen Medien und Investoren verlangt die US-Regierung immer wieder, dass Deutschland den Weg für eine unbegrenzte Haftung für die Schulden in der Euro-Zone frei macht. Längst wird in US-Medien das Image Merkels als egoistische, störrische Staatenlenkerin gezeichnet, die den Weg zu der angeblichen Lösung der Schuldenkrise blockiere.
Doch Obama muss bisher die Erfahrung machen, dass sein Arm in Europa mit Hollandes Wahl nicht viel länger geworden ist. An einen wachsenden Einfluss glaubt auch die US-Expertin beim German Marshall Funds, Constanze Stelzenmüller, nicht. "Es geht auch um etwas anderes: Der Grund für die Aufmerksamkeit ist eher die plötzliche Erkenntnis in Washington, wie sehr man wirtschaftlich, politisch und sicherheitspolitisch mit der EU verbunden ist." Als Beispiel nennt sie, dass nun auch die Supermacht ihren Verteidigungsetat kürzen müsse und merke, dass man aufeinander angewiesen sei. Alles was in Europa passiert, hat einen Einfluss auf die USA - und umgekehrt.
Merkel gibt sich unbeeindruckt
Trotz des Drucks aus Washington gibt sich die deutsche Regierung standhaft. Sowohl in Camp David als auch in der Videoschaltung beharrte Merkel darauf, dass sich an der Sachlage nichts geändert habe. Erstens agiere die Europäische Zentralbank nicht wie die US-Notenbank, die beliebig Geld drucken könne. Zweitens solle sie dies auch nicht. Die Flut billigen Geldes sei eine Ursache der Finanz- und der folgenden Wirtschaftskrise gewesen, aber sicher nicht die Lösung. Auch eine Wachstumsstrategie sei sicher gut und richtig - aber eben nur, wenn sie nicht mit noch mehr Schulden bezahlt werde.
Im Übrigen wird die US-Regierung nicht nur von Deutschland daran erinnert, dass sie nicht zum glaubwürdigen Mahner taugt, weil Washington - anders als die Schwellenländer und Europäer - eine Aufstockung der Mittel des Internationalen Währungsfonds für Notfälle verweigert hat. Merkel holt sich deshalb lieber Rückendeckung in der Koalition und bei den nördlichen und östlichen EU-Partnern. Ohnehin teilen Experten nicht die Ansicht, dass es ein natürliches Bündnis Obama-Hollande gibt. "Es gibt zwar eine Übereinstimmung bei Wachstumsförderung, aber weil Hollande auch protektionistische Ansichten nachgesagt werden, ist die Frage, wie er eigentlich Wachstum schaffen will", sagt etwa Dan Hamilton, Direktor des Centers for Transatlatic Relations an der John-Hopkins-University.
Harmonischer wird die amerikanisch-deutsche Diskussion über Auswege aus der Schuldenkrise aber wohl nicht. Zwar machten die Europäer beim G-8-Treffen bei Obama nach eigenen Angaben durchaus Eindruck, als sie ihm erklärten, dass die Solidarität etwa für Griechenland mit den Hilfspaketen ein solches milliardenschweres Ausmaß angenommen habe, dass die gefeierten amerikanischen Marshall-Pläne nach dem Krieg dagegen lächerlich wirken.
Obama innenpolitisch unter Druck
Dass Obama sein Verhalten im US-Wahlkampf aber verändern wird und er der Verlockung widersteht, Deutschland zum Sündenbock für die anhaltende Krise auch in den USA zu machen, glaubt niemand in der deutschen Regierung. Dazu stehe der Präsident innenpolitisch zu sehr unter Druck. Schon im vergangenen Jahr habe Obama im Streit über den deutschen Exportüberschuss durchaus verstanden, dass das Sozialsystem hierzulande mit seinen massiven Finanztransfers die deutsche Binnennachfrage in einem in den USA unbekannten Maße stabilisiert - trotzdem habe er Deutschland nach jedem Treffen mit der Kanzlerin prompt wieder kritisiert.
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