"Gerechtigkeit"
Obama verkündet: Terrorpate Bin Laden getötet
Bin Laden sei in der Nacht bei einer gemeinsamen Operation amerikanischer der amerikanischen Eliteeinheit Navy Seals und pakistanischer Sicherheitskräfte in der Stadt Abbottabad, rund 100 Kilometer nördlich von Islamabad, getötet worden, heißt es. Der Einsatz sei von den US-Kräften geführt worden, pakistanische Einheiten hätten die Aktion unterstützt, so ein pakistanischer Geheimdienstmitarbeiter, der anonym bleiben wollte.
Obama lobte in seiner kurzfristig angesetzten Fernsehansprache ausdrücklich den Beitrag des pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari. Der US-Präsident bezeichnete es als "bedeutsam", dass sich Pakistan weiterhin am Kampf gegen den Terrorismus beteilige. Stimmen aus der CIA in US-Medien hielten allerdings dagegen, die pakistanischen Sicherheitskräfte seien an dem Einsatz nur marginal bzw. gar nicht beteiligt gewesen.
Kopfschuss bei heftigem Feuergefecht
Die Operation begann laut offiziellen Angaben kurz nach Mitternacht (Ortszeit) in der Nacht auf Montag. Augenzeugen in Abbottabad, einer Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern im Vorgebirge des Himalayas, berichteten, dass mindestens drei Hubschrauber an der Aktion beteiligt gewesen seien. Es habe heftige Schusswechsel gegeben. Einer der Hubschrauber habe beim Landeversuch Feuer gefangen und sei abgestürzt. Pakistanische Soldaten hätten das Gebiet dann abgeriegelt.
Wie CNN unter Berufung auf Kongressmitglieder in Washington berichtete, sei Bin Laden durch einen Kopfschuss gestorben. Auch ein Sohn Bin Ladens und drei seiner Wachleute seien ums Leben gekommen, sagte der Chef des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Ahmed Shuja Pasha, im Fernsehen. Drei Ehefrauen des Top-Terroristen, sechs weitere Bin-Laden-Söhne sowie vier enge Mitstreiter wurden den Angaben zufolge festgenommen. Namen wurden zunächst nicht bekannt.
Leiche angeblich schon bestattet
Die eindeutige Verifizierung der Angaben Obamas gestaltet sich jedoch schwierig: Anfangs hieß es, Bin Ladens Leiche befinde sich in US-Gewahrsam. Der TV-Sender CNN sowie mehrere renommierte US-Medien berichteten dann jedoch, dass die Leiche nach einem positiven biometrischen Vergleich sowie der Entnahme von DNA-Proben im Meer beigesetzt worden sei. Dies sei im Einklang mit den muslimischen Traditionen passiert und um Vorwürfe aus islamischen Ländern zu vermeiden. Das Verteidigungsministerium hatte zuvor bloß erklärt, es werde sichergestellt, dass der Umgang mit der Leiche "im Einklang mit islamischen Praktiken" stehe. Das sei "etwas, dass wir sehr ernst nehmen, und deshalb wird das in einer angemessenen Weise gehandhabt", so ein Armeesprecher.
Zudem sorgte das pakistanische Fernsehen für Aufregung, indem es angebliche Bilder der Leiche Bin Ladens ausstrahlte, die sich jedoch im Nachhinein als Fotomontage herausgestellt haben. Vonseiten der US-Armee hieß es, das DNA-Gutachten zu den Leichenproben sei in Auftrag gegeben und werde einige Tage dauern. Auch existierten laut CNN echte Fotos der Leiche, das Weiße Haus habe aber noch nicht entschieden, ob sie veröffentlicht werden.
Bin Laden vor "geraumer Zeit" in Pakistan aufgespürt
Bin Laden sei schon vor geraumer Zeit in Pakistan aufgespürt worden, berichtete der US-Präsident in seiner Ansprache. Schon im August sei er von einer "Spur" zu Bin Laden unterrichtet worden. Nachdem sich die Hinweise auf den Aufenthaltsort des Terrorführers verdichtet hätten, habe er vergangene Woche die US-Sicherheitskräfte beauftragt, Bin Laden in einer Kommando-Aktion "der Gerechtigkeit zuzuführen". Bei der Aktion seien keine US-Amerikaner zu Schaden gekommen und man habe danach getrachtet, zivile Opfer zu vermeiden, so der Präsident.
Der letzte Aufenthaltsort Bin Ladens sorgt für allgemeine Verwunderung, lebte der Terrorpate demnach doch mitten in der Zivilisation. Abbottabad befindet sich nicht einmal eine Autostunde von Islamabad entfernt, unter anderem sind dort zahlreiche Einheiten der pakistanischen Armee stationiert, es gibt sämtliche zivile Infrastruktureinrichtungen von Spitälern über Hochschulen bis Behörden. Einige Kommentatoren in US-Medien, die mitunter auch Zweifel an der tatsächlichen Unterstützung Pakistans bei der Operation äußerten, spekulierten, dass Bin Laden in seinem Versteck möglicherweise behördliche Deckung erhalten habe.
"Wir werden zu Hause und im Ausland wachsam bleiben"
Mehr als zwei Jahrzehnte lang habe Bin Laden "Angriffe gegen unser Land und unsere Freunde und Verbündeten" geplant, sagt Obama, der es in seiner Rede geschickt vermied, seinen Erfolg zu preisen, sondern die Tötung Bin Ladens als Trost für die Hinterbliebenen der Anschläge vom 11. September 2001 darstellte und an die Zeit nach dem Attentat erinnerte, in der Amerika zusammengehalten habe.
"Der Tod Bin Ladens markiert die bedeutendste Errungenschaft in den Bemühungen unserer Nation, Al-Kaida zu besiegen. Sein Tod markiert aber nicht das Ende unserer Bemühungen", so Obama. Der Präsident warnte, dass Al-Kaida weitere Angriffe vorbereiten werde, daran gebe es "keinen Zweifel". "Wir müssen und wir werden zu Hause und im Ausland wachsam bleiben." Obama betonte, dass die Tötung Bin Ladens nicht gegen den Islam gerichtet sei. "Die USA werden nie in einen Krieg mit dem Islam treten. Bin Laden war kein Islamistenführer, er war ein Massenmörder."
Anhänger radikal-islamischer Gruppen bekräftigten umgehend nach Obamas Rede ihren Kampfeswillen. In arabisch-sprachigen Internetforen beteuerten sie am Montag ihre Entschlossenheit, vor allem die USA und deren Präsidenten Obama in ihrem Visier zu behalten. "Gott verfluche dich, Obama", hieß es in einer der ersten Reaktionen aus islamistischen Terrorgruppen.
Die USA habe ihre diplomatischen Vertretungen in aller Welt in Alarmbereitschaft versetzt. Grund ist die Befürchtung, dass Terroristen Vergeltungsanschläge verüben könnten. Die Botschaft in Pakistan wurde bereits am Freitag auf eine Minimalbesetzung reduziert, den Mitarbeitern erzählte man, es gebe Hinweise auf Entführungspläne. Das Außenministerium warnte in einer Erklärung US-Bürger vor einer verstärkten Gefahr anti-amerikanischer Gewalt. In Gegenden, wo dieses Risiko bestehe, sollten US-Amerikaner nach Möglichkeit in ihren Häusern oder Hotels bleiben und Menschenmassen und Demonstrationen vermeiden.
Hunderte versammelten sich spontan vor Weißem Haus
Die schon zuvor vom Fernsehsender CNN und anderen US-Medien unter Berufung auf anonyme Regierungsquellen verbreitete Nachricht über den Inhalt von Obamas "Rede an die Nation" löste spontane Freudenfeiern in den USA aus. Als der Präsident vor die Kameras trat, hatten sich schon einige hundert Menschen vor dem Weißen Haus versammelt, wo sie US-Fahnen schwenkten und den Tod des Terrorpaten bejubelten. "Das ist der schönste Tag in der US-Geschichte", zitierte CNN einen Bürger. "Wir haben ihn, wir haben ihn", jubelten die Menschen. "Am Ende gibt es doch Gerechtigkeit."
Die USA im "Siegestaumel" - ausführlicher Bericht siehe Infobox!
Autoschlangen verstopften noch während Obamas Ansprache die Zufahrtswege in die Metropole Washington D.C.. Die Sicherheitskräfte waren in höchster Alarmbereitschaft. In New York City musste der Times Square gesperrt werden, nachdem Bürger zu spontanen Freudenfeiern zusammenkamen.
Bush gratuliert Obama zu "bedeutender Errungenschaft"
Bin Laden gilt als Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001, die sich heuer zum zehnten Mal jähren. In New York und Washington waren damals knapp 3.000 Menschen ums Leben gekommen, als Al-Kaida-Terroristen Flugzeuge in die beiden Türme des World Trade Centers und das Pentagon steuerten.
George W. Bush, der zur Zeit der Anschläge US-Präsident war und sich jahrelang vergeblich darum bemühte, Bin Laden aufzuspüren, gratulierte Obama. Bush spheute Nacht hat Amerika eine unmissverständliche Nachricht ausgesandt", so Bush in seiner Erklärung. "Ganz gleich, wie lange es dauert, der Gerechtigkeit wird Genüge getan." Laut US-Medien hat Obama seinen Vorgänger vor der Rede an die Nation angerufen und ihm persönlich die Nachricht mitgeteilt.
Wende für strauchelnden Obama?
Bin Laden meldete sich auch nach 9/11 immer wieder in Video- und Audiobotschaften zu Wort und rief seine Anhänger zum Heiligen Krieg gegen den Westen auf. In jüngster Zeit war es aber still um den Terrorpaten geworden, als Sprachrohr des Terrornetzwerks fungierte immer mehr sein Stellvertreter Ayman al-Zawahri.
Ausführliches Porträt von Osama bin Laden - siehe Infobox!
Der Tod Bin Ladens gilt als großer Erfolg für US-Präsident Obama, der sich zuletzt angesichts steigender Benzinpreise und der nach wie vor kaum in die Gänge kommenden US-Wirtschaft im Umfragetief befand. Nach seinem Amtsantritt hatte er den Schwerpunkt des Anti-Terror-Kampfes auf Afghanistan gelegt und die US-Truppenstärke dort massiv erhöht. Kritiker meinten, er würde die Suche nach Bin Laden schleifen lassen. Obama hatte aber seinem Vorgänger George W. Bush im Wahlkampf vorgeworfen, nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 nicht entschlossen genug in Afghanistan gegen das Terrornetzwerk Al-Kaida vorgegangen zu sein und die Chance ausgelassen zu haben, Bin Laden dort aufzuspüren. Seinen Wählern versprach er, Bin Laden zu ergreifen.
Dass er nun dieses Versprechen eingelöst hat, könnte Obamas Image bei den US-Bürgern schlagartig ändern, tönten US-Kommentatoren in ersten Beurteilungen der Ereignisse. Der Präsident hatte erst kürzlich seine Kandidatur für 2012 bekannt gegeben, ein republikanischer Gegenkandidat steht noch aus.
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