"Krone" in Athen
Reformgegner tanzen nach klarem Nein den Sirtaki
Bereits um 19 Uhr, als die ersten Teilergebnisse einen deutlichen Vorsprung für ein Nein voraussagten, brachten sich Verkäufer von griechischen Fahnen - small, medium, large, XXL - und Trillerpfeifen in Neonfarben in Stellung. Fernsehstationen aus 44 Ländern übertragen die böse Überraschung in alle Welt. Das griechische Volk folgte der Empfehlung, sich für die EU und die Eurozone zu entscheiden, nicht. Eine "Oxi"-Aktivistin springt in Live- Übertragungen und schreit auf Englisch: "Nein zur Eurozone, nein zu Unterwerfung!"
Syntagma-Platz glich einem Tanzparkett
Auf riesigen Videowänden verfolgen die Menschen die Bekanntgabe weiterer Detailergebnisse, bis um 20 Uhr die erste Hochrechnung veröffentlicht wird: Rund 61 Prozent stimmten für ein Nein, so deutlich hatte das niemand erwartet. Der Syntagma-Platz vor dem griechischen Parlament gleicht einem riesigen Tanzparkett. Unter freiem Himmel, rund um den rosa beleuchteten Springbrunnen, schreien, klatschen, singen und lachen die Menschen, es wird viel Bier getrunken und der Duft von Souflaki und gebratenen Maiskolben liegt in der Luft. Fast jeder schwingt eine griechische Fahne, im Gras campieren Jugendliche und rufen "Nie mehr unterdrückt werden!"
"Oxi"-Anhänger fallen sich weinend in die Arme. "Raus aus der Eurozone!", "Nein zu den Sparauflagen!" Viele Familien sind mit ihren Kindern gekommen. Über die Lautsprecher hört man wütende Parolen Richtung Berlin und Brüssel: "Wir schicken Frau Merkel eine Portion Souflaki, aber ihr Geld kann sie behalten."
"Nein zum Chaos, aber klares Ja zu Europa"
Von der Mitropoleos Straße tönen Hupkonzerte der vorbeifahrenden Autos. John Douvris kann sein Glück nicht fassen: "Wir haben Nein gestimmt. Nein zum Chaos und zu den verrückten Auflagen, aber Ja zu Europa. Aus Verantwortung für unsere dreijährige Tochter Argyo." Und seine Frau Marina nickt. Elias Matzaioy beobachtet das Treiben von einem sicheren Platz auf einem Randstein aus. Obwohl er mit Ja gestimmt hat, ist er auf den Syntagma-Platz gekommen und feiert mit.
Mitten in den Menschenmassen stehen die Kamerateams und senden live vom griechischen Volksfest. Erstmals sprechen Menschen öffentlich das aus, was sie sich schon lange gedacht, aber nie zu sagen gewagt haben: "Warum sollen wir dem IWF Geld zurückzahlen? Wir haben es ja nie gesehen." Applaus und noch ein Sirtaki.
"Oxi"-Anhängerin: "Tsipras hat den Sieg verdient"
Antonis Samaras von der oppositionellen Nea Demokratia hat seinen Rücktritt bekannt gegeben, wieder jubeln die Menschen. Auf dem Rasen sind einige bereits eingeschlafen. Was am Montag sein wird, weiß hier keiner. "Tsipras wird sicher nach Brüssel reisen", ist Mirela Sdoukou überzeugt. Die Ikonenmalerin hat für "Oxi" wie eine Löwin gekämpft, heute ist ihr glücklichster Tag. "Tsipras hat den Sieg verdient. Er kann jetzt für uns weiterverhandeln. Nur diesmal mit der vollen Rückendeckung des griechischen Volkes." Dann verschwindet sie mit ihrer roten "Oxi"-Fahne in der Nacht.
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