Kampfjet-Abschuss

Russen wurden per Funkspruch von Türkei gewarnt

Ausland
25.11.2015 22:37
Der Konflikt zwischen Russland und der Türkei nach dem dramatischen Abschuss eines Kampfjets am Montag spitzt sich weiter zu. Einer der brisantesten Streitpunkte: Wurde die Besatzung vor dem Beschuss gewarnt oder nicht? Der überlebende Pilot erklärte am Mittwoch gegenüber russischen Staatsmedien, dass es keine optische oder Funk-Warnung der Türkei gegeben habe. Nur wenige Stunden danach veröffentlichten die türkischen Streitkräfte einen aufgezeichneten Funkspruch, auf dem offenbar die mehrmalige Aufforderung an die Piloten zu hören ist, nach Süden abzudrehen.

Im türkischen Staatsfernsehen wurde am Mittwochabend die Aufnahme abgespielt, auf der die Piloten auf Englisch aufgefordert werden, abzudrehen (siehe Video oben). Die Türkei hatte bereits kurz nach dem Abschuss am Dienstag mitgeteilt, die Suchoi Su-24 sei - nachdem sie sekundenlang im türkischen Luftraum unterwegs gewesen war - mehrfach und über mehrere Minuten hinweg kontaktiert worden. Nach russischer Darstellung wurde die Maschine hingegen ohne Warnung über syrischem Gebiet abgeschossen.

"Einsatzregeln wurden automatisch angewendet"
Das türkische Militär erklärte zudem, es habe nicht gewusst, dass das Kampfflugzeug russisch war. "Die Nationalität des Flugzeugs war nicht bekannt, die Einsatzregeln wurden auf automatische Weise angewendet", hieß es am Mittwoch. Die Einsatzkräfte versicherten auch, sich nach dem Abschuss bemüht zu haben, die Piloten zu finden und zu retten. Demnach kontaktierten sie auch das russische Militär, um ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit kundzutun.

(Bild: AFP)

Eisige Stimmung zwischen Moskau und Ankara
Auf diplomatischer Ebene ist die Stimmung zwischen Moskau und Ankara seit dem Vorfall eisig, Russlands Außenminister Sergej Lawrow sprach sogar von einer "geplanten Provokation". Lawrow sagte einen für Mittwoch geplanten Türkei-Besuch ab und rief seine Landsleute auf, nicht mehr in das Land zu reisen. Er hält den Abschuss des Kampfjets durch die Türkei für womöglich von langer Hand vorbereitet. "Wir haben ernste Zweifel, dass es sich um einen spontanen Akt handelt. Es ist vielmehr wie eine geplante Provokation", so Lawrow bei einer Pressekonferenz in Moskau.

Der Außenminister hatte vorher mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlut Cavusoglu telefoniert. Lawrow sagte, man werde die Beziehungen zur Türkei ernstlich überdenken. Es gebe keine Pläne für Besuche aus Ankara und der Abschuss werde auch Auswirkungen auf die zuletzt in Wien geführten Syrien-Friedensverhandlungen haben. Es sei kein Geheimnis, dass syrische Terroristen türkisches Territorium für Angriffe nutzten. Andererseits betonte Lawrow, Russland werde "keinen Krieg" mit der Türkei führen.

Putin: "Wir werden solche Verbrechen nicht tolerieren"
Bereits kurz nach dem Abschuss hatte Russlands Präsident Wladimir Putin erklärt, der Vorfall werde ernste Konsequenzen für die Beziehungen beider Staaten haben. "Wir werden solche Verbrechen nicht tolerieren", polterte der Kremlchef und sprach von einem "Dolchstoß in den Rücken", der von "Helfershelfern von Terroristen" ausgeführt worden sei. Am Mittwoch ergänzte Putin, das Problem sei nicht der Abschuss der russischen Maschine - vielmehr sei problematisch, dass die gegenwärtige türkische Führung in den vergangenen Jahren die "Islamisierung ihres Landes" unterstützt habe.

Russland droht Türkei mit wirtschaftlichen Konsequenzen
Außerdem drohte Russland der Türkei mit wirtschaftlichen Konsequenzen. Als Reaktion auf den Abschuss könnten wichtige gemeinsame Projekte gestoppt werden, teilte Ministerpräsident Dmitri Medwedew mit. Türkische Unternehmen könnten zudem Marktanteile in Russland verlieren.

(Bild: APA/EPA/HABERTURK TV CHANNEL)

Ein russischer Pilot gerettet
Die beiden Piloten des Jets konnten sich nach dem Abschuss zunächst per Schleudersitz retten, allerdings kam nur einer mit dem Leben davon. Eine Kommandoeinheit der syrischen Armee brachte den Überlebenden in Sicherheit. Er sei bei einer Aktion "hinter den Linien der bewaffneten Rebellen" gerettet worden, meldete die libanesische Nachrichtenseite Al-Mayadeen, die gute Kontakte zu Syriens Regierung hat, am Mittwoch.

Auch der russische Botschafter in Frankreich, Alexander Orlow, sagte dem französischen Radiosender Europe 1: "Einen Piloten hat die syrische Armee herausgeholt." Laut Al-Mayadeen wurde er zu einem Militärflughafen in der Nähe der Stadt Latakia gebracht. Der andere Pilot kam nach Angaben aus Moskau ums Leben, er sei von syrischen Rebellen erschossen worden. Aufständische verbreiteten dazu im Internet ein Video, das seinen Leichnam zeigen soll.

Die Absturzstelle des russischen Kampfjets (Bild: APA/EPA/HABERTURK TV CHANNEL)
Die Absturzstelle des russischen Kampfjets

Türkei will keine Eskalation mit Russland
Bei dem Vorfall am Dienstag handelt es sich um das erste Mal seit den 1950er-Jahren, dass ein russisches oder sowjetisches Flugzeug von einem NATO-Staat abgeschossen wurde. International sorgte der Vorfall für Besorgnis. EU-Ratspräsident Donald Tusk rief zur Besonnenheit und einem "kühlen Kopf" auf.

Auch die Türkei will nach den Worten ihres Präsidenten Erdogan ihre Beziehungen zu Russland nicht weiter belasten. Erdogan sagte am Mittwoch in Istanbul, die Türkei wolle keine Eskalation. Sie habe lediglich ihre Sicherheit und die "Rechte unserer Brüder in Syrien" verteidigt.

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