In ständiger Angst
Sabatina – allein gegen Ehrenmorde und Zwangsheirat
Ankunftshalle Wien-Schwechat. Start- und Zielpunkt reisebegeisterter Touristen. Vor 18 Jahren wurde dieser Flughafen für die zehnjährige Sabatina, ein herziges Mäderl aus dem pakistanischen Provinzdorf Dhedar, zum Tor in eine neue Welt. Ihr Vater, fleißiger Gastarbeiter im Mühlviertel, hatte seine Familie, Ehefrau und vier Kinder, nachgeholt. Aufgewachsen im idyllischen Sarleinsbach in Oberösterreich, beginnt dann aber mit 17 für Sabatina ein Martyrium zwischen zwei Welten.
Denn sie wird nach Pakistan verschleppt, gegen ihren Willen mit ihrem Cousin verheiratet und in eine strenge Koranschule gesteckt! Gebrochen kehrt Sabatina nach Österreich zurück. Sie beginnt heimlich die Bibel zu lesen, erhält dadurch wieder Kraft und wechselt schließlich gar den Glauben. Seit ihrem Übertritt vom Islam zum Christentum – und ihrem autobiographischen Buch darüber (in der Infobox kannst du „Sterben sollst du für dein Glück“ bestellen) lebt sie in ständiger Angst vor Racheakten.
Alle drei Monate eine neue Wohnung
„Einerseits freute ich mich damals über die riesige Resonanz, die mein Buch hervorgerufen hat, andererseits wurde der Medienwirbel unerträglich. Boulevardmagazine veröffentlichten private Fotos von mir und stellten mich als Nacktmodell dar, dem es nur darum ging, berühmt zu werden. Ich fühlte mich wie ein gehetztes Tier“, erinnert sich Sabatina heute. Gejagt von der Medienmeute, Angehörigen, aber auch von Islamisten: Fundamentalisten, die sie immer wieder mit dem Umbringen bedrohten. Seither lebt die gebürtige Pakistanerin mit österreichischem Pass in Deutschland. Bewacht von der Polizei im Opferschutzprogramm. Alle drei Monate muss sie aus Sicherheitsgründen die Wohnung wechseln. Auch wenn Radikale und Hassprediger sie immer wieder via E-Mail und mit Drohanrufen zum Schweigen bringen wollen, wirkt Sabatina unerschrocken.
Heute erscheint sie in der Airport-Ankunftshalle als eine vom scheuen Reh zur selbstbewussten Frau konvertierte Glaubenskämpferin der anderen Art. Die – auch in engen Jeans und mit rot lackierten Fingernägeln – genau weiß, was sie will. „Ich kämpfe gegen die Unterdrückung muslimischer Frauen“, so ihr „Missionsziel“. Konkret hilft Sabatina mit ihrem Verein (siehe Website in der Infobox) Mädchen und Frauen vor drohender bzw. bereits vollzogener Zwangsverheiratung. Ihre Stiftung hat schon Opfer gerettet, die aus Ehrengründen getötet werden sollten, sowie 150 Kindersklaven in Pakistan befreit.
„Nur selten gelingt es einer zu entfliehen“
„Es ist immer dieselbe Geschichte wie bei mir. Muslimischen Mädchen, die im Westen aufgewachsen sind, wird vorgelogen, zu Hause – also in einem islamischen Land wie Pakistan, Türkei, Ägypten, etc. – Urlaub machen zu können. Dann folgt die bittere Wahrheit: Längst beschlossene Heiratsverträge mit weit älteren Ehemännern, die die jungen Frauen noch nie gesehen haben, werden eingelöst: Zwangsheirat! Nur selten gelingt es einer, aus diesem System zu entfliehen“, erinnert sich die attraktive Sozial-Aktivistin an ihr eigenes Martyrium.
Doch auch in Deutschland, Österreich – mitten in Europa – gibt es schreckliche Schicksalsfälle, sprich Kinderehen. Allein in der Bundesrepublik werden pro Jahr mehr als tausend Frauen zwangsverheiratet. „Wir haben es mit vernarbten Körpern hinter Schleiern zu tun. Mit Frauen, deren Männer die Haustür von außen zusperren, wenn sie morgens arbeiten gehen, und erst wieder aufsperren, wenn sie abends zurückkommen. Die Frauen sind den ganzen Tag gefangen. Ihr Alltag besteht darin, die Familien zu bekochen und möglichst viele Kinder zu gebären“, spricht Sabatina Klartext.
Wegen ihrer offenen Art und dem praktischen Wissen um beide Religionswelten ist die quirlige 28-Jährige gern gesehener Gast bei Diskussionen – von TV-Talkshows bist zum deutschen Bundesrat. Ein aktueller Menschenrechtspreis sowie die Neuauflage ihres Buches in Frankreich und Holland rücken Sabatina aber immer weiter ins Visier von Hasspredigern und selbst von Al-Kaida-Terroristen.
„Viele sind zu feige, den Islamismus anzusprechen“
„Obwohl mein Großvater Muezzin in Pakistan war, bin ich gegen die Errichtung neuer Minarette in Europa. Burka und Schleier stellen für mich eine Einengung der Menschenwürde dar“, blickt Sabatina selbstbewusst in die Kamera: „Ich gehe davon aus, dass Migranten eine Bringschuld haben. Ein Hauptproblem der Religionsdebatten besteht darin, weil Politiker und Gutmenschen aus Angst vor dem Zorn der Fundamentalisten zu feige sind, den Islamismus anzusprechen. Mit dieser aktiven Ignoranz stellen sie die Religion über Menschenrechte. Gleichzeitig überlassen sie dieses Thema allein den Rechten.“ Sabatinas Wunsch? „Einmal von einer Kirchenkanzel aus zu Menschen zu reden. Nicht blinden Hass predigen, sondern Frieden verkünden...“
Buchtipp: SABATINA JAMES, Sterben sollst du für dein Glück; Verlag Knaur (in unserem krone.at-Buchshop – siehe Infobox – kannst du das Buch bestellen.
von Christoph Matzl, Krone bunt
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