Ratspräsidentschaft
Schuldenland Zypern nun der EU-“Wurstverwalter”
In Brüssel herrscht dagegen Gelassenheit: Die Krise des Zyperns werde die Regierung und ihre Experten im Tagesgeschäft in der Europäischen Union nicht beeinträchtigen, heißt es. "Diese Panik halte ich für falsch", sagte ein hochrangiger EU-Diplomat.
Die Grußbotschaft von Präsident Dimitris Christofias auf der Internetseite zum Beginn des halbjährlichen EU-Ratsvorsitzes am 1. Juli klingt allerdings wie ein Hilferuf: "Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Wir müssen dem Prinzip Solidarität in der Gemeinschaft eine neue Bedeutung geben", erklärt der bekennende Kommunist.
Zypern braucht voraussichtlich bis zu zehn Milliarden Euro Kredithilfe, um seine durch die Griechenland-Krise taumelnden Banken zu stützen und den Staatshaushalt zu finanzieren. Mit der Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds muss Finanzminister Vassos Shiarly Reformauflagen im Gegenzug für die Hilfe aushandeln. Doch für das kleine Land sei das rasch zu erledigen, sagte ein EU-Insider.
"Damit wird der Hund zum Wurstverwalter"
Der Vorsitzende des deutschen CDU-Wirtschaftsrates Kurt Lauk bezeichnete eine Präsidentschaft durch ein Euro-Schuldenland als "EU-Paradox". Damit werde der Hund zum Wurstverwalter. Dagegen betont der Sprecher der Ständigen Vertretung Zyperns, Michalis Koumides: "Außer einem schlechten Image gibt es keine Auswirkungen." Die Regierung sei gut vorbereitet.
Die Leitung der EU-Staaten solle ohnehin eine "Brüsseler Präsidentschaft" werden und maßgeblich von der Vertretung vor Ort gesteuert werden. Dazu sei die Belegschaft auf 230 Mitarbeiter fast verdreifacht worden. Viel mehr hatte Deutschland während seiner Ratspräsidentschaft 2007 auch nicht im Einsatz. Damals war der Vorsitz mit viel mehr Aufwand verbunden, da auch die Gipfel zu bestreiten waren. Doch mit dem EU-Vertrag von Lissabon ging diese Aufgabe auf den ständigen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy über. Die halbjährlich rotierenden Vorsitzländer sind vor allem damit beschäftigt, die Brüsseler Gesetzesmaschinerie in Gang zu halten.
Zypern hat mit schärferen Eigenkapitalregeln und dem jüngsten Vorschlag zu einem Krisenabwicklungsfonds für Banken zwei wichtige Dossiers auf dem Tisch, mit denen es durch seine Bankenkrise praktische Erfahrung hat. Ziel der Regierung sei es dennoch, die Rolle des ehrlichen Maklers gut zu spielen, sagt Koumidis.
Budgetverhandlungen als Knackpunkt
Die schwierigste Aufgabe für Zypern ist unterdessen die Verhandlung über den mittelfristigen Budgetrahmen der EU von 2014 bis 2020. Der Verteilungskampf zwischen Nettozahlern und -empfängern, Agrar- und Dienstleistungsländern fordert viel Verhandlungsgeschick. Eine Einigung im Dezember wäre die Krönung der Ratspräsidentschaft.
Sollte das dem kleinen Land gelingen, hätte es eine Lanze für die anderen Euro-Sorgenstaaten gebrochen. Irland übernimmt den Vorsitz im ersten Halbjahr 2013, wenn es erstmals wieder ohne Euro-Schutzschirm seine Schulden finanzieren will. Griechenland übernimmt den Vorsitz im ersten Halbjahr 2014 - und wird dann noch immer am Tropf der Euro-Zone hängen.
Die Sache mit der Türkei
Die seit 38 Jahren in einen griechischen Süden und einen türkischen Norden geteilte Insel steht zudem im Mittelpunkt des Konflikts um einen EU-Beitritt der Türkei. Die Regierung in Ankara machte bereits klar, dass sie die zypriotische Ratspräsidentschaft boykottieren will. Die Mittelmeerinsel gehört seit dem 1. Mai 2004 zur Europäischen Union. Das EU-Recht kann jedoch vorläufig in der "Türkischen Republik Nordzypern", die international nur von der Türkei anerkannt wird, nicht angewendet werden. Die UN führen seit Jahrzehnten Gespräche zur Überwindung der Teilung.
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