Noch nie da gewesen
Schweiz: Gemeinde will deutsches Paar abschieben
Wie die Schweizer Tageszeitung "Blick" am Freitag berichtete, geht es in der brisanten Causa um ein Zahnarzt-Ehepaar, das "vor einigen Jahren in die Gemeinde Dulliken zog und beharrlich keine Steuern zahlt". Die Familie mit zwei Kindern und drei Hunden lebe in einem gemieteten Reihenhaus.
"Gesellschaftsschädigendes Gebaren"
Laut dem Bericht reagiere das Paar prinzipiell nicht auf Zahlungsaufforderungen, Steuererklärungen würde es demnach erst gar nicht einreichen. In dem entsprechenden Sitzungsprotokoll des Gemeinderats vom 7. Mai werde dies als "gesellschaftsschädigendes Gebaren" bezeichnet.
Der Mann und die Frau aus Deutschland leben dank einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Aber womöglich nicht mehr lange – denn der Gemeinderat interveniert nun beim Amt für Migration des Kantons Solothurn, "damit diesem Ehepaar die Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verlängert respektive entzogen wird", wie es im Sitzungsbericht heißt.
"Man muss mit der Faust auf den Tisch hauen"
Der Entschluss des Gremiums sei einstimmig gefallen, erklärte dazu Gemeinderatspräsident Theophil Frey. "Wenn jemand die Steuern nicht bezahlt, geht das auf Kosten der Allgemeinheit. Also jener, die ihre Steuern ehrlich bezahlen. Irgendwann muss man mit der Faust auf den Tisch hauen."
Einen vergleichbaren Fall habe es in Schweiz laut "Blick" noch nie gegeben. Falls die Bewilligung verfällt, bliebe der Familie nichts andres übrig, als Dulliken tatsächlich den Rücken zu kehren. "Ausländischen Personen, die das Land verlassen müssen, wird eine Ausreisefrist gesetzt", hieß es auf Nachfrage beim Migrationsamt. "Sie haben die Pflicht, diese einzuhalten." Wie es in der Causa nun weitergehe, werde "in Bälde entschieden werden".
Die Schweizer Probleme mit den Deutschen
Der Fall des deutschen Ehepaares fällt zusammen mit dem neu aufgeflammten Debattensturm in der Schweiz. "Wir haben zu viel Deutsche im Land" ("Es hätt zvill Tüütschi"), erklärte Natalie Rickli, Abgeordnete der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei, für deutsche Ohren fast niedlich klingend Ende April im Schweizer Fernsehen. Deutsche nähmen den Schweizern zunehmend Jobs weg, deshalb sei es längst angebracht, die Zuwanderung aus dem nördlichen Nachbarland stark zu drosseln.
Neu sind die Schweizer Animositäten gegenüber den "arroganten" Nachbarn keineswegs. Geschürt wurden sie durch forsches Auftreten deutscher Politiker. Bis heute nicht verziehen sind die Worte, mit denen 2009 Finanzminister Peer Steinbrück den Schweizern im Steuerstreit ein scharfes Vorgehen androhte: "Die Kavallerie in Fort Yuma (historische US-Befestigungsanlage in Kalifornien, Anm.) muss nicht immer ausreiten, manchmal reicht es, wenn die Indianer wissen, dass sie da ist."
"Alpen-Indianer" und "Sau-Schwaben"
Bei den solcherart abqualifizierten "Alpen-Indianern" hat die Deutschenfeindlichkeit seitdem zugenommen. Inzwischen sei ein "bedenkliches Ausmaß" erreicht, warnte etwa Barbara Schmid-Federer, Mitglied des Präsidiums der Christlichdemokratischen Volkspartei der Schweiz. Und nach dem nunmehrigen Rickli-Auftritt würden Deutsche mitten in Zürich gar als "Sau-Schwaben" beschimpft.
Die Feindbilder im Zusammenhang mit der Einwanderung in die Schweiz hätten sich geändert, schrieb letztes Wochenende Patrik Müller, Chefredakteur der Schweizer Zeitung "Der Sonntag". Seien es einst Italiener und später Jugoslawen gewesen, die angefeindet wurden, so seien nun halt die Deutschen an der Reihe. Gegen sie zu pöbeln, sei selbst "in akademischen Kreisen salonfähig". Grund: "Schließlich sind die Deutschen stark. Die meisten, die kommen, verdienen gutes Geld, haben Kaderjobs. Gehen in die Oper. Sind uns sprachlich überlegen."
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