Obama droht Putin

Telefonmitschnitte als Beweis für Boeing-Abschuss?

Ausland
18.07.2014 18:44
Nach wie vor ist unklar, wer hinter dem Abschuss einer Passagiermaschine der Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord am Donnerstag steckt: Aufständische, Kiew oder gar Moskau? Niemand will die Boeing 777-200 vom Himmel geholt haben. Brisante Telefonmitschnitte der ukrainischen Geheimdienste legen aber eine Verantwortung der prorussischen Separatisten für die Tragödie nahe. Die US-Regierung ist von der Schuld der Miliz unter Zuhilfenahme russischer Experten überzeugt, Präsident Barack Obama droht deshalb Moskau mit weiteren Sanktionen.

Unmittelbar nach dem verheerenden Absturz mit knapp 300 Toten hatten am Donnerstagabend die gegenseitigen Schuldzuweisungen begonnen. In einem regelrechten Propaganda-Krieg machen sich die Konfliktparteien in der Ukraine gegenseitig für die Katastrophe verantwortlich. Die ukrainische Seite - angeführt von Präsident Petro Poroschenko - war rasch zur Stelle mit Anschuldigungen. Von einem "terroristischen Akt" sprach der Staatschef. Schon in den vergangenen Tagen seien immer wieder Flugzeuge der ukrainischen Luftwaffe abgeschossen worden: Kampfjets, Transportmaschinen und Hubschrauber.

Außenminister: Rebellen für Abschuss verantwortlich
Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin präsentierte dann am Freitagmorgen "eindeutige Beweise" dafür, dass prorussische Separatisten für den Abschuss verantwortlich seien. "Wir haben Gespräche zwischen den Terroristen abgehört, die eindeutig beweisen, dass dort über den Abschuss des Flugzeuges gesprochen wurde", sagte er dem Nachrichtensender N24.

(Bild: YouTube.com)
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(Bild: AFP)
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Konkret geht es um Audiomitschnitte und Videomaterial, die eine Kommunikation zwischen den Rebellen in der Ukraine und russischen Geheimdienstmitarbeitern rund um den Abschuss der Maschine dokumentieren sollen. Die Mitschnitte (siehe Video oben) wurden mittlerweile auch ins Deutsche und Englische übersetzt und auf YouTube veröffentlicht.

In einem Telefonat soll der Rebellenkommandant Igor Bezler einem russischen Geheimdienstoffizier mitgeteilt haben, dass die Rebellen ein Flugzeug abgeschossen hätten. In einem weiteren Gespräch sprechen zwei Kämpfer davon, dass ein Raketenangriff von einer Rebelleneinheit rund 25 Kilometer nördlich der Absturzstelle durchgeführt worden sei.

"Das ist zu 100 Prozent ein Passagierflugzeug"
Der erste Anruf soll rund 20 Minuten nach dem Absturz gemacht worden sein. Beim zweiten soll einer der Kämpfer unmittelbar an der Unglücksstelle gesagt haben: "Das ist zu 100 Prozent ein Passagierflugzeug." Es seien keine Waffen zu sehen, nur Sachen von Zivilisten. In einem weiteren Telefongespräch soll der Rebellenkommandant Nikolay Kozitsin zu einem nicht identifizierten Kämpfer gesagt haben, dass an Bord der Maschine möglicherweise Spione gewesen seien. Sonst mache es keinen Sinn, in dieser Gegend zu fliegen.

Die Separatisten bestreiten nun allerdings ihrerseits, dass sie überhaupt in der Lage gewesen wären, eine in zehn Kilometern Höhe fliegende Maschine abzuschießen. Doch einige Stunden vor dem Absturz hieß es noch auf dem Twitter-Konto der "Republik Donezk", die Rebellen hätten der ukrainischen Armee Boden-Luft-Raketen vom Typ Buk entwendet. Dieser Eintrag wurde später gelöscht. Die ukrainische Armee hatte noch vor dem Absturz der Boeing 777 bestätigt, dass die Separatisten über Buk-Raketen verfügten. Diese können nach Herstellerangaben Ziele in bis zu 25 Kilometern Höhe treffen.

Obama droht Putin mit weiteren Sanktionen
Für die Regierung in Washington ist ein Angriff von Rebellen auf den Passagierflieger mehr oder weniger erwiesen, zumal neben den Telefonmitschnitten auch Satellitenbilder entsprechende Anhaltspunkte geliefert haben sollen, wie ein vorläufiger Geheimdienstbericht am Freitag offenlegte. Die Rakete, die das Flugzeug abgeschossen habe, sei aus einem von Separatisten kontrollierten Gebiet abgefeuert worden, erklärte US-Präsident Barack Obama. Zugleich drohte er Russland mit schärferen Sanktionen. Außerdem forderte der Staatschef eine sofortige Waffenruhe.

"Russland, die Separatisten und die Ukraine müssen sich an eine sofortige Waffenruhe halten", betonte Obama. Er erhob schwere Vorwürfe gegen Moskau, das "immer wieder" verabsäumt habe, die erforderlichen Schritte zur Deeskalation der Lage in der Ostukraine zu setzen. Die Separatisten seien ständig aus Russland mit schweren Waffen, darunter auch Luftabwehrgeräten, versorgt worden. Wenn der russische Präsident Wladimir Putin den Zustrom von Waffen und Kämpfern in die Ostukraine untersage, werde die Gewalt dort aufhören. Die USA seien in der Lage, ihre Sanktionen gegen Russland zu verschärfen, unterstrich Obama, der den Absturz als eine "Schandtat unaussprechlichen Ausmaßes" bezeichnete.

Klitschko will Putin zur Verantwortung ziehen
Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt "endgültig verstehen, dass es sich hier um einen Krieg handelt und Russland mit hochmodernen Waffen und ausgebildeten Kämpfern in diesen Krieg eingreift", hatte der frühere Boxweltmeister und heutige Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, bereits kurz nach dem Absturz der Boeing Russland für die Katastrophe verantwortlich gemacht. Seiner Ansicht nach müsse der russische Präsident Wladimir Putin dafür "endlich zur Verantwortung gezogen werden", erklärte Klitschko gegenüber der deutschen "Bild"-Zeitung. "Das ist eine Tragödie dramatischen Ausmaßes, die die ganze Welt betrifft."

Putin sieht Schuld für Absturz bei Ukraine
Kremlchef Wladimir Putin weist die Verantwortung für den Absturz weiterhin vehement zurück. Die schreckliche Tragödie wäre nicht passiert, wenn es in der Ostukraine keinen Krieg gebe, sagte Putin am späten Donnerstagabend. "Diese Tragödie wäre nicht passiert, wenn es auf dieser Erde Frieden gäbe, wenn nicht die Kampfhandlungen im Südosten der Ukraine wieder aufgenommen worden wären", so die Worte des russischen Staatschefs.

Das Verbrechen müsse lückenlos aufgeklärt werden, damit die russische und die ukrainische Öffentlichkeit sowie die Weltgemeinschaft erfahren, was dort passiert sei, sagte Putin weiter. Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte es bereits zuvor als "Blödsinn" kritisiert, Russland mit dem Absturz in Zusammenhang zu bringen. Das Verteidigungsministerium in Moskau wies ebenfalls eine Beteiligung eigener Streitkräfte am Abschuss der Boeing 777-200 zurück.

UN-Sicherheitsrat fordert unabhängige Untersuchung
Der UNO-Sicherheitsrat hat eine unabhängige Untersuchung des mutmaßlichen Abschusses gefordert. In einer einstimmigen Erklärung verlangte das Gremium am Freitag am UN-Sitz in New York eine "umfassende, gründliche und unabhängige internationale Untersuchung des Vorfalls im Einklang mit den Richtlinien der internationalen Zivilluftfahrt". Die UNO-Botschafter der Mitgliedsländer hielten bei der von Großbritannien beantragten Sondersitzung eine Schweigeminute für die fast 300 Opfer der Tragödie ab. In der Erklärung sprach der Sicherheitsrat den Angehörigen und den betroffenen Ländern das Beileid aus.

Am Donnerstag hatte bereits UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon eine "umfassende, transparente und internationale Untersuchung" verlangt. Eine Rolle könnte dabei der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) zufallen. Die im kanadischen Montreal ansässige UNO-Sonderorganisation bot ihre Unterstützung bei den Ermittlungen an.

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