Terror-Drahtzieher
Staatsanwaltschaft: Abdelhamid Abaaoud ist tot
Der Tod Abaaouds bei einer Razzia in einem Wohnhaus im Pariser Stadtteil Saint-Denis wurde laut Staatsanwaltschaft durch Fingerabdrücke bestätigt. "Es war die Leiche, die wir in dem Gebäude gefunden haben", hieß es in der Erklärung der Staatsanwaltschaft. Sie sei von Kugeln durchsiebt gewesen.
Der 28-jährige Belgier aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek wird verdächtigt, die Anschläge organisiert zu haben, bei denen am vergangenen Freitag 130 Menschen getötet wurden. Der Belgier mit marokkanischen Wurzeln wurde er seit einem vereitelten Terroranschlag auf Polizisten im ostbelgischen Verviers im vergangenen Jänner gesucht. Damals waren beim Einsatz von Spezialkräften der Polizei zwei gesuchte Terroristen ums Leben gekommen. Abaaoud, auch bekannt unter dem Pseudonym Abu Omar al-Baljiki, soll der Kopf der gesprengten Terrorzelle gewesen sein.
Abaaoud war auch in Deutschland
Angaben der deutschen Bundespolizei zufolge war Abaaoud mindestens einmal in Deutschland. Der Belgier sei am 20. Jänner am Flughafen Köln/Bonn kontrolliert worden. Dabei habe er angegeben, nach Istanbul weiterreisen zu wollen. Über eine Rückkehr nach Deutschland sei nichts bekannt, sagte ein Polizeisprecher.
"Spiegel Online" meldete unter Berufung auf Sicherheitskreise, Abaaoud habe sich schon 2007 einmal in Köln aufgehalten. Er soll damals bei der Stadt ein Ausfuhrkennzeichen für ein großes Fahrzeug beantragt haben. Die Hintergründe seines damaligen Besuchs seien aber vollkommen unklar. "Wir können uns darauf derzeit keinen Reim machen", wird ein Ermittler zitierte.
US-Heimatschutzministerium warnte vor Abaaoud
Im Mai hat das US-Ministerium für Heimatschutz in einem Bericht vor Abaaoud gewarnt. Der achtseitige, nicht vertraulich gestempelte Bericht analysiert die Folgen aus einem im Jänner im belgischen Verviers vereitelten Anschlag. Überschrift: "Künftige IS-Operationen im Westen könnten dem unterbundenen belgischen Plot ähneln".
Das Dokument entstand in Zusammenarbeit mit dem FBI und dem nationalen Anti-Terror-Zentrum. Bild.de zitierte am Donnerstag aus dem Bericht. Zuvor hatten die US-Sender Fox und CNN und die britische Zeitung "Daily Mail" darüber berichtet. Im Jänner erschossen Sondereinsatzkräfte im belgischen Verviers zwei mutmaßliche Dschihadisten. Abaaoud sei Kopf dieser Zelle gewesen, heißt es in dem Bericht. Er habe sie von Athen aus gesteuert und sich frei durch Europa bewegt.
Ermittler: Getötete Frau war Abaaouds Cousine
Bei dem Einsatz gegen die Terroristen am Mittwoch in Paris gab es noch ein weiteres Todesopfer. Vermutlich sprengte sich eine 26-Jährige mit einer Sprengstoffweste selbst in die Luft - die Obduktion wird darüber noch Klarheit schaffen müssen. Wie am Donnerstag aus Ermittlerkreisen verlautete, handelt es sich bei der Frau aber offenbar um die Cousine von Abaaoud.
Premierminister Manuel Valls würdigte jedenfalls kurz nach Bekanntwerden der Nachricht vom Tod des belgischen Islamisten die "außergewöhnliche Arbeit unserer Geheimdienste und der Polizei". Damit sei "einer der Drahtzieher" der Anschläge tot. "Wir wissen heute, dass Abaaoud, das Gehirn dieser Anschläge bzw. eines der Gehirne, denn wir müssen besonders vorsichtig sein und kennen die Bedrohungen, sich unter den Toten befand", sagte Valls am Donnerstag.
Hier ein Video von der Razzia:
Über den genauen Ablauf der Razzien in zwei Wohnungen im Pariser Vorort Saint-Denis von Mittwochfrüh hatte Staatsanwalt Francois Molins die Öffentlichkeit bereits am Mittwoch im Zuge einer Pressekonferenz informiert. Bei der Suche nach dem mutmaßlichen Drahtzieher Abaaoud hätten Eliteeinheiten über Stunden zwei Wohnungen im Vorort Saint-Denis belagert, in der sich mehrere Verdächtige verschanzt hatten, hieß es.
Neuer Anschlag verhindert
Molins hatte auch bestätigt, dass ein weiteres "entschlossenes" Terrorkommando "neutralisiert" wurde, das Anschläge geplant hatte. Mit der Razzia habe man möglicherweise einen neuen Anschlag verhindert. Angesichts der Bewaffnung, der Organisationsstruktur und der "Entschlossenheit" der "neuen Gruppe von Terroristen" deute alles darauf hin, "dass dieses Kommando zur Tat schreiten konnte".
Insgesamt hatte es im Zuge der siebenstündigen Aktion sieben Festnahmen, zwei Tote und auch mehrere verletzte Polizisten gegeben. Rund 100 Polizisten und Soldaten seien bei der Erstürmung des Terroristenverstecks beteiligt gewesen, so Molins. Insgesamt seien 5000 Schuss abgegeben worden.
SMS auf weggeworfenem Handy: "Es geht los"
Bereits zuvor war Folgendes bekannt geworden: Über die Telefondaten eines Handys, das die Polizei in einem Mistkübel in der Nähe der Konzerthalle Bataclan, einem der Schauplätze der Terroranschläge, gefunden hatte, war man auf die Spur des Wohnhauses in Saint-Denis gekommen. Auf diesem Handy wurde auch eine um 21.42 Uhr versendete SMS mit dem Inhalt "Es geht los, wir fangen an" sichergestellt. Und es führte auf die Spur eines Hotels, in dem sich die Terroristen in den beiden Nächten vor den Attentaten aufgehalten haben sollen.
Zwei Verdächtige versteckten sich unter Schutt und Asche
Erst als die Wohnung später von Spezialisten auf Sprengfallen untersucht wurde, stießen Beamte auf zwei weitere Dschihadisten, die sich unter Schutt und Asche versteckt hatten. Als sie abgeführt wurden, waren sie blutverschmiert, hatten nichts am Leib außer T-Shirts. Seit der Terrornacht am Freitag wurden laut dem französischen Innenminister Bernard Cazeneuve 414 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Dabei gab es insgesamt 60 Festnahmen, 118 Menschen seien unter Hausarrest gestellt worden, so Cazeneuve.
Maßnahmen gegen Islamisten verstärkt
In Belgien durchsuchte die Polizei am Donnerstag erneut Wohnungen. Bei Razzien in Brüssel wurden neun Verdächtige im Zusammenhang mit den islamistischen Anschlägen in Paris festgenommen. Die Durchsuchungen fanden unter anderem "in direktem Umfeld des Selbstmordattentäters Bilal Hadfi" statt. Der französische Staatsbürger lebte zuletzt in Belgien. Er soll in der Vergangenheit in Syrien gewesen sein. Auch in anderen Staaten wie etwa in Deutschland, Italien oder Japan wurden die Maßnahmen gegen Islamisten verstärkt.
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