"Großes Massaker"
Terroranschlag in Ankara fordert Dutzende Tote
Ein HDP-Funktionär, der anonym bleiben wollte, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntagvormittag, seine Partei habe Kenntnis von 122 Toten, die Opferzahl könne noch deutlich weiter steigen. Mehr als 500 Menschen seien verletzt worden. Es werde Berichten nachgegangen, wonach sich Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt haben.
Zwei Detonationen kurz nacheinander
Die Explosionen ereigneten sich im Abstand von wenigen Minuten, die erste (siehe Video oben) um etwa 10 Uhr Ortszeit (9 Uhr MESZ). Am Ort des Anschlags lagen Dutzende Leichen am Boden, die notdürftig mit Fahnen und Transparenten abgedeckt wurden. Die genauen Hintergründe des Blutbades sind noch unklar. Während Erdogan von Parallelen zu PKK-Anschlägen spricht, sieht sich die HDP als Ziel des "Massakers".
Anschlag vor geplanter Friedensdemonstration
Für Samstagmittag hatten Friedensaktivisten, die HDP und linke Gruppierungen zu einer regierungskritischen Demonstration in Ankara aufgerufen, bei der gegen den Konflikt zwischen der Armee und Kurden im Südosten der Türkei protestiert werden sollte. Viele Teilnehmer hatten sich vor Beginn der Kundgebung in der Nähe des Bahnhofs versammelt.
Prokurdische Partei HDP Ziel des Anschlags?
Die HDP, die im Juni als erste prokurdische Partei ins Parlament eingezogen war, sieht sich als Ziel des Doppelanschlags. Die beiden Bomben seien inmitten von HDP-Anhängern detoniert, teilte sie mit. Augenzeugen hätten berichtet, es habe sich um zwei Selbstmordattentäter gehandelt. Der HDP-Ko-Vorsitzende Selahattin Demirtas sprach von einem "barbarischen Angriff". Es habe sich um ein "großes Massaker" gehandelt. "Diejenigen, die Frieden wollen, werden ermordet."
Erdogan sieht Parallelen zu PKK-Anschlägen
Präsident Erdogan kam nach dem Blutbad mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu und anderen Kabinettsmitgliedern zu einem Krisentreffen zusammen. Erdogan versprach eine Aufklärung des Massakers und zog eine Parallele zu den Anschlägen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK u.a. auf türkische Sicherheitskräfte. Zwischen diesen Anschlägen und dem "Terrorangriff" in Ankara bestehe demnach "überhaupt kein Unterschied". Davutoglu verdächtigte ebenfalls die PKK, aber auch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat oder Linksextremisten der Untergrundorganisation Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front, hinter dem Attentat zu stehen.
EU-Granden rufen Türkei zu Geschlossenheit auf
Spitzenvertreter der Europäischen Union riefen die türkische Gesellschaft nach den Bombenattentaten zur Geschlossenheit auf. "Das türkische Volk und alle politischen Kräfte müssen Terroristen und all denjenigen, die das Land zu destabilisieren versuchen, vereint entgegentreten", schrieben die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Vizekommissionspräsident Johannes Hahn in einer gemeinsamen Stellungnahme. Gleichzeitig sicherten sie der Türkei die Unterstützung der EU zu: "Unsere Partnerschaft und unser Willen zur Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden und der türkischen Gesellschaft sind stärker denn je - auf allen Ebenen. Wir stehen an der Seite aller Menschen in der Türkei, die zusammenarbeiten, um Gewalt und Terrorismus zu bekämpfen."
Nach Anschlag Demonstrationen gegen Erdogan
Nach dem blutigen Anschlag in Ankara gingen dann am Samstagabend Tausende Menschen in Istanbul und anderen Städten des Landes auf die Straße. Die rund 10.000 Demonstranten im Zentrum von Istanbul machten Erdogan für den Anschlag mitverantwortlich. Weitere Demonstrationen fanden nach Angaben der Nachrichtenagentur Dogan in den Städten Diyarbakir, Izmir, Batman, Urfa und Van statt.
Gewalt zwischen Armee und PKK eskaliert
Nach dem Scheitern eines zweijährigen Waffenstillstandes zwischen der Regierung und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Juli eskaliert im Südosten der Türkei die Gewalt. Es gab zahlreiche Anschläge gegen türkische Soldaten und Polizisten. Die türkische Armee wiederum bombardierte Stellungen der PKK im Nordirak. Die islamisch-konservative Regierung von Erdogan wirft der Kurdenpartei HDP vor, die PKK zu unterstützen. Erdogan-Kritiker wiederum orten ein zynisches Kriegsspiel des Präsidenten.
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