Nach Ankara-Blutbad
Türkei: Erneut Tote bei Anschlag auf Militärkonvoi
Einen Tag nach dem Anschlag auf einen Militärkonvoi in Ankara mit 28 Toten sind bei einem neuen Angriff auf die türkische Armee im vor allem von Kurden bewohnten Südosten des Landes am Donnerstagmorgen mindestens sechs Soldaten getötet worden. Ziel des Anschlags sei wieder ein Militärkonvoi gewesen, teilten die Sicherheitskräfte mit. Zuvor hatte die Türkei Luftangriffe auf PKK-Stellungen im Nordirak geflogen - laut Premier Ahmet Davutoglu handelte es sich bei dem Attentäter von Ankara um einen syrischen Kurden.
Von den Sicherheitskräften hieß es, man vermute hinter dem neuerlichen Angriff wie schon bei dem Blutbad in Ankara die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK oder eine andere kurdische Organisation. Bei der Explosion einer ferngezündeten Bombe neben einem gepanzerten Fahrzeug in der Ortschaft Lice in der Provinz Diyarbakir seien sechs Soldaten getötet und einer schwer verletzt worden. In dem Gebiet ist die Armee in den vergangenen Wochen massiv gegen Kurden vorgegangen.
Bei dem Autobombenanschlag auf einen Militärkonvoi im Regierungsviertel von Ankara waren am Mittwochabend 28 Menschen getötet und über 60 weitere Personen verletzt worden. Von den Todesopfern seien 26 Militärangehörige, sagte Davutoglu. Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat. In Medienberichten hieß es aber, bei dem Attentäter handle es sich um einen Mann, der als Flüchtling in die Türkei gekommen sei und einer Kurdenmiliz in Syrien nahegestanden habe. Er habe das Anschlagsauto gefahren und sei durch die Explosion getötet worden. Der syrische Kurde wurde danach durch bei seiner Einreise genommene digitale Fingerabdrücke identifiziert, die in dem mit Sprengstoff beladen gewesenen Auto gefunden wurden. Nach Angaben ranghoher türkischer Sicherheitskräfte war er bereits 2014 eingereist.
Kurden bestreiten Verantwortung für Anschlag in Ankara
Fast zeitgleich mit dem Anschlag in Ankara war in der schwedischen Hauptstadt Stockholm ein türkisches Kulturzentrum durch eine Explosion verwüstet worden. Ob ein Zusammenhang zwischen den beiden Vorfällen besteht, ist unklar. Die PKK äußerte sich lediglich zu dem Ankara-Attentat am Mittwochabend. Der kurdische Kommandeur Cemil Bayik sagte am Donnerstag der PKK-nahen Agentur Firat: "Wir wissen nicht, wer das getan hat. Es könnte aber ein Vergeltungsschlag für die Massaker in Kurdistan gewesen sein." Der Chef der wichtigsten syrischen Kurdenpartei, der Partei der Demokratischen Union (PYD), sagte, diese habe mit dem Anschlag nichts zu tun. Laut Saleh Muslim zielten die von der türkischen Regierung geäußerten Beschuldigungen klar darauf ab, in Syrien eine Intervention zu versuchen.
Regierung beschuldigt PKK und syrische Kurden-Miliz
Davutoglu hatte bereits kurz nach dem Attentat die PKK und den bewaffneten Arm der PYD, die "Volksverteidigungseinheiten" (YPG), für den Anschlag verantwortlich gemacht. Er sagte, ein 1992 in Syrien geborener YPG-Kämpfer habe das Massaker in der Hauptstadt mit Unterstützung der "separatistischen Terrororganisation" PKK verübt. Das Attentat zeige, dass auch die YPG eine "terroristische Gruppierung" sei. Die Türkei werde ihre Militäraktionen in Syrien gegen die YPG fortsetzen, kündigte Davutoglu an. Die Miliz der syrischen Kurden kämpft gegen die Extremisten des Islamischen Staates und wurde dabei auch von den USA unterstützt. Die Türkei befürchtet dadurch eine Stärkung der Kurden.
Nach Angaben der türkischen Regierung wurden nach dem Anschlag am Mittwochabend 14 Verdächtige festgenommen. Die Zahl werde aber voraussichtlich noch steigen, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag. Auch er betonte, dass PKK und PYD bzw. deren bewaffneter Arm YPG für den Anschlag verantwortlich seien: "Auch wenn diejenigen an der Spitze, sei es die PKK oder die PYD, sagen, dass diese Sache nichts mit ihnen zu tun hat, so hat sich durch Informationen und Belege, die unser Innenministerium und unsere Geheimdienste gesammelt haben, letztendlich ergeben, dass diese Sache ihnen zuzuschreiben ist."
Armee bombardiert PKK-Stellungen im Nordirak
Bereits in der Nacht auf Donnerstag hatte die Türkei damit begonnen, PKK-Stellungen im Nordirak zu bombardieren. Wie das Militär mitteilte, wurden Ziele in der Grenzregion Haftanin ins Visier genommen und bis zu 70 Kämpfer getötet. Ob die Luftschläge tatsächlich ein Vergeltungsangriff nach dem Attentat in Ankara waren, ist unklar, da die Armee auch sonst immer wieder Luftangriffe in dem Gebiet fliegt. Allerdings hatte Erdogan bereits kurz nach dem Anschlag neue Maßnahmen angekündigt: "Die Türkei wird nicht zögern, von ihrem Recht auf Selbstverteidigung jederzeit, überall und unter allen Umständen Gebrauch zu machen."
Video: 28 Tote bei Anschlag in Ankara
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