Belohnung ausgesetzt
Überwachungsvideo zeigt Mord an Boris Nemzow
Die Qualität des Überwachungsvideos ist zwar nicht besonders hoch, doch es ist zu sehen, wie der mutmaßliche Mörder Nemzows nach der Tat auf die Straße läuft, in ein Auto einsteigt und flüchtet. Weiters ist zu erkennen, wie die Begleiterin Nemzows zu dem Straßenkehrfahrzeug läuft. Kurze Zeit später hält ein Auto an, Menschen bleiben stehen. Etwa zehn Minuten danach trifft die Polizei ein.
Einen Ausschnitt des russischen Fernsehbeitrags können Sie im Video oben ansehen!
Der frühere Vizeregierungschef wurde nach Angaben der Ermittler von vier tödlichen Schüssen in den Rücken getroffen. Die Begleiterin des 55-Jährigen blieb unverletzt. "Diese Überwachungskamera hat das Verbrechen sekundengenau festgehalten", so der Sprecher im Videobeitrag. Die Polizei geht von einem Auftragsmord aus, von den Tätern fehlt weiterhin jede Spur.
Behörde warnt vor "Desinformation"
In Russland kursieren bereits mehrere Theorien zu den tödlichen Schüssen auf Nemzow. Die nationale Ermittlungsbehörde warnte angesichts einer Vielzahl von Fernsehberichten vor einer "Desinformation" der Öffentlichkeit. Ermittlungssprecher Wladimir Markin wies am Samstag einen TV-Bericht zurück, laut dem angeblich das Fluchtauto gefunden worden sei.
Drei Millionen Rubel Belohnung ausgesetzt
Die Ermittlungsbehörde hat am Sonntagnachmittag drei Millionen Rubel, das sind rund 43.000 Euro Belohnung für Hinweise auf den Täter ausgesetzt. "Wir sind zur Auszahlung bereit, wenn die Tipps zur Klärung dieser Tat führen", teilte das Innenministerium in Moskau mit. Mögliche Zeugen wurden aufgefordert, sich zu melden. Die Behörde garantierte Anonymität.
Nemzow gehörte zu den schärfsten Gegnern von Kremlchef Wladimir Putin. Er hatte den Präsidenten auch für den Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht. Putin selbst hatte den Mord als Provokation verurteilt. Er kündigte an, alles für die Aufklärung des Verbrechens zu tun. Auch internationale Spitzenpolitiker wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama und UN-Chef Ban Ki Moon forderten rasche und lückenlose Ermittlungen.
Russlands Opposition trauert
Die Ermordung des Kreml-Kritikers sorgt innerhalb der oppositionellen Bewegungen Russlands für Entsetzen. Am Tatort - in Sichtweite zum Kreml - legten am Samstagabend trauernde und weinende Menschen Blumen, Kerzen, Briefe und Heiligenbilder nieder. Eine geplante Großdemonstration gegen Putins Ukraine-Politik am Sonntag wurde in einen Trauermarsch umgewandelt.
Nach dieser Kundgebung in Moskau soll der Sarg mit dem Leichnam des Politikers im Sacharow-Menschenrechtszentrum aufgebahrt werden. Dort sollen die Menschen nach russisch-orthodoxem Brauch am Dienstag vom früheren Vizeregierungschef Abschied nehmen können. Anschließend ist die Beisetzung auf dem Prominentenfriedhof Trojekurowo geplant.
Russland wird vorgeworfen, die Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen und das Nachbarland damit zu destabilisieren, was Moskau bestreitet. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erklärte, Nemzow habe ihm vor zwei Wochen gesagt, Beweise für die russische Verstrickung in den Konflikt veröffentlichen zu wollen. "Jemand hatte deswegen Angst. Sie haben ihn umgebracht", so Poroschenko.
Wollte Nemzow Asyl in Litauen?
Für Aufsehen sorgte auch eine Äußerung des früheren litauischen Ministerpräsidenten Andrius Kubilius am Samstagabend. Seinen Angaben zufolge soll Nemzow erwogen haben, in Litauen Asyl zu beantragen. Er habe Nemzow bei einem privaten Gespräch am Rande eines Kongresses seiner konservativen Partei im Jahr 2012 Schutz versprochen, sagte Kubilius.
Nemzow habe damals damit gerechnet, nach den Massenprotesten gegen eine dritte Amtszeit von Präsident Wladimir Putin festgenommen und inhaftiert zu werden. "Er fragte, ob Litauen politisches Asyl gewähren würde. Ich sagte, ich hätte keine Zweifel daran, und bot ihm an, zu bleiben, aber letztlich lehnte er ab", sagte Kubilius. Die frühere Sowjetrepublik Litauen zählt innerhalb der EU und der NATO zu den größten Kritikern Russlands und plädiert für schärfere Sanktionen gegen Moskau im Ukraine-Konflikt.
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