Es sind erschütternde Aussagen, mit denen die Opfer aufrütteln. "Wir sind nichts. Wir haben keinen Wert", sei den Zöglingen von den Erziehern vermittelt worden. Eines dieser Kinder war Eva L. Sie berichtet: "Im Zimmer waren 20 Mädchen und mehrere Männer. Da ist jede drangekommen."
Die Sexattacken habe es in den schlimmsten Zeiten täglich gegeben, dann sei wieder ein, zwei Wochen Ruhe gewesen. An den Übergriffen sollen sich auch Erzieher beteiligt haben, die für die Buben zuständig waren. Der Wiener Jurist Öhlböck vertritt nun zwei Frauen, die in den 70er-Jahren in dem Heim der Stadt Wien für Kinder und Jugendliche untergebracht waren.
Die beiden waren zum Zeitpunkt ihrer Unterbringung sechs und acht Jahre alt. "Im Heim wurden sie systematisch und wiederholt seelisch und körperlich misshandelt und vergewaltigt. Sie waren kein Einzelfall", so Öhlböck zur "Krone". Der Jurist fordert nach dem Amtshaftungsgesetz von der Stadt Wien Schadenersatz und die Übernahme von Therapiekosten.
Öhlböck sagte, dass bisher ein geringer Beitrag anerkannt worden sei, "der dem Leid der Opfer nicht im Ansatz gerecht wird". Er will auch allfällige Täter belangen, "auch wenn sich das als schwierig erweist". Er fordere eine lückenlose Aufklärung und eine österreichweite Untersuchungskommission. In einer Pressekonferenz will Öhlböck am Dienstag näher Stellung nehmen.
Historiker sollen Missbrauchsvorwürfe prüfen
Die Stadt Wien will vorerst eine unabhängige Historikerkommission die Geschehnisse prüfen lassen. "Die Stadt ist um eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse in Wiener Städtischen Heimen bemüht", sagte der SPÖ-Gemeinderat Heinz Vettermann am Samstag laut einer Aussendung. Bereits im Herbst 2010 sei die Kommission zur Aufarbeitung von Gewalt in städtischen Kinderheimen unter der Leitung des Wiener Zeithistorikers Reinhard Sieder eingerichtet worden, diese soll auch die neuen Vorwürfe untersuchen.
Die Forschungsergebnisse werden laut der Stadtregierung im Frühjahr 2012 vorliegen. "Alle strafrelevanten Erkenntnisse, die zutage treten, werden umgehend an die Staatsanwaltschaft übermittelt, wie auch im konkreten Fall der beiden betroffen Frauen im Heim Wilhelminenberg", so Vettermann. Der Politiker und Vorsitzende des Vereins Wiener Jugendzentren spricht sich für Entschädigungszahlungen an die Opfer aus. "Es ist schwierig, das Erlittene in Zahlen umzumünzen, dennoch sind die finanziellen Zuwendungen ein Zeichen für die Anerkennung des Opferstatus."
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat unterdessen ebenfalls die lückenlose Aufklärung der Vorwürfe gefordert. "Hier muss alles aufgearbeitet werden - und zwar nicht nur die jetzt bekannt gewordenen Fälle, es müssen sämtliche Akten seit Bestehen des Kinderheims geöffnet werden", sagte Strache am Samstagabend. "Eine niederschwellige und objektive Kommission habe in diesem Fall die Ermittlungen zu leiten", so der FPÖ-Chef. Er verlangte zudem mehr Schmerzensgeld für Missbrauchsopfer.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.