Nur sieben Monate vor der auch bundespolitisch bedeutenden Wiener Wahl zeigten Routiniers der Wiener Sozialdemokratie, wozu sie fähig sind: Im Stil der Polit-TV-Serie "House of Cards" verhinderten rote Strategen eine sich bereits abzeichnende Niederlage bei der für Freitagnachmittag angesetzten Abstimmung über eine Änderung der Landtagsgeschäftsordnung für die strittige Wahlrechtsreform.
Sie landeten mit einem - moralisch nicht unumstrittenen - Coup Freitagfrüh noch einen klaren K.-o.-Sieg gegen den Koalitionspartner: Der grüne Abgeordnete Senol Akkilic - er fiel zuletzt auf, als er eine Gemeinderatsrede auf Türkisch hielt - wechselte zur SPÖ und sorgte so für einen Mandatsgleichstand mit der von den Grünen geschmiedeten Allianz mit ÖVP und FPÖ, eine Änderung der Geschäftsordnung wurde unmöglich.
Regierungspartner überrascht und blamiert
"Die wollten uns Roten eine reinwamsen. Und jetzt schauen aber sie deppert", kommentierte ein SPÖ-Stadtregierungsmitglied gegenüber der "Krone" den Politkrimi, der die grüne Parteispitze kräftig blamiert. Wiens Bürgermeister Michael Häupl zeigte sich nach diesem Coup sehr entspannt, er ist allerdings um Deeskalation bemüht: "Natürlich können wir mit den Grünen noch bis Oktober regieren, keine Frage. Und wir können uns auch wieder zu sinnvollen Gesprächen über das Wahlrecht zusammensetzen."
Zu den Protesten der Grünen sagt Häupl: "Die sollten lieber darüber nachdenken, warum ihnen die Leut davonrennen. Aber ich bin dafür, dieses Teil-Scharmützel sofort zu beenden." Dass das gelingt, ist eher unwahrscheinlich. Die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou kritisiert emotional: "Diese Aktion hat gezeigt, wie die SPÖ mit allen Mitteln ihre Macht verteidigt. Das war unterste Schublade."
Über ihren Ex-Parteifreund, den gebürtigen Kurden Senol Akkilic, sagt Vassilakou: "Er unterstützt jetzt die Privilegienritter und verhindert ein faires Wahlrecht."
Von der roten "Kommandoaktion" soll die grüne Parteiführung übrigens erst zu Beginn der SPÖ-Pressekonferenz um 8 Uhr früh erfahren haben.
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