Forscher überrascht

Auch Fruchtfliegen “denken”, bevor sie handeln

Wissenschaft
22.05.2014 10:04
Fruchtfliegen "denken" offenbar, bevor sie handeln. Je schwieriger eine Entscheidung ist, desto länger lassen sie sich dafür Zeit, wie der an der Universität Oxford tätige österreichische Neurowissenschafter Gero Miesenböck herausgefunden hat. Im Fachjournal "Science" berichtet er von einer "überraschenden geistigen Leistungsfähigkeit" der Insekten.

Für das Experiment trainierten Forscher um Miesenböck Fruchtfliegen, einen Duftstoff mit hoher Konzentration der Substanz "4-Methylcyclohexanol" (MCH) zu meiden. "Für uns riecht MCH ein wenig nach verschwitzten Socken. Wie die Fliegen den Geruch wahrnehmen, wissen wir natürlich nicht", sagte Miesenböck.

Die Fliegen kamen dann in eine kleine Kammer, an deren beiden Enden unterschiedlich hohe Konzentrationen von MCH eingeleitet wurden. War der Unterschied zwischen den beiden Seiten stark, also leicht unterscheidbar, entschieden sich die Insekten rasch und bewegten sich ohne Zögern zu der Seite, die weniger "stank".

"Überraschende geistige Leistungsfähigkeit"
War der Unterschied an den beiden Seiten dagegen gering und dadurch schwierig zu unterscheiden, brauchten die Fruchtfliegen viel länger für ihre Entscheidung. Offensichtlich wollten sie mehr Informationen sammeln, bevor sie ihre Wahl trafen. Dabei irrten sie sich auch öfters und wanderten zur Seite mit mehr MCH.

"Diese Freiheit des Handelns, die zum Sammeln weiterer Informationen genützt wird - im Gegensatz zu automatischen Impulsen -, galt bisher als Zeichen höherer Intelligenz, wie sie auch Menschen und Primaten zeigen", sagte Miesenböck, der 2007 als erster Nicht-Brite auf den renommierten Waynflete-Lehrstuhl für Physiologie der Universität Oxford berufen wurde. Die Experimente würden dagegen eine "überraschende und bisher unbekannte geistige Leistungsfähigkeit" der Fliegen zeigen.

Wichtiges Gen für Entscheidungsfindung entdeckt
In weiteren Untersuchungen zeigte sich, dass Fruchtfliegen mit Mutationen im Gen "FoxP" deutlich länger für ihre Entscheidungen brauchten. Die Wissenschafter konnten zeigen, dass dieses Gen in rund 200 Neuronen im etwa 200.000 Nervenzellen umfassenden Gehirn der Tiere aktiv ist. Daraus folgern sie, dass dieser neuronale Schaltkreis bei der Entscheidungsfindung eine wichtige Rolle spielt.

"Vor einer Entscheidung sammelt dieser Schaltkreis Informationen, so wie man Wasser in einem Kübel sammelt. Sobald eine bestimmte Menge an Infos vorliegt, fällt die Entscheidung", erklärte Shamik Dasgupta aus Miesenböcks Team. Wenn "FoxP" aber defekt ist, sei entweder der Informationsfluss in den Kübel reduziert oder der Kübel habe ein Loch.

Mensch hat vier verwandte Gene
Während die Fruchtfliege nur ein "FoxP"-Gen hat, gibt es beim Menschen vier verwandte Gene. Vom menschlichen "FoxP1" und "FoxP2" weiß man bereits, dass es in Verbindung mit der geistigen und sprachlichen Entwicklung steht, aber auch mit der Fähigkeit, komplexe Bewegungsabläufe zu lernen, etwa Klavierspielen. "Wir wissen nicht, warum diese Gene im Zusammenhang mit so unterschiedlichen geistigen Leistungen wie Sprache, Entscheidungsfindung oder dem Erwerben komplexer Bewegungen stehen", sagte Miesenböck, der aber eine Gemeinsamkeit ortet: All diese Phänomene erstrecken sich über längere Zeiträume.

Üblicherweise sind Neuronen sehr schnell, sie feuern im Millisekunden-Bereich. Dennoch erstrecke sich viel an Informationsverarbeitung im Gehirn über längere Zeiträume von Sekunden bis Minuten, eben etwa Sprache, Denken, Entscheidungsfindung oder komplexe Bewegungsabläufe, betonte der Neurowissenschafter. "FoxP könnte wichtig sein, neuronale Schaltkreise für solche zeitliche Aktivitätsmuster zu konfigurieren", sagte Miesenböck.

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