Dunkle Wolken ziehen auf über dem Porsche 911, der in seiner brandaktuellen Version das Ende der Zuffenhäuser Saugmotoren-Ära besiegelt. Aber es ist nur ein Gewitter am Himmel über Niederösterreich, als ich das Carrera-4S-Cabrio abhole. Mit dem stürmischen Wetterphänomen hat der Porsche aber immerhin eines gemeinsam: Es pfeift.
Damit ist auch bereits das einzige Manko des neuen Motors beschrieben (abgesehen vom Grundsätzlichen, Trotzig-Narzisstischen, dass nicht sein kann, was nicht sein darf). Blendet man das Säuseln der beiden Lader aus, bleibt echter Boxer-Sound. Und was die Leistungsentfaltung angeht, steht der Dreiliter-Biturbo-Sechszylinder in der Facelift-Karosserie einem Sauger in nichts nach - dabei haben wir noch gar nicht von der Leistungskur gesprochen, die uns dank 420 PS und 500 Nm die Akzeptanz der Zwangsbeatmung schmackhaft machen soll. Der Normverbrauch ist mit jetzt 8,0 l/100 km auch einen Liter besser.
Ein wichtiger Wert im Porsche 911 Carrera 4S Cabrio: 13 Sekunden. Das ist nicht nur fast die Spurtzeit von 0 auf 200 km/h, sondern die Zeit, in der sich das Verdeck mit seinen Magnesiumspriegeln elektrisch öffnen oder schließen lässt (bis 50 km/h). Der 200er-Sprint dauert mit Doppelkupplungsgetriebe und Launch Control nur 0,6 Sekunden länger (wenn man währenddessen nicht versucht, das Dach zu öffnen), Vmax liegt über 300 km/h. Davor passiert man nach 4,0 Sekunden den Hunderter. Mit dem jetzt elektrohydraulisch gesteuerten Allradantrieb haben die Carrera-4-911er erstmals sogar bessere Beschleunigungswerte als ihre hinterachsgetriebenen Brüder.
Auf Knopfdruck voller Alarm für 20 Sekunden
Gemächlich ist hier nichts. Cabrios werden in Sportfahrerkreisen gerne belächelt, weil "zu wenig ernsthaft", "unnötig schwer" und "nur was für Poser". Im Fall des Testwagens kann ich sagen: Zu wenig ernsthaft ist für die meisten ernsthaft genug (oder sogar zu ernsthaft), das Gewicht treibt mir mit 1580 kg keine Sorgenfalten auf die Stirn und ja, man kann sich schon sehen lassen im 911 Cabrio. Wenn es drauf ankommt, halt nicht lang, weil man ist auch sehr schnell wieder weg. Besonders wenn man den Hot Button drückt.
Der befindet sich am Lenkrad in der Mitte eines neu eingeführten Drehschalters und setzt einen 20-Sekunden-Countdown in Gang, der am Armaturenbrett herunterzählt. Für diese Zeit ist der Sport Response Mode aktiviert. Das PDK schaltet runter, der Motor heult auf, alles fühlt sich nach extrem gespannten Muskeln an und wenn man dann aufs Gas steigt, bricht der Orkan los. Sehr lustig zum Überholen.
Die ganze Verschärfungseinheit, die man bei Ferrari "Manettino" nennen würde, wurde vom Hybrid-Hypersportler Porsche 918 Spyder abgeleitet und ermöglicht das Wechseln zwischen den Fahrmodi "Normal", "Sport", "Sport Plus" und "Individual". Die Einstellmöglichkeiten umfassen sogar die aktiven Motorlager. Das Ganze ist Teil des Sport Chrono Paketes, das um 2500 Euro in der Preisliste steht.
Eine einfache, aber doch wesentliche Änderung hat Porsche bei der manuellen Steuerung des PDK (Porsche Doppelkupplungsgetriebe) gemacht und damit die eher unlogische Porsche-Eigenheit aufgegeben: Drückt man den Wählhebel in Fahrtrichtung, schaltet man jetzt herunter, beim Heranziehen schaltet man rauf. Beim GT3 war das schon bisher so. Das PDK wurde auch technisch überarbeitet. Unter anderem beherrscht es jetzt das Segeln, außerdem wurden mit einem Fliehkraftpendel seine Manieren verbessert. Die Start-Stopp-Einrichtung schaltet nun noch früher ab und wirft die Maschine praktisch fast verzögerungsfrei wieder an.
PDK-Funktion für technische Feinspitze
Bei ruhiger, konstanter Fahrweise werden sogenannte virtuelle Zwischengänge eingesetzt, um Drehzahl und Verbrauch zu senken, wenn der nächsthöhere Gang die untere Drehzahlgrenze des Motors unterschreiten würde. Dazu legt die Getriebesteuerung den höheren Gang ein, regelt die entsprechende Kupplung auf definierten Schlupf und überträgt so die Antriebskraft. Gibt der Fahrer Gas, schaltet das Doppelkupplungsgetriebe blitzschnell zurück in den passenden Gang. Da das PDK über Ölbad-Kupplungen verfügt, passiert das völlig verschleißfrei.
Feinarbeit allerorten
Porsche hat den 911er grundsätzlich leicht überarbeitet. Das jetzt serienmäßig adaptive Fahrwerk ist um 10 mm tiefergelegt, die Spreizung der Fahrmodi ist größer als zuvor. Auch die Lenkung wurde spürbar verbessert. Gegen Aufpreis ist nun auch die Hinterradlenkung erhältlich, die bislang dem Turbo und dem GT3 vorbehalten war.
Optisch ist das Facelift vor allem an der Beleuchtung zu erkennen. Vorne gibt es jetzt ein gewöhnungsbedürftiges Tagfahrlicht, das aus jeweils vier LEDs besteht, welche wie die 4 auf dem Würfel angeordnet sind. Hinten wirken die Heckleuchten jetzt besonders plastisch, das Leuchtenband unterstreicht das typische Format des Allrad-Elfers, dessen Heckpartie wie bisher 44 Millimeter breiter ist.
Noch ein Wort zum Innenraum. Die Knöpfchenflut ist geblieben, dennoch ist der 911er jetzt mit Touchscreen auf der Höhe der Zeit, samt Online-Navigation, Sprachbedienung, Apple Car Play sowie Wischen und Zoomen wie beim Smartphone. Zu den weiterhin vorhandenen Knöpfen gehört auch der für den Sound des Klappenauspuffs. Nicht elegant ist die Bedienung des (adaptiven) Tempomaten gelöst - man kann das Tempo mit den Tasten nur in 1-km/h-Schritten verändern. Und weil wir gerade beim Herummäkeln sind: Schade, dass das Ende der Verdecköffnung nicht akustisch vermeldet wird, so merkt man es erst, wenn die Seitenscheiben schon hochzufahren beginnen. Dafür ist aber das Windschott vorbildlich integriert.
Unterm Strich
Wer mit der Abschaffung der Sechszylinder-Saugboxer den Untergang des Abendlandes erwartet hat, dürfte angenehm enttäuscht werden. Nicht zuletzt weil Porsche eine ganze Menge Schmankerln in die neue Version des 911ers gepackt hat. Es ist noch immer ein höchst begehrenswerter Sportwagen, der Ums Eck pfeift, dass kein Auge trocken bleibt, und dessen Turbolader niemanden, der ihn eigentlich haben wollen würde, vom Kauf abhalten sollten. Warum? Weil der neue Elfer besser ist als sein Vorgänger.
Warum?
Warum nicht?
Oder vielleicht …
… Jaguar F-Type Cabrio, Mercedes SL, auch der Audi R8 Spyder
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