Hasspostings & Co.

Drohungen, Sexismus: Wie brutal ist die Politik?

Österreich
22.05.2017 05:52

Hasspostings, Drohungen, Sexismus und der Social-Media-Pranger: Treten Politiker zurück, klagen sie über Bösartigkeiten. Ist es so schlimm?

Wenn zwei so unterschiedliche Personen das Gleiche sagen, können sie kaum irren. Reinhold Mitterlehner und Eva Glawischnig. ÖVP, Grüne. Vizekanzler, Bundessprecherin. Mann, Frau. Zwei Abschiedsreden mit einer Botschaft: Die Politik zermürbt, es gibt Querschüsse (sagt Mitterlehner) und sexistische Machos (sagt Glawischnig). Zum Selbstschutz und zum Schutz der Familie (sagen beide) müssen Konsequenzen gezogen werden, die Politik müsse fortan eben ohne sie leben.

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Hasspostings, Drohungen, Sexismus, Shitstorms
Das Echo war enorm. Auch Wiener Politiker (Birgit Hebein von den Grünen etwa) beklagen die Brutalität in der Branche. Hasspostings, Drohungen, Sexismus, Shitstorms, der Social-Media-Pranger. Das Bild, das sich ergibt vom Politiker von heute, ist ein trauriges: ein vom Steuerzahler finanzierter Watschenbaum, auf den so lange eingeprügelt wird, bis eine geschundene Persönlichkeit übrig bleibt.

(Bild: APA/Robert Jäger)

"Es ist nicht brutaler geworden, nur sichtbarer"
Aber ist es wirklich so schlimm? "Ich würde es anders formulieren, seit dem Web 2.0 hat sich die Kommunikation verändert. Früher hat es zwei Player gegeben, nämlich Politiker und Medien. Und plötzlich ist ein dritter Player hinzugekommen", erklärt Meinungsforscher Peter Hajek. Es ist der Wähler. Wo er früher böse Briefe schrieb und alle paar Jahre ein Kreuzerl machte, kann er jetzt dem Bundeskanzler auf Twitter direkt eine Frage stellen. Oder über ihn schimpfen. Hajeks Fazit: "Es ist nicht brutaler geworden, nur sichtbarer." Wurde damals - übrigens nicht weniger aggressiv - auf dem Stammtisch getobt, ist es heute das Internet.

Ein bisschen aber kommt es auch auf den Politiker selbst an. Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) zum Beispiel. Bei der Medienkommunikation war er sehr strikt. Als Social-Media-Opfer würde er sich auch heute nicht darstellen lassen.

"Da gibt es eine Schicht, da brodelt es gehörig"
Aber wo Internet draufsteht, ist auch Bösartigkeit drin. Hajek als Meinungsforscher bemerkt es bei seiner alltäglichen Arbeit. Auf die Frage "Wenn ich in diesem Land etwas zu reden hätte, würde ich ...", antworten einige wenige bei Onlineumfragen mit dem grauenhaften Satz: "... Rot, Schwarz oder Grün ins Konzentrationslager schicken". Bei persönlichen Befragungen sagt das keiner. Hajek: "Da gibt es eine gewisse Schicht, da brodelt es ganz gehörig."

(Bild: thinkstockphotos.de)

"Das ist zwar auch nicht charmant, aber mächtig"
Für Eva Zeglovits vom Meinungsforschungsinstitut IFES hat sich eines stark verändert: die Tonalität, vor allem in den sozialen Medien: "Kritik geht unverblümt, aggressiv und ungefiltert an die Adressaten", erklärt sie. Und: "Kritik an Frauen ist sehr sexualisiert." Das sieht auch Hajek so, noch immer hätten es Politikerinnen schwerer: "Viele haben mit einem unfassbaren Gegenwind zu kämpfen", erklärt er. Die Frau wird abgewertet, während ein Sebastian Kurz von der ÖVP mit einem Diktator verglichen wird. Das ist zwar auch nicht charmant, aber mächtig. Sein Fazit: "Eine Frau bekommt selten eine mächtige Zuschreibung."

Michael Pommer, Kronen Zeitung

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