Interview zum 50er

Kult-Goalie Knaller: ‘Könnte noch immer im Team spielen’

Fußball
06.10.2011 15:51
Wolfang Knaller feiert am 9. Oktober seinen 50. Geburtstag. Zu seinem "Runden" erklärt der Kult-Goalie im großen krone.at-Interview, warum er immer noch im Nationalteam spielen könnte, wieso er von Josef Hickersberger enttäuscht ist und warum Paul Gludovatz für ihn nur noch "Gludowitz" heißt. Und: Was es mit den Gerüchten auf sich hat, wonach er es in seiner langen Karriere auch beim Feiern auf so manche Einsatzminute gebracht hat.

krone.at: Wie geht's dir mit fast 50 Jahren, Wolfgang? Was tut dir in der Früh alles weh, wenn du aufstehst?
Wolfgang Knaller: Mir tut Gott sei Dank nichts weh. Ich fühle mich noch immer wie mit 30. Ich glaube, ich könnte noch locker spielen.

krone.at: Auch in der Bundesliga?
Knaller: Bei der momentanen Konkurrenz hätte ich sogar als Teamtorhüter große Chancen. Ich könnte noch immer im Team spielen.

krone.at: Und das, obwohl man dir nachsagt, dass du auch gerne einmal das eine oder andere Bier trinkst. Was hat es denn mit diesen Gerüchten auf sich?
Knaller: Man ist ja auch nur ein Mensch. Man muss als Fußballer nach dem Spiel auch einmal Druck ablassen. Und es spricht nichts dagegen, dass man mit seinen Kollegen einmal ein Bier trinken geht. Trotzdem: Würde alles stimmen, was da erzählt wird, könnte ich mit 50 Jahren nicht so dasitzen und fit sein. Ich habe als Sportler ja eine Verantwortung meinen Kollegen, dem Verein und den Fans gegenüber und stehe in der Öffentlichkeit. Ich bin während meiner ganzen Karriere, und die war sehr lange, drei Tage vor dem Match nicht einmal in ein Kaffeehaus gegangen!

krone.at: Ganz stimmt das, wie du mir einmal erzählt hast, nicht. Ich denke an das Länderspiel Österreich gegen Tschechien 1996 in Salzburg. Was fällt dir dazu ein?
Knaller (lacht): Das sind eigentlich Insider-Informationen. Grundsätzlich bin ich drei Tage vor dem Spiel auch niemals irgendwo hin gegangen und das stimmt auch so. Aber bei diesem einen Mal war ich auf Abruf im Nationalteam, also nicht direkt im Team-Kader. Wir hatten bei der Admira damals mannschaftsinterne Probleme, die wir bei einem sogenannten Teambuilding am Abend vor dem Länderspiel beseitigen wollten. Wir sind – auch vom Trainer gefördert – ausgegangen. Das Teambuilding hat halt ein bisschen länger gedauert, was der Admira-Trainer natürlich an unseren Gesichtern gesehen hat. Und so hat er uns eineinhalb Stunden lang mit Diagonalläufen "belohnt" – das war dann am Tag des Länderspiels. Nach dem Training waren wir natürlich alle kaputt. Dann wollten wir uns nur noch aufs Ohr hauen. Nur bei mir hat's das leider nicht gespielt. Ich habe nämlich einen Anruf vom Teamchef-Assistenten erhalten, der mir erklärt hat, dass ich nach Salzburg fahren muss, weil beim Nationalteam ein Torhüter ausgefallen ist. In Salzburg angekommen, sagt der Herbert Prohaska zu mir: "Wolfi, bist eh fit?" Daraufhin ich: "Trainer, natürlich immer." Und der Prohaska: "Damit du nicht umsonst hergefahren bist, spielst du die zweite Halbzeit." Da ist mir dann schon das Ladl innerlich runtergefallen. Nur durfte ich das nicht zeigen. Aber das konnte ich immer, im richtigen Moment den Hebel umlegen und auch in Stresssituationen meine besten Leistungen abrufen, wie auch in diesem Spiel. Ich hatte viele gute Aktion und habe trotz nicht optimaler Umstände ein sehr gutes Spiel gemacht.

krone.at: Und du hast von der Kronen Zeitung damals welche Benotung erhalten?
Knaller: Das war ein recht lustiges Match. Der Andi Herzog hat in der 85. Minute das 1:0 gemacht und in der zweiten Halbzeit habe ich sehr viel zu tun gehabt. Als das Match aus war, ist mir natürlich viel Last von den Schultern gefallen. Das war das einzige Mal in meiner Teamkarriere, dass ich die Note "Weltklasse" bekommen habe.

krone.at: Im Nationalteam hast du mit Konsel, Wohlfahrt, Konrad etc. aber oft auch sehr große, vielleicht sogar übermächtige Konkurrenz gehabt. Stört es dich heute noch, dass sich in deinem Lebenslauf nur vier Länderspieleinsätze wiederfinden?
Knaller: Ich habe ja viele Einberufungen gehabt, bin bei der WM '98 in Frankreich auch dabei gewesen. Das mit den übermächtigen Gegnern lasse ich nicht gelten. Ich war nämlich sicher nicht schlechter als Konsel oder Wohlfahrt, wenngleich ich mir nie anmaßen würde zu sagen, dass ich der Jahrhundert-Torhüter bin, wie es andere behaupten. Ich glaube aber, dass wir drei über einen längeren Zeitraum die stärksten Goalies nach Friedl Koncilia waren. Ich würde sogar meinen, dass ich bei der WM '90 die Nummer eins gewesen bin. Aber leider habe ich da bei der Admira gespielt und es war relativ schwierig, von der "grauen Maus" den Sprung ins Team zu schaffen. Und zwar nicht weil Konsel und Wohlfahrt besser waren, sondern weil es von der Austria und von Rapid aus sicher leichter war, es ins Team zu schaffen. Teamchef Hickersberger, den ich als Trainer sehr schätze, aber charakterlich ganz und gar nicht, hat mir vor der WM '90 wörtlich ins Gesicht gesagt: "Du hättest es verdient zu spielen, aber ich kann es gegenüber den Medien nicht rechtfertigen." Das hat mich damals sehr schockiert und ich habe es seit 1990 auch nicht mehr vergessen. Er ist für mich ein guter Fachmann, aber charakterlich war es mir und meiner Arbeit gegenüber nicht fair.

krone.at: Von einer Konstellation mit Konsel, Wohlfahrt und Knaller in erster Linie können wir heute nur träumen.
Knaller: Nicht nur diese drei. Es gab ja auch noch Lindenberger, Schicklgruber oder den Otto Konrad. Das waren alles Torhüter auf einem ganz anderen Level wie die, die wir heute haben. Vielleicht werden mir jetzt ein paar böse sein. Aber ein Gratzei oder ein Grünwald, die ohne Frage gute Bundesliga-Torhüter sind, wären zu meiner Zeit nicht unter den besten fünf oder sechs Torhütern in Österreich gewesen. Es fehlt leider, das haben auch die letzten Länderspiele gezeigt, die internationale Klasse unserer Torhüter, die oft auch entscheidend für eine WM-Qualifikation war.

krone.at: Wie stehen denn die Chancen, dass dein Sohn Marco, der derzeit in Kaiserslautern engagiert ist, in absehbarer Zeit die Nummer eins im Team ist?
Knaller: Wenn er jetzt in Österreich wäre, hätte er wohl gute Chancen auf einen Platz im Nationalteam. Es ist ja immer schwierig, wenn der Vater über den eigenen Sohn spricht. Trotzdem: Er hat in Österreich leider keine Chance erhalten. Im U20-Team hat er damals bei Trainer Paul Gludovatz keine Chance erhalten. Seither heißt er für mich nur mehr "Gludowitz". Sicher, zu den Erfolgen, die er mit der Mannschaft gehabt hat, muss man ihm gratulieren. Aber da ist schon ein bitterer Beigeschmack für mich dabei: Er hat einem jungen Sportler sehr übel mitgespielt.

Er hat den Marco in dieser Zeit für das U20-Team nicht einmal berücksichtigt. Trotzdem hat der Marco den Weg an seinen gleichaltrigen Kollegen vorbei in das höher gestellte U21-Team als Nummer eins geschafft. Aus welchen Gründen auch immer wurde der Marco dann doch zum letzten Test vor der U20-WM einberufen! Nach dem Spiel sagte Paul Gludovatz zu meinem Sohn: "Ich weiß, dass du in einem Konkurrenzkampf gegen die anderen drei Torhüter wahrscheinlich als Sieger hervorgehen würdest, aber das sind eben meine drei und das musst du akzeptieren. Bist du trotzdem bereit, als Abrufspieler bereitzustehen?" Marco sagte: "Ja, ich hab' ja eh keine andere Wahl." Am nächsten Tag gab es dann einen Zeitungsbericht über zwei Seiten mit großer Schlagzeile: "Marco Knaller ist sich zu schade, als Nummer drei zur U20-WM mitzufahren." Sogar Diego Maradona ist durch die U20-WM groß herausgekommen.

Ich weiß nicht, was während der Kader-Bekanntgabe bei der Pressekonferenz passiert ist, vielleicht hat auch jemand nur angesprochen, wie es sein kann, dass Marco Knaller, der im höher gestellten U21-Team Nummer eins ist, alle Spiele der Ersten Liga in dieser Saison gespielt hat, nicht unter den besten drei bei dem U20-Team sein kann, da er ja der gleiche Jahrgang ist und zwei Torhüter davon nur in der Regionalliga gespielt haben. Paul Gludowatz hatte nicht den Charakter und ist zu seiner Entscheidung gestanden, er hat vor allem meinem Sohn, aber auch mir den schwarzen Peter zugeschoben und meinem Sohn dadurch übel mitgespielt. Und deshalb heißt dieser Herr bei uns nur mehr Herr "Gludowitz"!

krone.at: Sprechen wir noch Wie schwierig war der Sprung für dich als damals 22-Jähriger von der zweithöchsten in die höchste Spielklasse?
Knaller: Ich hab' ja schon mit 16 Jahren in der Landesliga beim SV Feldkirchen gespielt – das war damals die dritthöchste Spielklasse und mein Stammverein. So ist es dann Schritt für Schritt nach oben gegangen, über SV Spittal zweite Bundesliga und nach zwei Jahren dann der Aufstieg in die erste Bundesliga. 1987 dann der Wechsel zu Admira Wacker, wo ich meine erfolgreichste und schönste Zeit erleben durfte. 1996 war es dann so weit: Man wird meistens nicht erst als Erwachsener Fan von einer Mannschaft - als Kind bzw. Jugendlicher konnte ich die Europacuperfolge von Austria Wien miterleben, was mich auch zu einem Austria-Fan machte, vor allem auch nachdem ich als 17-Jähriger von Rapid bei meinem Probetraining nicht genommen wurde. Ich habe mich dann während meiner Karriere in sehr vielen guten Spielen gegen Rapid dafür auch bedankt (lacht).

krone.at: Bei der Admira hast du mit vielen guten Spielern wie Rodax, Kühbauer oder Marschall zusammengespielt. Wer waren für dich die besten Mitspieler?
Knaller: Bei der Admira war es wirklich eine wunderschöne Zeit. Dort war eine Mannschaft am Werk, die nicht nur auf dem Feld, sondern auch außerhalb aus lauter Freunden bestanden hat. So einen Stamm sieht man heute bei vielen Mannschaften gar nicht mehr. Dieser Stamm von guten, routinierten Spielern hat auch vielen jungen Spielern geholfen. Aber natürlich haben ein Olaf Marschall, Ivica Vastic, Roger Ljung, Vladimir Jugovic, Genadi Litowtschenko usw. herausgeragt.

krone.at: Die Admira erlebt derzeit einen echten Höhenflug. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt dein Ex-Kollege Didi Kühbauer. Wie sehr erkennst du in der aktuellen Admira-Mannschaft den Didi wieder?
Knaller: Der Didi ist als 16-Jähriger in die Mannschaft gekommen. Er hat zum ersten Mal am Tivoli gespielt. Ich hab' nachher nie wieder einen 16-Jährigen gesehen, der auf den Platz gekommen ist und sein Spiel gespielt hat, als ob er immer schon gespielt hätte. Da hat man sofort seine Qualitäten gesehen. Natürlich ist der Didi auch gereift, auch wenn er seine Emotionen nicht ganz in den Griff gekriegt hat. Ich kann mich an ein Europacup-Spiel in Bologna erinnern, wo der Didi reingekommen ist, keinen Ball berührt hat und dann mit Rot wieder vom Platz geflogen ist. Aber natürlich ist er emotional und kann eine Mannschaft pushen. Und die Ergebnisse sprechen für ihn. Also irgendwas muss er haben, denn von Glück kann man bei diesen Ergebnissen nicht mehr sprechen. Er muss schon ein großes Potenzial als Trainer haben. Ich gratuliere ihm dazu und hoffe, dass es so weiter geht, weil die Admira für mich als Jahrhunderttormann des Vereins eine Herzensangelegenheit ist.

krone.at: Ein anderer Ex-Verein von dir, die Wiener Austria, liegt derzeit in der Bundesliga-Tabelle auf Platz 2. Würdest du eher der Admira oder der Austria den Meistertitel gönnen?
Knaller: Gönnen würde ich's beiden. Wenn's die Admira schaffen würde, wär's schon ein sensationelles Ereignis. Ich bin halt schon in den 60er-Jahren ein Fan von der Austria geworden und habe immer davon geträumt, dort zu spielen. Meine schönste Zeit habe ich trotzdem bei der Admira erlebt, wenngleich ich sehr froh war, dann doch noch bei der Austria meinen Kindheitstraum ausleben zu dürfen.

krone.at: Du bist jetzt Torwart-Trainer bei der Vienna. Eine Aufgabe, die Spaß macht?
Knaller: Absolut. Ich arbeite gerne mit jungen Leuten zusammen. Ich behandle jeden Torhüter fast wie meinen eigenen Sohn. Egal, wo ich war, ich habe bei jedem Verein immer alles mit vollsten Einsatz gegeben, genauso wie auch zurzeit bei der Vienna, obwohl meine Ziele in höheren Gefilden liegen, da ich sehr viel Erfahrungen in höchster Ebene weitergeben möchte. Ich weiß nicht, ob es einen Spieler in Österreich gibt, der mit erster und zweiter Bundesliga zusammen mehr Spiele als ich zusammen gebracht hat. Wenn es in Österreich nicht mehr klappt, dann werde ich auf alle Fälle den Weg ins Ausland suchen, wo man meine Erfahrungen und Fähigkeiten vielleicht mehr zu schätzen weiß.

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(Bild: KMM)



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