Große Koalition neu

Das ist die neue Bundesregierung

Österreich
25.11.2008 18:17
Die neue Bundesregierung steht! Am Tag nach der offiziellen Koalitionsvereinbarung haben SPÖ und ÖVP ihre Regierungsteams bekannt gegeben. Für die Überraschung des Tages sorgte die Volkspartei: Sie hat sich die aus dem BAWAG-Prozess österreichweit bekannte Richterin Claudia Bandion-Ortner als unabhängige Quereinsteigerin geholt. Die 41-Jährige wird das Justizressort übernehmen. ÖVP-Chef Josef Pröll gab weiters bekannt, dass er neben dem Vizekanzler auch Finanzminister sein wird. Außenminister wird der jetzige Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger. Bei der SPÖ bleibt es bei der inhaltlich bereits bekannten Aufstellung. Bundespräsident Heinz Fischer wird die Regierung schon am Dienstag nächster Woche angeloben.

Die künftige Bundesregierung umfasst insgesamt 18 Mitglieder - um zwei weniger als in der vorigen Koalition. Es gibt immerhin acht neue Minister bzw. Staatssekretäre. 

Das Team von Faymann
Die Liste der SPÖ bleibt so, wie bereits in den letzten Tagen durchgesickert: Werner Faymann wird Bundeskanzler, Doris Bures Infrastrukturministerin, der Chef der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse Alois Stöger wird Gesundheitsminister, die Niederösterreicherin Gabriele Heinisch-Hosek Frauenministerin, Claudia Schmied bleibt Unterrichtsministerin und Norbert Darabos Verteidigungsminister. Ein neues Aufgabengebiet bekommt Staatssekretär Andreas Schieder im Finanzministerium, die Beamten-Agenden wandern ins Frauenministerium. Staatssekretär im Kanzleramt wird Faymanns bisheriger Kabinettschef Josef Ostermayer. Noch-ÖGB-Präsident Hundstorfer wird zukünftig als Sozialminister auf der Regierungsbank sitzen, seinen Gewerkschaftsvorsitz wird Metaller-Chef Erich Foglar (siehe Infobox) übernehmen.

Aus der Regierung verabschieden sich somit auf SPÖ-Seite Sozialminister Erwin Buchinger, Justizministerin Maria Berger, Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter, Infrastruktur-Staatssekretärin Christa Kranzl und - last but not least - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Da Bures wieder in der Regierung vertreten ist, muss auch die Bundesgeschäftsführung neu besetzt werden. Für diese Aufgabe sind die Abgeordneten Laura Rudas und Günther Kräuter vorgesehen. Klubobmann bleibt Josef Cap.

Das Team von Pröll
Ebenso wie bei der SPÖ stammt bei der ÖVP mit insgesamt fünf bekannten Köpfen die Mehrheit der Akteure aus der alten Regierung. Johannes Hahn bleibt Wissenschaftsminister, Maria Fekter im Innenressort. Auch die beiden Staatsekretäre Lopatka und Marek bleiben. Ersterer wird künftig Staatssekretär im Finanzministerium sein, Marek bleibt dem Wirtschaftsministerium unterstellt. Josef Pröll wird in der neuen Koalition Vizekanzler und Finanzminister sein. 

Als Außenminister wird der jetzige Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger in die neue Große Koalition gehen. Er hat Erfahrungen als außenpolitischer Sprecher der ÖVP, außerdem genießt er Rückendeckung aus der VP Niederösterreich. Zusätzlich könnte sein Wechsel auf die Regierungsbank eine angenehme Lösung für das "Molterer-Problem" sein. Der scheidende Vizekanzler und Finanzminister könnte Spindelegger in das Präsidialamt folgen und würde dann nicht ganz so "abgesägt" wirken. Ambitionen auf das Amt hätte aber auch Beamten-Gewerkschafter Fritz Neugebauer.

Ins Umwelt- bzw. Landwirtschaftsministerium, das Pröll derzeit betreut, wird für die ÖVP der burgenländische Landesrat Niki Berlakovich einziehen. Im Wirtschaftsministerium werkt in der neuen Regierung der bisherige Wirtschaftskammer-Vizegeneralsekretär Reinhold Mitterlehner, der damit Martin Bartensteins rekordverdächtig lange Ministerlaufbahn beendet. Der Coup der ÖVP ist aber die Bestellung von BAWAG-Richterin Claudia Bandion-Ortner, die als "erste unabhängige Justizministerin" parteifrei der Bundesregierung angehören wird.

Das Regierungs-Aus bekommen bei der ÖVP somit Noch-Vizekanzler Wilhelm Molterer, Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, Außenministerin Ursula Plassnik, deren Staatssekretär Hans Winkler sowie Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky.

ÖVP-Überraschung Bandion-Ortner - "fair mit Schmäh"
Von ihrer neuen Quereinsteigerin könnte die ÖVP nicht nur Image-mäßig profitieren: Die 41-jährige Bandion-Ortner ist seit dem BAWAG-Prozess österreichweit bekannt und durchwegs auch beliebt. Bei Gericht gilt sie als "faire Verhandlungsleiterin mit Schmäh". Die in Tamsweg (Salzburg) aufgewachsene Tochter eines Richters, die in Graz studierte und nun bei Wien wohnt, gilt als eine "fixe Größe" im Wiener Straflandesgericht, wo sie seit 14 Jahren tätig ist. Sie ist der Spezialabteilung für Wirtschaftsstrafsachen zugeteilt. Bandion-Ortner hat jahrelange Erfahrung mit komplexen Fällen von Wirtschaftskriminalität – in Anbetracht der Finanzkrise ist das wohl keine schlechte Eigenschaft...

Abseits des Verhandlungssaals ist Bandion-Ortner ein gern, wenn auch zuletzt selten gesehener Gast in der Seitenblicke-Gesellschaft. Dass ihr ein Society-Reporter vor einigen Jahren das Attribut "Blitzauge" verliehen hat, ist nach wie vor ein Running Gag im Straflandesgericht. Ungewöhnlicherweise fand sogar die Hochzeit der Strafrichterin medialen Niederschlag: Um ihre Verbundenheit mit ihrem Beruf und ihrem Arbeitsplatz auszudrücken, ließ sie sich vor fünf Jahren im Großen Schwurgerichtssaal standesamtlich trauen. Auf den Einladungen war deutlich ihr Humor abzulesen: Die Gäste wurden darauf zur "Urteilsverkündung" gebeten.

Bandion-Ortner wird laut ÖVP-Obmann Josef Pröll als unabhängige Justizministerin fungieren, also ausdrücklich nicht als ÖVP-Parteimitglied. Sie selbst kündigte eine "korrekte" Übergabe ihres Richteramtes an. Das habe man im Präsidium des Straflandesgerichtes bereits besprochen. Die schriftliche Ausfertigung des Urteils im von ihr geleiteten BAWAG-Prozess werde sie vor ihrer Angelobung noch selbst fertigstellen, betonte Bandion-Ortner. "Ich habe daher diese Woche noch harte Arbeit vor mir." 

Dass der Oberste Gerichtshof, vor dem die Berufung im BAWAG-Prozess verhandelt wird, ihren anschließenden Wechsel in die Regierung als Grund zur Aufhebung des Urteils heranziehen könnte, befürchtet Bandion-Ortner nicht, weil eine Justizministerin ja nicht in die unabhängige Justiz eingreifen könne. Zu ihrer Motivation, in die Regierung zu wechseln, sagte die Richterin, ihr gehe es um eine funktionierende, unabhängige Justiz: "Da muss man etwas dafür tun." Pröll lobte Bandion-Ortner als eine Richterin, die auch unter größtem Druck ihre Unabhängigkeit bewahrt habe.

Berlakovich erst am Sonntag bestellt
Claudia Bandion-Ortner und Michael Spindelegger haben sich nach ihrer Präsentation wortkarg gegeben. "Ich sag' momentan gar nichts", flüchtete die angehende Justizministerin nach dem ÖVP-Parteivorstand vor den Journalisten. Sie will sich erst nach der Angelobung äußern. Auch Spindelegger, künftiger Außenminister, verwies auf den Termin bei Bundespräsident Heinz Fischer und ging ohne Kommentar. Auskunftsfreudiger war hingegen der neue Staatssekretär im Finanzministerium, Reinhold Lopatka. Er verteidigte die Große Koalition als richtigen Weg: "Würde ich das nicht so sehen, wäre ich fehl am Platz als Staatssekretär." Gegenstimmen beim Bundesparteivorstand aus der Steiermark und Kärnten sieht er "nicht so dramatisch". Das habe es auch beim letzten Mal gegeben. 

"Es ist sehr ehrenvoll, gefragt zu werden", freute sich der neue Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich über seine Nominierung. Er weiß erst seit Sonntag, dass er nominiert wurde. ÖVP-Chef Josef Pröll sei selbst an ihn herangetreten. Auch Berlakovich verteidigte das Regierungsabkommen: "Das ist ein sehr solides Papier."

Reinhold Mitterlehner, der als Wirtschaftsminister vorgeschlagen wurde, verteidigte hingegen die Sozialpartnerschaft im Zusammenhang mit seinem neuen Gegenüber im Sozialministerium, ÖGB-Präsident Rudolf Hundsdorfer. "Sie hat sich als sehr gute Form der Zusammenarbeit herauskristallisiert." Die bewährten Mechanismen müsse man im Wirtschaftsministerium nun so nutzen, dass die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise bewältigt werden könne. Seinen Stil beschrieb Mitterlehner als "team- und basisorientiert", ihm gehe es auch um die Einbindung der Betroffenen. Schwierigste Aufgabe im Wirtschaftsministerium werde es sein, Anreize so zu setzen, dass man die Nachfrage unterstützt.

Klubobmann, NR-Präsident, Generalsekretär nächste Woche
"Ich bin froh und glücklich, derart kompetente Menschen an meiner Seite zu haben", sagte Pröll. Seinen Angaben zufolge wurde das Regierungsteam im Parteivorstand einstimmig beschlossen, bei der Abstimmung über den Koalitionspakt mit der SPÖ gab es 29 Pro- und drei Kontrastimmen. Laut dem steirischen Landesparteichef Hermann Schützenhofer haben bei der Sitzung er selbst, der Kärntner Landsobmann Josef Martinz sowie der scheiigung in einer Neuauflage der Großen Koalition abstimmen lassen. Er werde sich als Parteiobmann gemeinsam mit seinem Team und dem Regierungsübereinkommen der Abstimmung stellen, kündigte Pröll an. "Das Eine ist ohne das Andere nicht zu haben", sagte Pröll. Ebenfalls noch vor dem Parteitag will Pröll bekanntgeben, wer neuer ÖVP-Generalsekretär werden wird. Als mögliche Nachfolgerin für den Steirer Hannes Missethon galt zuletzt die Niederösterreicherin Johanna Mikl-Leitner. Bereits am Dienstag wird voraussichtlich der neue ÖVP-Klubobmann gewählt. Hier gilt Wirtschaftsbund-Obmann Karlheinz Kopf als Fixstarter. Noch offen sei, wer Spindelegger nachfolgen wird. Diese Entscheidung werde noch diese Woche zu treffen sein, sagte Pröll.

Die Aufteilung: SPÖ erhielt Gesundheit, Justiz wanderte zu ÖVP

  • Die SPÖ hält in der Neuauflage der Großen Koalition folgende Ressorts: das Kanzleramt, das Frauenministerium, das Gesundheitsministerium, das um die Arbeitsagenden erweiterte Sozialministerium, das weiterhin mit den Forschungsagenden betraute Verkehrsministerium, das Unterrichtsministerium, das um die Sportagenden erweiterte Verteidigungsministerium sowie einen Staatssekretär im Kanzleramt und einen im Finanzministerium. 
  • Die ÖVP erhält das Finanz-Außen- und Innenministerium sowie das um den Familienbereich erweiterte Wirtschafts- und das Wissenschaftsministerium, sowie die Ressorts für Justiz und Landwirtschaft und je einen Staatssekretär im Finanz- und im Wirtschaftsministerium. 

Neue Regierung wird am 2. Dezember angelobt
Bundespräsident Heinz Fischer wird die neue Bundesregierung am Dienstag nächste Woche (2. Dezember, voraussichtlich um 9.30 Uhr) angeloben. Das gab er am Montagabend nach einem Treffen mit SPÖ-Chef Werner Faymann bekannt. Fischer verlieh dabei auch seiner "Genugtuung und Freude" über die erfolgreiche Regierungsbildung Ausdruck. Am Mittwoch wird Faymann im Nationalrat seine Regierungserklärung abgeben.

Der Angelobungstermin sei auch mit ÖVP-Obmann Josef Pröll vorbereitet und abgesprochen worden, betonte Fischer. Eine handlungsfähige und stabile Regierung müsse im Interesse des Landes rasch ihre Arbeit aufnehmen. Er wünschte Faymann "viel Erfolg" und zollte ihm zugleich "Respekt" für das Zustandekommen der Regierung. Faymann bedankte sich im Gegenzug für die "gute Zusammenarbeit": "Ich habe dich als Bundespräsidenten in diesem Prozess immer als Unterstützung empfunden."

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