Morde in Moskau
EU zweifelt an Rechtsstaat in Russland
Der Menschenrechtsexperte der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Dick Marty, rief die russische Regierung auf, die Bluttaten völlig aufzuklären. Damit müsse Moskau "ein starkes Signal gegen die Straflosigkeit und Banalisierung dieser kriminellen Taten und für die Errichtung des Rechtsstaates" setzen. Die Morde an Markelow und der ihn begleitenden jungen Journalistin Anastassija Baburowa zeigten, wie gefährlich das Vorgehen gegen Verletzungen der Menschenrechte immer noch sei.
Konnex zwischen Morden in Moskau und Wien?
Davis schließt einen Zusammenhang zwischen dem Mord an Markelow und den tödlichen Schüssen auf Umar Israilov in Wien nicht aus. Auch Israilov hatte vor zwei Jahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde gegen Russland eingelegt.
Tödliche Schüsse vor Dutzenden Zeugen
Markelow ist am Montag von einem Unbekannten auf offener Straße im Zentrum Moskaus erschossen worden. Baburowa, die für die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" arbeitete und Markelow begleitet hatte, hatte noch versucht, nach dem Anschlag auf Markelow dem Täter zu folgen, und war daraufhin niedergeschossen worden. Dutzende Passanten wurden Zeugen der beiden Bluttaten.
Am Tag nach der Bluttat brachten viele Moskauer Blumen und Kerzen zum Tatort in der Pretschistenka-Straße. Nach Angaben der Ermittlungsbehörden gab es zunächst keine heiße Spur des Mörders. Die Polizei wertete die Aufnahmen von Überwachungskameras vom Tatort aus. Markelow hatte unter anderem die ermordete Reporterin Politkowskaja vertreten und wollte gegen die vorzeitige Freilassung eines Oberst vorgehen, der wegen Mordes an einer Tschetschenin in Haft saß.
Markelow wollte Freilassung von Oberst verhindern
Markelow gab nach Angaben der Staatsanwaltschaft in der Moskauer Innenstadt eine Pressekonferenz, rund einen Kilometer vom Kreml entfernt. Der 34-Jährige kündigte an, gegen die Freilassung von Oberst Juri Budanow vergangene Woche bei einem internationalen Gericht Rechtsmittel einzulegen. Budanow war 2003 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil er im Jahr 2000 eine 18-jährige Tschetschenin getötet hatte. Sein Fall gilt bei Menschenrechtlern als Test dafür, wie die russischen Behörden mit dem Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien umgehen. Markelow war im Verfahren gegen Budanow der Anwalt der Opfer-Familie. Er vertrat aber zuletzt auch die Interessen des russischen Journalisten Michail Beketow, der im vergangen Jahr nur knapp einen Mordanschlag überlebte und seither im Krankenhaus ist.
Die Zeitung "Nowaja Gaseta" hatte am Montag erneut über den Fall Budanow berichtet - unter Nutzung von Recherchen von Anna Politkowskaja aus dem Jahr 2004. Die für ihre Reportagen aus Tschetschenien berühmte Politkowskaja war im Oktober 2006 vor ihrer Wohnung ermordet worden. Ihr Mörder ist weiter auf der Flucht. Der Mordfall wird derzeit vor Gericht in Moskau aufgearbeitet. Politkowskaja lobte Markelow einmal als "ersten Anwalt, der in Tschetschenien arbeitet und dort die Rechte der Einwohner schützt".
Markelow hatte vergeblich versucht, die russischen Behörden davon zu überzeugen, dass Politkowskaja von einem wegen Verbrechen in Tschetschenien verurteilten Polizisten bedroht worden sei. Er wurde nach eigenen Angaben im April 2004 in der Moskauer U-Bahn von fünf Männern überfallen und bewusstlos geschlagen. Die Angreifer hätten Unterlagen zum Fall Politkowskaja mitgenommen, die Polizei habe ihm jedoch keinen Glauben geschenkt, hatte der Jurist erklärt.
Menschenrechtsorganisationen erschüttert
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zeigte sich erschüttert und nannte den Mordanschlag auf Markelow ein schreckliches Verbrechen. Für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien sei der Anwalt "ein Held" gewesen, sagte Sprecherin Tatjana Lokschina. Die für Russland zuständige Direktorin der Organisation Amnesty International, Nicola Duckworth, meinte: "Stanislaw Markelow ist ein weiteres Opfer, das sehr wahrscheinlich wegen seines Berufes und seiner mutigen Arbeit im Dienste der Menschenrechte getötet wurde." Markelow vertrat viele Mandanten, die sich als Opfer staatlich geduldeter Gewalt sehen. Er brachte viele Fälle vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
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