Die Politik sei dafür verantwortlich, an einer wirtschaftlichen Zukunftsbasis für den ORF mitzuwirken und sich dann "wieder geordnet zurückzuziehen", so Faymann. Ziel sei es, die Objektivität und Eigenständigkeit des Unternehmens zu sichern. Der ORF müsse seinerseits Strukturmaßnahmen vorlegen, so der Kanzler, dann werde die Politik "zusätzliche Beiträge" in Form der Teilrefundierung leisten.
Die Regierung sehe ein, dass der ORF durch die Digitalisierung und die deutschen Werbefenster "in eine schwierige Situation" gekommen sei. "Ohne zusätzliche Mittel kommt das Unternehmen nicht in die schwarzen Zahlen", weiß der Kanzler. In diesem Fall würde der ORF "auch noch das Stiftungsvermögen aufbrauchen" und dadurch würde ihm die wirtschaftliche Basis gänzlich entzogen.
BZÖ-Stadler sieht "machtpolitischen Anschlag"
Der stellvertretende BZÖ-Klubchef Ewald Stadler befürchtet einen "machtpolitischen Anschlag" der Großen Koalition auf den ORF. In seiner Eingangsrede warnte er davor, dass die Regierung die aktuelle Finanzkrise dazu nutzen wolle, an der ORF-Spitze das Personal auszutauschen und dass sie "das zum Teil anerkannt schlechte Programm nutzt, den Programmauftrag zu ändern". Ziel der Regierung sei es nicht nur häufiger im ORF vorzukommen, sondern auch über die Art und Weise der Berichterstattung mitzuentscheiden. Dadurch wollten SPÖ und ÖVP ihre Macht auf Jahre einzementieren, so Stadler. Dieser "Machtmissbrauch kann auch auf der Basis eines Rechnungshofberichts nicht legitimiert werden", so der Abgeordnete mit Hinweis auf die unlängst geäußerte Kritik des Rechnungshofes an den Strukturen des ORF.
Die Unabhängigkeit des ORF sei mit dem ORF-Volksbegehren "mühsam erkämpft" worden, sie sei "ein plebiszitärer Akt, den wir uns von einer machtbewussten Großen Koalition nicht abspenstig machen lassen", so Stadler. Er sieht sich in dieser Kritik nicht nur in Einklang mit den Oppositionsparteien FPÖ und Grüne, sondern auch mit den ORF-Redakteuren, die sich in der Vorwoche gegen die Einmischung der Politik ausgesprochen haben, sowie mit der Zivilgesellschaft, die mit der Plattform "Rettet den ORF!" für die Unabhängigkeit des österreichischen Rundfunks kämpft.
Stadler forderte, dass das von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz vorgelegte Strategiekonzept "von internationalen Fachleuten untersucht wird, ob es etwas taugt", außerdem plädierte er für die Vereinheitlichung der Gebühren in den verschiedenen Bundesländern. Sollte die Regierung glauben, sie könne ihre "machtpolitischen Gelüste in ein neues ORF-Gesetz einbringen", werde sich die Opposition an den Verfassungsgerichtshof wenden, warnte der Abgeordnete.
SPÖ-Cap garantiert parlamentarisches Verfahren
SPÖ-Klubchef Josef Cap hat in der Sondersitzung zugesichert, dass es im Fall einer Gesetzesänderung ein "sauberes Verfahren" im Parlament inklusive Begutachtung geben werde. "Billige machtpolitische Spiele am Rücken" des ORF dürfe es nicht geben, versicherte der sozialdemokratische Fraktionschef. Cap sang dem ORF einmal mehr ein Lobeslied, sprach von einem erfolgreichen Unternehmen und versprach eine "nationale Kraftanstrengung", um dem Österreichischen Rundfunk aus der finanziellen Krise zu helfen. Der SP-Klubchef betonte die schwieriger gewordenen Rahmenbedingungen durch den verschärften Wettbewerb und die finanziellen Ausfälle durch die fehlende Gebührenrefundierung für Befreite. "Ganz wichtig" ist es Cap, die Unabhängigkeit des ORF herauszustreichen: "Der ORF kann kein Verkündigungsmedium sein, weder der Regierung noch der Opposition".
ÖVP-Kopf: Strukturreformen durch Novelle nötig
ÖVP-Mediensprecher und Klubobmann Karlheinz Kopf betonte, dass sich das Unternehmen in einer existenziellen Krise befinde. Daran seien nicht nur Finanzkrise und Gebührenbefreiung schuld sondern auch eine Vielzahl hausgemachter Probleme. Kopf sprach unter anderem von überholten Strukturen und einer gescheiterten Programmreform. Den enormen Reformbedarf dürfe man nicht einfach ignorieren und nur glauben, mit einer Geldspritze sei alles getan. Nötig seien Strukturreformen, auch durch eine Gesetzesnovelle: "Setzen wir den ORF nicht aufs Spiel." Kritik übte der Klubchef sowohl an Opposition als auch an den Proponenten der Plattform "Rettet den ORF": Denn es liege noch nicht einmal ein Gesetzesentwurf auf dem Tisch. Die Vorwürfe würden also einzig auf Gerüchten basieren.
ÖVP-Hahn: Öffentlich-rechtlichen Auftrag definieren
Auch Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) findet es "unbestreitbar, dass der ORF in einer schwierigen wirtschaftlichen und strukturellen Lage ist". Seiner Meinung nach müsse die Diskussion allerdings erst in zweiter Linie über Strukturen, Finanzen und Personen geführt werden, in erster Linie gehe es darum, den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu definieren. Man müsse sich überlegen, vor welchen Herausforderungen der ORF am Beginn des 21. Jahrhunderts steht. "Das sind wir dem wichtigsten Medium des Landes schuldig", so Hahn. Der Opposition hielt er vor, dass sie lediglich die angebliche "Einflussnahme der Regierung auf den ORF", nicht aber die der Oppositionsparteien ausschließen will.
FPÖ-Strache sieht Faymann als "Medien-Mao"
Der Chef der Freiheitlichen, Heinz-Christian Strache, erwartet eine "Ausschaltung" der Opposition im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Geplant sei eine endgültige Aufteilung des ORF zwischen Rot und Schwarz, vermutete der FP-Obmann angesichts der Pläne der Regierung, ein neues Spitzengremium zu schaffen, in dem zwar die Regierung, nicht aber die Opposition vertreten sein soll.
Strache forderte eine Entpolitisierung des ORF. Dies gelte umso mehr, als die Regierung offenbar eine Mediendiktatur errichten wolle. Der Kanzler gehe hier als "Mao Tse-tung der Medienlandschaft" vor, interveniere er doch nie selbst sondern schicke immer andere vor. Als "Alpen-Berlusconi" bezeichnete der FP-Chef Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad. Strache vermutet, dass ein Masterplan der Regierung vorsieht, den ORF am Ende zu zerschlagen, da Konrad schon ein begehrliches Auge auf ORF 1 und Ö3 geworfen habe.
Grüne: Journalistische Unabhängigkeit gefährdet
Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig warnte ebenfalls vor einer Machtübernahme im ORF, die nur zum Ziel habe, die journalistische Unabhängigkeit zu gefährden. Nicht umsonst warnten ORF-Journalisten vor wachsendem politischen Druck. Denn Ziel der Regierung sei, "unliebsame Personen wegzubekommen".
Besonders in die Pflicht nahm Glawischnig Bundeskanzler Faymann: "Wenn sie einen Sender wollen, dann kaufen sie sich einen, aber lassen sie den ORF frei." Verlangt wurde von der Grünen Klubobfrau, dem ORF 100 Prozent seiner Gebühren auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen, also keine Mittel mehr an die Länder weiterreichen zu müssen. Zusätzlich beantragten die Grünen in einem Entschließungsantrag eine volle Refundierung der Gebührenbefreiung für sozial Schwache.
BZÖ-Strutz: Faymann mutiert zu "Alpen-Berlusconi"
Eben solche Spielchen unterstellt das BZÖ der Regierung: "Sie wollen keinen kritischen Journalismus, sie wollen Hofberichterstattung", meinte Bündnis-Generalsekretär Martin Strutz in Richtung Bundeskanzler Faymann, dem er unterstellte, zum "Alpen-Berlusconi" zu mutieren. Geplant sei "ein Zugriff auf die Information" und die "größte Umfärbeaktion in der Geschichte des ORF". Auch in Sachen Medien wollte das BZÖ nicht auf das Ausländer-Thema verzichten. Strutz erklärte, der ORF wolle sich mit der Serie "Tschuschen:power" eine neue Seherschaft sichern, die Migranten: "Nach dem sie nicht arbeiten, sind sie am Nachmittag zu Hause." Das werde zu wenig sein, um das Unternehmen zu sanieren.
Wrabetz: Refundierung ist richtig und wichtig
"Richtig und wichtig" findet ORF-Generaldirektor Wrabetz die Ansage von Faymann, dem ORF einen Teil der Gebührenbefreiungen zu refundieren. Grund sich nun zurückzulehnen, sieht der ORF-Chef nicht. Es sei eine "wichtige Ansage", dass die Refundierung nach ORF-internen Strukturreformen und Sparmaßnahmen erfolgen sP>
Zur Ankündigung Faymanns, dass im künftigen Aufsichtsgremium des ORF keine Parteienvertreter sitzen sollen, wollte Wrabetz "derzeit keine Stellung nehmen". Das werde er dann tun, "wenn die Gesetzesnovelle auf dem Tisch liegt". Der Kanzler habe in Aussicht gestellt, dass der Aufsichtsrat künftig aus "objektiven und unabhängigen Personen" bestehen soll, das sei eine "Ansage, die ernst zu nehmen ist".
Wrabetz wohnte der Sondersitzung des Nationalrats am Dienstag gemeinsam mit seiner Kaufmännischen Direktorin Sissy Mayerhoffer und ORF-Kommunikationschef Pius Strobl als Zuhörer bei. Ebenfalls im Zuschauerraum waren Vertreter des ORF-Zentralbetriebsrates.
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