"Jetzt Tamiflu sichern, bevor der große Engpass kommt", "Die einzig wirksame Schutzmaske gegen die Killerviren", "Geheim-Pille gegen die Todesseuche" - bevor die Pandemie Österreich erreicht hat (sofern sie je kommt), versuchen Betrüger mit solchen Lügen-Mails und erfundenen Produkten Bürger zu verunsichern und ans große Geld zu gelangen. 2,8 Millionen solcher Spam-Mails gelangen täglich in die Postfächer der Österreicher.
Einige besorgte Landsleute fallen trotzdem auf die Lügengeschichten der Panikmacher herein. Und das, obwohl das Gesundheitsministerium immer wieder betont: "Wir sind bestens gerüstet. Schutzmasken und Tamiflu liegen für den Krisenfall bereit. Es besteht definitiv kein Grund zur Panik."
Umfrage: Österreicher fürchten Schweinegrippe nicht
Das Institut Oekonsult befragte von Montag bis Donnerstag 1.019 Menschen. Neun von zehn Befragten gaben an, keine Angst vor der näher rückenden Schweinegrippe zu haben. Knapp 60 Prozent der Befragten meinen aber, nicht gut genug informiert zu sein. Acht von zehn würden sich von Gesundheitsexperten noch sehr viel mehr fundierte Information zur Schweingrippe wünschen.
Das Vertrauen in Experten ist aber sehr groß, sagt Oekonsult-Chef Joshi Schillhab. Rund 73 Prozent der Österreicher denken, dass die Behörden die Lage sehr gut im Griff haben. Auch das Vertrauen in Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) schein groß zu sein, 76,4 Prozent vertrauen ihm. "Die Leute begrüßen, dass ein Notfallplan abrufbar ist", erläuterte der Oekonsult-Chef. Mit einer Pandemie rechnet ein Drittel der Bevölkerung. Mit Schutzmasken eindecken wollen sich elf Prozent der Befragten, jeder Fünfte will mit Medikamenten vorsorgen. Sich in der Öffentlichkeit mit einer Maske zu zeigen fänden aber rund 77 Prozent "irgendwie peinlich".
krone.tv hat die Österreicher befragt, ob sie sich vor der Schweinegrippe fürchten. Die - teils kuriosen - Antworten: in der Infobox!
Schutzmasken-Kauf der Regierung wird jetzt goutiert
Interessanterweise werden frühere politische Entscheidungen - für den Fall einer massiven Grippewelle ausreichend und umfassend vorzusorgen -, die zuvor kritisiert wurden, jetzt für gut befunden. Was die Leute eher nervt, sind Politiker, die sich mit anderer als reiner Sachinformation zu Wort melden und versuchen, aus dem Thema politisches Kleingeld zu schlagen. Neun von zehn Österreichern sind der Meinung, dass sich weniger Politiker, sondern mehr Ärzte und Gesundheitsexperten in Sachen Schweinegrippe zu Wort melden sollen.
In noch einem Punkt herrscht große Übereinstimmung: Vogelgrippe und Schweinegrippe haben zumindest eines gemeinsam: Große Panikmache, aber recht wenig reale Bedrohung - das glauben immerhin zwei Drittel der Befragten. Aktuell gegen Influenza geimpft sind 13,8 Prozent der Befragten.
Zahl der Erkrankten auf knapp 500 gestiegen
Angus Nicoll, Chef des Influenza-Programms des ECDC, fasste am Freitag bei einer Pressekonferenz in Stockholm den derzeitigen Stand über das Voranschreiten der vom Zentrum für Krankheitskontrolle erwarteten Epidemie zusammen. Die Zahl der bestätigten Schweinegrippe-Erkrankungen ist weltweit bis Freitag auf 482 gestiegen. Die massive Erhöhung der Krankenzahlen außerhalb Europas innerhalb von 24 Stunden von 155 auf über 400 beruhe vor allem auf neuen Daten aus Mexiko, hieß es weiter. Hier seien alles in allem 312 bestätigte Fälle und davon fünfzehn Todesfälle gemeldet worden.
Erste Ansteckungen innerhalb Europas
Innerhalb Deutschlands infizierte sich erstmals ein Mensch mit der Schweinegrippe, der zuvor nicht in Mexiko war. Auch in Großbritannien und Spanien gab es einen solchen Fall. Insgesamt sind damit 31 Erkrankungen in Europa bestätigt. Die Krankheitsverläufe seien bei diesen Patienten bisher ausnahmslos "milde". Weiter hieß es, das Alter der Betroffenen in Europa bewege sich zwischen drei und 41 Jahren. Die Zahl weiblicher und männlicher Erkrankter sei in etwa gleich. Insgesamt sind Schweinegrippe-Erkrankungen aus den fünf EU-Ländern Spanien, Großbritannien, Deutschland, Österreich, Niederlande sowie aus der Schweiz gemeldet worden.
"Worst case"-Szenario: 50% infizieren sich, 35% erkranken
Die Experten der ECDC haben indes genauere Abschätzungen aufgrund der Erfahrungen mit vergangenen Influenza-Pandemien gemacht. 1918 verursachten H1N1-Viren bis zu 50 Millionen Todesfälle ("Spanische Grippe"). 1957 kam dann H2N2 ("Asiatische Grippe") mit mindestens einer Million Toten, ab 1968 dann H3N2 ("Hongkong-Grippe") mit ebenfalls einer Million Opfern. 1977 gab es beispielsweise eine H1N1-Influenza-Welle, welche die Welt ergriff. Die neuen H1N1-Viren sind eine andere Art dieses Typs.
Angus Nicoll: "Aus den früheren Pandemien kann man die Anteile und die Prozentsätze der Infizierten und Erkrankten errechnen. Das ist die beste Methode. Bei einer solchen neuen Influenza haben die meisten von uns keine Immunität." Man wisse aber derzeit nicht, inwieweit eine zumindest teilweise Immunität gegen die neuen A(H1N1)-Viren in der Bevölkerung nicht doch gegeben sein könnte.
Kommt es zu einer Influenza-Pandemie, gehen Nicoll und seine Kollegen aufgrund der Erfahrungen von 1918/1919, 1957 und 1968 von folgenden Zahlen aus: "Ein Drittel der Infizierten dürfte keine Symptome bekommen. In etwa zwischen 25 und 35 Prozent werden wirklich krank. Das macht zusammen eine Infektionsrate von rund 50 Prozent in der Bevölkerung. Vier Prozent der Erkrankten würden wahrscheinlich von einem Spitalsaufenthalt profitieren. Pandemien haben zumeist einen scharfen Gipfel. Am Höhepunkt könnten dann zehn bis zwölf Prozent der Bevölkerung krank sein."
Ein kleiner Anteil der Erkrankten dürfte schließlich sterben. Nicoll: "In der letzten Influenza-Pandemie waren das zwei von Tausend. Bei der Spanischen Grippe waren es zwei bis drei Prozent, ein außergewöhnlich hoher Anteil." Eine Pandemie könne lokal aber auch sehr unterschiedlich verlaufen.
US-Behörde: Weniger gefährlich als Spanische Grippe
Nach Einschätzung der US-Behörde für Seuchenbekämpfung (CDC) ist die Schweinegrippe weniger gefährlich als die Spanische Grippe von 1918. "Wir sehen keine Anzeichen für eine Virulenz, die das Virus im Jahr 1918 hatte", sagte CDC-Direktorin Nancy Cox am Freitag (Ortszeit) bei einer Telefonkonferenz.
CDC-Vizedirektorin Anne Schuchat betonte, es werde weitere Ansteckungsfälle geben, allerdings sei der Verlauf bei der Mehrheit der Erkrankungen bisher mild. "Es ist wirklich wichtig, dass wir abwägen und mit Gegenmaßnahmen nicht mehr Schaden anrichten, als das Virus selbst", sagte Schuchat.
4.000 Tote bei "normaler" Influenza, 9.000 bei "H1N1"
In Entwürfen zum nun geltenden österreichischen Pandemieplan waren ehemals noch folgende Abschätzungen enthalten: Bei keiner medikamentösen Prophylaxe und keiner ursächlichen Therapie ging man davon aus, dass bei einer Pandemie in Österreich fast 53 Prozent aller Arztkonsultationen durch die Influenza bedingt sein würden. 1,5 Prozent der Erkrankten müssten ins Spital. Die Mortalität würde 0,4 Prozent betragen. 30 Prozent Erkrankungsrate würden demnach in Österreich fast 1,3 Millionen Arztkonsultationen, 36.000 Spitalsaufnahmen und 9.672 Todesfälle bedeuten. Bei einer "normalen" saisonalen Influenza in Österreich geht man von rund 2.000 bis 4.000 Opfern aus.
Doch das sind alles bloß theoretische Berechnungen, die nicht der Realität entsprechen: In Österreich können mittlerweile rund 50 Prozent Bevölkerung mit den antiviralen Mittrwendung zur Therapie die Schwere der Erkrankungen deutlich reduzieren. Hinzu kommt, dass Österreich einen Vertrag mit dem Impfstoffhersteller Baxter abgeschlossen hat, der im Fall des Falles 16 Millionen Dosen einer schützenden Vakzine produzieren und bereitstellen soll. Gelingt das bis zum Eintreffen der Krankheitswelle in Österreich, wäre nach der Immunisierung der größte Teil von vornherein geschützt.
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