In einem am Montag im "profil" erschienenen Interview hatte der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes gemeint: "Die objektive Wahrscheinlichkeit, dass das Ganze eine Aktion des Herrn Priklopil und sonst von niemandem war, ist, vorsichtig ausgedrückt, sehr, sehr gering."
Adamovich unterstellte Kampusch in dem Interview nicht, bewusst die Unwahrheit zu sagen. "Wenn man ihre Aussage in Zweifel zieht, stellt sich natürlich sofort die Frage, warum sie so zäh daran festhält. Das muss ja irgendeinen Grund haben." Vermutungen dazu gebe es viele, so der Jurist. "Erpressung könnte durchaus sein - im Zusammenhang mit irgendwelchem Material, das für sie unangenehm ist."
"Prikopil hat gewusst, wen er vor sich hat"
Dass Wolfgang Priklopil sein Opfer zufällig getroffen habe, glaubt der Kommissionsleiter ebenfalls nicht. "Der hat schon gewusst, wen er vor sich hat." Auf die Frage, ob er Priklopil noch für die Hauptfigur in diesem Kriminalfall halte, sagt Adamovich: "Priklopil hat sicher eine wichtige Rolle gespielt. Aber was die Hauptsache war und was nur ein Nebenprodukt, das weiß man bis jetzt nicht."
Kritik übte Adamovich an der Staatsanwaltschaft Wien. Diese habe sich "mehr oder weniger totgestellt". Nicht einmal auf die Zwischenberichte des Bundeskriminalamtes sei reagiert worden. "Man muss sich natürlich fragen, was da los ist." Sollte sich nicht bald etwas ändern, werde die Evaluierungskommission ihre Arbeit einstellen. "Irgendwann könnte der Moment kommen, wo uns die Geduld reißt. Wir machen uns ja lächerlich, so wie das jetzt ausschaut."
"Kampusch wünscht sich Ende der Gerüchte"
Ein Vertrauter des Entführungsopfers hatte bereits am Samstag auf das Interview reagiert: "Sie (Natascha Kampusch, Anm.) würde sich wünschen, dass diese Gerüchte ein Ende nehmen, wenn dahinter keine stichhaltigen Beweise liegen, Interessant wäre, worauf Adamovich seine Aussagen stützt." Die heute 21-Jährige habe immer wieder bekräftigt, dass sie keine Kenntnis von weiteren Tätern habe.
"Die Evaluierungskommission sollte vielmehr untersuchen, wie es zu diesen Ermittlungsspannungen unmittelbar nach der Entführung gekommen ist", forderte der Vertraute. Kampusch frage sich, wie es in einem Rechtsstaat möglich sei, dass Informationen, die der Polizei vorliegen, nicht nachverfolgt werden. Damit gemeint seien nicht nur die nicht weiter beachteten Aussagen des Hundeführers, sondern auch "die schlampige Untersuchung des weißen Kastenwagens", so der Vertraute.
"Man hat uns die Querulanten-Rolle zugeschoben"
Adamovich verteidigte am Samstag seine Aussagen: "Kampusch behauptet das (dass es nur einen Einzeltäter gab, Anm.) und jeden der etwas anderes sagt, lässt sie da stehen, als ob er die Unwahrheit sagen würde. "Man hat uns die Rolle des monomanischen Querulanten zugeschoben hat, der nicht runtersteigt von einer bestimmten Idee. Das stimmt so aber nicht", bekräftigt Adamovich.
"Der Eindruck, der vermittelt worden ist, dass wir nur nach anderen Tätern suchen, ist nicht wahr", rechtfertigte er die Arbeit der Kommission. Nach der heftigen Kritik an der Staatsanwaltschaft Wien sei auch ein Fortschritt erzielt worden, "indem man einen Oberstaatsanwalt zugeteilt hat, der bei einer anderen Staatsanwaltschaft tätig ist", sagte Adamovich.
Acht Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen
Die heute 21-jährige Natascha Kampusch war im Alter von zehn Jahren in Wien auf dem Schulweg entführt und mehr als acht Jahre von ihrem Peiniger in einem Kellerverlies in Strasshof gefangen gehalten worden. Im August 2006 gelang ihr aus eigener Kraft die Flucht, ihr Kidnapper nahm sich daraufhin das Leben.
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