3 Jahre nach Flucht

Kampusch: “Wirklich frei fühle ich mich nicht”

Österreich
23.08.2009 18:24
Der 23. August 2006 ist in die Kriminalgeschichte eingegangen: Nach mehr als 3.000 Tagen in Gefangenschaft entkam Natascha Kampusch ihrem Peiniger Wolfgang Priklopil. Auch drei Jahre danach scheint das einstige Entführungsopfer noch immer nicht frei zu sein. Die 21-Jährige versteckt sich in ihrer Wiener Wohnung, geht kaum auf die Straße. Im "Krone"-Interview kritisiert Kampusch die "reihenweise erfolgten Ermittlungsfehler" und sagt: "Die Freiheit fühlt sich nicht so gut an, wie ich es mir damals vorgestellt habe."

Frau Kampusch, es ist der dritte Jahrestag ihrer Flucht. Wie geht es Ihnen?
Natascha Kampusch: Ich versuche mich abzulenken und werde ein paar Tage wegfahren.

23. August 2006 - welche Erinnerungen haben Sie?
Kampusch: Mein Leben hat sich an diesem Tag radikal geändert. Die Fremdbestimmung war vorüber. Wirklich frei fühle ich mich aber nicht.

Ihre Zukunftspläne?
Kampusch: Ich möchte meine Schulausbildung abschließen.

Zuletzt haben Aussagen von Mitgliedern der Kampusch-Evaluierungskommission für Schlagzeilen gesorgt. Ex-Höchstrichter Adamovich oder Profiler Thomas Müller sprechen indirekt davon, dass Sie nicht die ganze Wahrheit sagen. Verschweigen Sie etwas?
Kampusch: Ich frage mich, was ich noch alles sagen soll. Immerhin bin ich acht Mal einvernommen worden. Mir ist kein weiterer Täter bekannt.

Treffen Sie die Vorwürfe?
Kampusch: Die Unterstellungen waren sehr unangenehm. Hier wurden Ungeheuerlichkeiten in den Raum gestellt, beispielsweise der Vergleich meiner Kindheit mit der Zeit in Gefangenschaft. Meine Familie war Angriffen und Anpöbelungen ausgesetzt.

Wären Sie zu weiteren Befragungen bereit?
Kampusch: Sollten stichhaltige Hinweise auf weitere Täter vorliegen, bin ich die Erste, die an deren Überführung interessiert ist.

Fühlen Sie sich verfolgt?
Kampusch: Meine Entführung war eines der spektakulärsten Ereignisse der Kriminalgeschichte. So ist das Interesse verständlich. Es wird aber unangenehm, wenn Ex-Richter Vermutungen und Gerüchte streuen, die als wahr angesehen werden.

Sie haben stets betont, bei der Entführung und während Ihrer Gefangenschaft immer nur mit Herrn Priklopil zu tun gehabt zu haben. Warum halten sich Aussagen über Mittäter oder Mitwisser so hartnäckig?
Kampusch: Spektakuläre Kriminalfälle beflügeln die Fantasie. Davon sind auch die Mitglieder der Evaluierungskommission nicht verschont. Vielleicht geht es darum, von den Fakten abzulenken. Und die besagen, dass es rund um meine Entführung reihenweise Ermittlungsfehler gab, die immer noch nicht aufgeklärt wurden. Wäre weniger nachlässig gearbeitet worden, hätte ich vielleicht schon nach wenigen Wochen befreit werden können. Am unverständlichsten ist es für mich, dass der konkreten Anzeige Priklopils durch einen Hundestaffelführer der Polizei nicht nachgegangen wurde. Nach meiner Flucht soll er sogar eingeschüchtert worden sein, seine Aussage zurückzunehmen. Aber auch die Befragung Priklopils verlief nicht so, wie ich mir das erwarte. Es kamen keine Spürhunde zum Einsatz, trotz fehlenden Alibis wurde er nicht observiert.

Sie haben das Haus von Herrn Priklopil, fahren sein Auto, wollen Gegenstände versteigern - das löst auch Kopfschütteln aus. Wollen Sie Ihren Kritikern etwas ins Stammbuch schreiben?
Kampusch: Mein Schadenersatzanspruch gegenüber dem Täter ging mit seinem Tod auf das Haus und die damit verbundenen Gegenstände über. So bin ich Hausbesitzerin geworden. Es ist wichtig, dass das Haus nicht in falsche Hände fällt. Wer das nicht verstehen will, dem kann ich nicht helfen.

von Christoph Budin, Kronen Zeitung

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