Widersprüchlich

Rätsel um die letzten Stunden des Jörg Haider

Österreich
18.10.2008 18:36

Nach dem tragischen Unfalltod des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider ist noch immer nicht geklärt, wie seine letzten Stunden verlaufen sind, in denen sich Politisches und Privates auf fatale Weise miteinander verquickt haben. Die Rede ist von Alkohol, wütenden Telefongesprächen und SMS bei 170 km/h. Eine Schlüsselrolle spielt offenbar Haiders Vertrauter, der neue BZÖ-Chef Stefan Petzner.

Gerüchte sind oft größer als die Wahrheit. Und nicht immer müssen alle Wahrheiten zu jedem Zeitpunkt genannt werden. Da wird die Aufklärung jener Umstände, die zum Tod von Jörg Haider geführt haben, zu einem Balanceakt zwischen Pietät und Informationspflicht. Das gilt nicht nur wegen des guten Brauchs, über Tote nichts Schlechtes zu sagen, sondern auch, weil Haiders letzte Stunden immer mehr Rätsel aufgeben.

Viele Fragen sind offen. So war Haider am Freitag, dem 10. Oktober, jenem Tag, an dem der Volksabstimmung von 1920 gedacht wird, bei zahlreichen Festveranstaltungen - im Trachtenanzug. Und am Abend, jetzt in Jeans und beiger Lederjacke, bei einer Magazin-Präsentation im Veldener "Le Cabaret". Bis etwa 23 Uhr. Doch auch darüber gehen die Angaben auseinander. Und nun beginnen sich die Spuren zu verwischen. Die einen wollen Haider in einem Hotel an der Bar gesehen haben. Andere in einem Lokal. Die einen erzählen, Haider wäre stocknüchtern gewesen. Andere behaupten, er habe in sehr kurzer Zeit sehr viel Wodka mit Red Bull getrunken.

Heftige Telefonate, SMS bei 170 km/h
Und dazwischen soll Haider viel - und auch heftig - telefoniert haben. Seine Stimmungslage wird von einigen unterschiedlich beschrieben. Und dann sagen manche, Jörg Haider soll bis zuletzt noch einige SMS von seinem Handy abgeschickt haben. Auch noch aus seinem Auto, mit dem er gegen 1.15 Uhr in den Tod gerast ist.

Schlüsselfigur Petzner schweigt
Auskunft kann dazu wohl vor allem der neue BZÖ-Chef Stefan Petzner geben. Petzner, der sich zu einer Schlüsselfigur in diesem Komplex aus Fragen und Rätseln entwickelt. Der aber noch schweigt. Sagt, dass es "eine zeitliche Lücke gibt". Diese aber nicht aufklären mag. Nur so viel: "Ich habe es nicht verhindern können." Und zu dem Geheimnis um den Unfalltod von Jörg Haider nur sagt, dass das ausschließlich die Privatperson Haider betreffe. Und sonst schweigt der persönlich tief getroffene und trauernde Stefan Petzner. Noch.

Mitfahrgelegenheit trotz 1,8 Promille abgelehnt
Obwohl Haider direkt vor seinem Unfalltod eine Mitfahrgelegenheit angeboten worden sei, habe er abgelehnt - trotz 1,8 Promille, wie der Leiter der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, Gottfried Kranz, am Donnerstag bekannt gab. Diese Informationen hätte die Staatsanwaltschaft in einer E-Mail erhalten. Kranz berichtete im ORF-Radio außerdem, dass Haider bei seinem Unfall nicht unter Drogeneinfluss stand.

Haiders Familie will Anzeige erstatten
"Er hat überhaupt nichts zu sagen, er unterliegt der Amtsverschwiegenheit", kritisierte Haiders Anwältin Huberta Gheneff die Vorgehensweise des Staatsanwaltes. Gheneff, die Haider zu Lebzeiten vertreten hat und nun für dessen Familie aktiv wird, kritisierte außerdem, dass die Familie nach wie vor keine Akteneinsicht habe. "Es ist beispiellos, dass Ergebnisse eines Obduktionsberichtes zuerst an die Medien und erst dann an die Familie gelangen", so Gheneff mit Verweis auf Berichte über die Alkoholisierung Haiders.

Gheneff kündigte eine Anzeige gegen die Staatsanwaltschaft und gegen Kranz wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses an. Außerdem sei der Verdacht des Amtsmissbrauchs zu prüfen. Eingebracht werden soll die Anzeige bei der Oberstaatsanwaltschaft Graz und bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt. Kranz war am Donnerstagnachmittag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Haider war mit 1,8 Promille unterwegs
Petzner hatte am Mittwoch bekannt gegeben, dass der Kärntner Landeshauptmann zum Unglückszeitpunkt 1,8 Promille hatte. Er sagte, dass es keine Stellungnahme der Behörden und der Familie mehr zum Alkoholisierungsgrad Haiders geben werde. "Ich kann nur appellieren, dass die Medien das akzeptieren." Bei dem Unfall sei niemand verletzt worden, "sondern Jörg Haider selbst hat den höchsten Preis gezahlt, den man zahlen kann, nämlich sein Leben". Damit erreiche der Unfall "eine Dimension, die nicht mehr die öffentliche Person Jörg Haider betrifft, sondern die Privatperson. Ich werde im Sinne der Familie alles tun, diese zu schützen", so Petzner. Haider habe gerne Feste gefeiert, sagte der Sprecher.

Zu Familienfeier unterwegs
Haider war am vergangenen Samstag gegen halb zwei Uhr früh im Süden von Klagenfurt ums Leben gekommen. Nach Angaben der Polizei war er auf der Loiblpass-Bundesstraße mit seinem Dienstwagen von der Straße abgekommen und gegen einen Betonpfeiler hinter einer Thujenhecke geprallt, der sich als tödliches Hindernis erwies. Kurz vor dem Crash hatte der Landeshauptmann ein anderes Auto überholt, dessen Lenkerin um 1.18 Uhr den Unfall meldete. Der 58-Jährige war bei dem Unfall allein im Auto - seinem Chauffeur hatte er für das Wochenende frei gegeben, weil er zu einem Familienfest unterwegs war. Haiders Mutter wollte am Wochenende ihren 90. Geburtstag feiern. Stattdessen musste sie um ihren Sohn trauern.

170 Stundenkilometer statt erlaubter 70
Haider war zum Zeitpunkt seines Unfalls in der Nacht auf Samstag trotz Nebels mit vermutlich 170 Stundenkilometern unterwegs (bei 142 Stundenkilometern wurden die Airbags ausgelöst, wie die Untersuchung des Wagens ergab, was bedeutet, dass der Wagen schneller unterwegs gewesen sein muss), wie Kranz am Sonntag bekannt gab. Damit war Haiders VW Phaeton mehr als doppelt so schnell unterwegs wie an dieser Stelle erlaubt. Die technische Untersuchung des Wracks ergab, dass das Fahrzeug völlig in Ordnung gewesen war.

An jener Stelle, an der Haider mit seinem Auto ins Schleudern geraten ist, gilt ein Tempolimit von 70 km/h, knapp 100 Meter später ist überhaupt Tempo 50 vorgeschrieben. Die entsprechende Gebotstafel war vom Fahrzeug gerammt und umgerissen worden. Die Rekonstruierung der Geschwindigkeit erfolgte laut Kranz durch einen Experten des Autoherstellers in Kooperation mit dem Kfz-Sachverständigen.

Haider war nicht zu retten
Außerdem wurde bekannt, dass der 58-Jährige bei dem Unfall so massive Verletzungen erlitten hatte, dass er nicht mehr zu retten war. Wie die Obduktion ergab, erlitt Haider bei dem Unfall gleich mehrere tödliche Verletzungen. "Er hat keinerlei Überlebenschance gehabt", sagte Kranz. Der Landeshauptmann sei auf der Stelle tot gewesen, jede der festgestellten schweren Verletzungen hätte schon allein zum Tod geführt.

Der medizinische Direktor des LKH Klagenfurt, Thomas Koperna, hatte bei einer Pressekonferenz am Samstagvormittag über die schweren Verletzungen Haiders berichtet, wie sie ihm von der Notärztin, die am Unfallort eine Erstversorgung versuchte, geschildert worden waren. Haider war demnach angeschnallt, er erlitt schwerste Kopf- und Brustverletzungen. Koperna: "Weiters dürfte die Wirbelsäule gebrochen gewesen sein, zudem war der linke Arm fast völlig abgetrennt." Der Landeshauptmann wurde noch ins LKH Klagenfurt gebracht, war beim Eintreffen im Spital jedoch bereits tot.

Von Claus Pándi, Kronen Zeitung, und krone.at

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