Asylverfahren

Anwalt der Zogajs: “Es wird einige Monate dauern”

Österreich
12.11.2009 21:31
"Einige Monate" - so schätzt der Rechtsanwalt Helmut Blum die Dauer des Berufungsverfahrens gegen den Abschiebe-Bescheid für Arigona Zogaj ein. Der Anwalt der Familie (am Archivbild von Jänner 2009) will gegen den negativen Bescheid beim unabhängigen Asylgerichtshof Rechtsmittel einlegen. Auch gegen die Abschiebung der laut Gutachten schwer kranken Mutter Nurie Zogaj und ihrer beiden minderjährigen Kinder soll vorgegangen werden.

Monatelang war es verdächtig ruhig rund um den Fall Arigona Zogaj gewesen. Am Donnerstag dann - wie berichtet - der Paukenschlag: Das Asylverfahren der mittlerweile 17-jährigen gebürtigen Kosovarin ist in erster Instanz mit einem negativen Bescheid ausgegangen.

Zwei Juristen des Bundesasylamts haben auf mehr als 140 Seiten begründet, warum Arigona Zogaj bei uns kein Asyl bekommt. Das Dokument wurde am Mittwoch per Post weggeschickt und ist am Donnerstagvormittag in der Kanzlei von Blum eingelangt. Der Asylantrag wurde ebenso abgelehnt wie das Ansuchen um sogenannten "subsidiären Schutz aus gesundheitlichen Gründen", weil eine Behandlung auch im Ausland möglich ist. Auch an Arigona Zogajs Mutter Nurie und die beiden minderjährigen Geschwister ergingen offenbar negative Bescheide.

Nurie und Arigona Zogaj werden laut ihren Betreuern von der Volkshilfe Oberösterreich als "absolut suizidgefährdet" eingestuft und mit "starken Antidepressiva" behandelt. Die 17-Jährige habe vor rund einem Monat einen Nervenzusammenbruch erlitten und dreieinhalb Wochen in der geschlossenen Anstalt eines Krankenhaus verbracht.

Anwalt: "Es wird einige Monate dauern"
Der nun abgelehnte Asylantrag wurde im Dezember des Vorjahres von Blum im Namen von Arigona Zogaj gestellt. Für das Mädchen war bis dahin noch kein Antrag eingelangt, es handelte sich also um einen sogenannten Erstantrag. Gegen den negativen Bescheid, der in erster Instanz erging, will Blum beim unabhängigen Asylgerichtshof Berufung einlegen, was einen Aufschub der Abschiebung erwirken wird. Auch gegen die Abschiebung von Mutter und Geschwistern will man vor der neu geschaffenen, weisungsfreien Instanz kämpfen. 

In der Regel wird in einem negativen Bescheid mitgeteilt, dass das Land "unverzüglich" zu verlassen sei, heißt es aus dem Innenministerium. Wenn die Betroffenen diesem Bescheid nicht Folge leisten bzw. kein Einspruch erfolgt, muss die Bezirksbehörde die Schubhaft verhängen bzw. die fremdenpolizeilichen Behörden ersuchen, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.

Blum rechnet sich in dem Asylverfahren in zweiter Instanz gute Chancen aus. "Eine Berufung gegen den negativen Asylbescheid hat aufschiebende Wirkung", erklärte er Donnerstagvormittag. Er habe nun zwei Wochen Zeit, eine Beschwerde einzulegen. Das weitere Prozedere werde sicher einige Monate dauern, so der Anwalt. Die theoretische Maximaldauer beträgt sogar zwei Jahre.

Asylrechtsexperte: "Menschenrechtlich spannend"
Laut dem Asylrechtsexperten Georg Bürstmayr hat die Berufung Chancen. Der Asylgerichtshof habe drei Fragen zu klären: ob die Zogajs unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen, ob diesen subsidiärer Schutz zusteht und ob sonstige Gründe - etwa die durch mehrere Verfahren erwirkte lange Aufenthaltsdauer von bereits sieben Jahren - gegen eine Ausweisung sprechen. Während der Asylanwalt bei den ersten beiden Punkten eher schwarz für die Betroffenen sieht, hält er es für wahrscheinlich, dass der Asylgerichtshof im dritten Punkt positiv für die Familie entscheiden könnte: "Das ist eine menschenrechtlich spannende Frage."

Der auf Asylverfahren spezialisierte Rechtsanwalt Wilfried Embacher sieht im Fall der Zogajs eine Chance auf humanitäres Bleiberecht gegeben, auch wenn es nur "ganz wenige Fälle" gebe, wo dieses trotz einer bereits erfolgten Ausweisung genehmigt worden sei. Im Fall der Zogajs müsse man schauen, wie intensiv etwa die familiäre und soziale Bindung zu Österreich sei. "Bei ihr sehr", so die Einschätzung des Experten Arigona betreffend. Insgesamt werde es aber schwierig für die Betroffenen sein, betonen beide Experten. Das Innenministerium werde den Fall aufgrund der medialen Präsenz wohl besonders genau mitverfolgen.

Herumgezerre seit 2001
Es ist nicht der erste Anlauf der Behörden, die Familie "nach Hause" in den Kosovo zu schicken. Das zeigt diese Chronologie der Ereignisse: Arigonas Vater war im Mai 2001 illegal nach Österreich eingereist. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, dennoch holte er im September 2002 seine Frau Nurie und die insgesamt fünf Kinder nach. Bereits zwei Monate später wurde das Asylverfahren für alle Familienmitglieder auch in zweiter Instanz eingestellt. Doch die Großfamilie blieb. Im Mai 2005 stellten die Zogajs einen Antrag auf Erstniederlassung aus humanitären Gründen. Das Asylamt lehnte ab.

Im September 2007 wurden schließlich der Vater und vier der Kinder in den Kosovo abgeschoben. Arigona versteckte sich und drohte mit Selbstmord – weltweite Schlagzeilen waren die Folge. Schließlich durften Arigona und ihre Mutter bleiben. Gnade mit Ablaufdatum: Arigona sollte mit Schulschluss im Sommer 2008 ausreisen. Und blieb wieder. Zwischendurch reisten ihre großen Brüder illegal ein und wieder aus, ließen die kleinen Geschwister da. Der Mutter wurde bisher aus gesundheitlichen Gründen der Aufenthalt gewährt. 

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