"Alles getan"

Fall Kampusch ist für die Ermittler nun offiziell geklärt

Österreich
08.01.2010 13:01
"Alles, was man mit Ermittlungen machen kann, ist getan worden." Mit diesen Worten schließt Kripo-Ermittler Ernst Geiger die Akte Kampusch. Beim Abschlussbericht zu dem Entführungsfall wurde die Mehrtäter-Theorie endgültig beerdigt - auch wenn gegen Priklopil-Freund Ernst H. noch in anderen Belangen ermittelt wird. Die Gerüchte über ein angebliches Sex-Video sind ebenso aus der Welt wie die Behauptung jenes Mädchens, das vor zwölf Jahren zwei Entführer gesehen haben will.

"Wir sind sicher, dass es keine Mittäter gab", betonte Geiger am Freitag bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei zum Abschluss der im Oktober 2008 wiederaufgenommenen Ermittlungen. Wolfgang Priklopil habe die Tat alleine geplant und ausgeführt. Natascha Kampusch sei ein zufälliges Opfer gewesen, es habe keinerlei Verbindungen von Priklopil zu irgendeiner Person im Umfeld von Kampusch gegeben.

Thomas Mühlbacher, ermittelnder Staatsanwalt, gab bekannt, dass die zwölfjährige Zeugin, die bei der Entführung 1998 neben Priklopil einen zweiten Mann gesehen haben will, nun einer plausiblen Erklärung zustimme, wieso sie irrtümlich zwei Täter beobachtet haben will. Mehr dazu in: Die Antworten auf die offenen Fragen.

Im Zuge einer Hausdurchsuchung in Deutschland wurde Beweismaterial bei einem deutschen Grafiker sichergestellt. Er hatte behauptet, im Internet auf ein Video von Kampusch in deren Verlies gestoßen zu sein - was sich aber als Unwahrheit herausstellte. Auch die jüngsten Gerüchte, dass Kampusch zweimal freiwillig zu ihrem Entführer zurückgekehrt ist, sind unwahr. Sie stammen von einem Mann, der sich in einem Internetchat als Natascha Kampusch ausgab. "Er hat mit der Sache aber nichts zu tun", so Mühlbacher.

Keine Ermittlungen gegen Ernst H. als Beteiligten
Zu einer möglichen Mitwisserschaft, unter anderem von Ernst H., meinte Geiger: "Dazu gibt es eine Aussage, das sind Fakten. Der Freund des Entführers hatte ja kürzlich zugegeben, kurz nach der Flucht von Natascha Kampusch von der Entführung erfahren zu haben." Dafür steht H. möglicherweise noch Ärger bevor. Es steht nach wie vor der Vorwurf, er habe Priklopil in seinem Auto kurzzeitig vor der Polizei versteckt, als diese bereits nach ihm suchte.

Das Rätsel um die 500.000 Schilling, die H. im Zeitraum der Tat an Priklopil überwiesen hatte, wurde indes geklärt. Das Geld sei Schwarzgeld aus Wohnungsverkäufen gewesen, das H. am Finanzamt vorbeischleusen wollte, so die Ermittler. Für die Staatsanwaltschaft ist das plausibel. H. könnte dadurch eine Anklage wegen eines Finanzdeliktes drohen. Werner Pleischl, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft: "Richtig ist, dass das Verfahren gegen Herrn H. soweit eingestellt ist, dass er an der Tat beteiligt war."

Mühlbacher meinte zu dem Geständnis, das Priklopil bei Ernst H. kurz vor seinem Selbstmord ablegte, dass der Entführer in den Jahren 1997/98 offenbar in eine Lebenskrise geraten sei. Nach beruflichem Erfolg habe er über mehr Privatleben verfügt und Angst gehabt, keine Frau mehr zu finden, so Mühlbacher. Dabei sei er laut H. auf die Idee gekommen ein Mädchen zu entführen.

Geiger gesteht Ermittlungsfehler ein
Die Staatsanwaltschaft hat seit Wiederaufnahme der Ermittlungen 110 Personen befragt, 30 davon als Zeugen. Auch die vielen DNA-Spuren die im Haus von Priklopil in Strasshof genommen worden sind, deuten laut den Ermittlern nicht auf weitere Täter hin. Laut Mühlbacher wurden sowohl Ernst H. als auch Natascha Kampusch selbst mehrfach einvernommen. 

Die Polizei hat angesichts der Beendigungen der neuen Ermittlung im Fall Kampusch am Freitag erneut Ermittlungsfehler eingestanden. "Das war damals in meinem Verantwortungsbereich", sagte Ernst Geiger, Leiter der Abteilung für Ermittlungen für Organisierte und Allgemeine Kriminalität im Bundeskriminalamt. "Dass der Hinweis auf Wolfgang Priklopil falsch bewertet wurde, ist damals in der Hektik der Ereignisse passiert. Das war ein großer Fehler." Mit den jetzigen Erhebungen ist der Fall seiner Meinung nach geklärt.

Evaluierungskommission bringt eigenen Bericht
Als Beobachter begleitete die neuen Ermittlungen eine Evaluierungskommission des Innenministeriums unter Leitung von Ludwig Adamovich, früher Präsident des Verfassungsgerichtshofs. Die Kommission plant kommenden Montag eine Sitzung, in der Adamovich über einen möglichen Rücktritt als Vorsitzender entscheiden will. Der Grund: Der Ex-VfGH-Präsident war in den vergangenen Monaten wegen öffentlicher Aussagen über Kampuschs Vergangenheit in die Kritik geraten. Am 24. Dezember verurteilte ihn das Wiener Straflandesgericht wegen übler Nachrede - nicht rechtskräftig - zu einer Entschädigung von 10.000 Euro. Der 77-Jährige hatte Kampuschs Mutter Brigitta Sirny laut Gericht in Interviews - u.a. in der "Krone" - eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt. 

Adamovich hatte die Vermutung angestellt, dass die Gefangenschaft für Kampusch besser gewesen sein könnte als ein Aufwachsen im eigenen Elternhaus. An den Aussagen übten am Freitag auch die Ermittler Kritik: Es sei nicht die Aufgabe der Kommission, persönliche Meinungen kundzutun, so der Leiter der SOKO Kampusch, Kurt Linzer. Mit den Spekulationen müsse nun auch "Schluss sein".

Adamovich hat die Ergebnisse am Freitag "zur Kenntnis genommen". Inhaltlich wollte er zu den präsentierten Erkenntnissen nichts sagen. Die Kommission wird jedenfalls nun ihren Schlussbericht erstellen.

Kampusch-Vater Koch: "Ich bin beruhigt"
Der Vater von Kampusch, Ludwig Koch, war bei der Pressekonferenz am Freitagvormittag anwesend. "Ich bin beruhigt. Es war es wert, dass noch einmal umfassend ermittelt worden ist", sagte er. Ob für ihn selbst die Causa nun erledigt ist, ließ er offen. "Dazu will ich heute nichts sagen", meinte er.

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