Bei der Unterredung zwischen Fischer und Putin seien die "sehr guten bilateralen Beziehungen" betont worden, sagte der Sprecher des Bundespräsidenten, Bruno Aigner. Auch der "hohe Stellenwert" des South-Stream-Regierungsabkommens für die Energieversorgung Österreichs und Europas sei Thema gewesen.
Beide Seiten forcieren "South Stream"
Im Mittelpunkt des Treffens mit Faymann stand ebenjene Unterzeichnung des 3.600 Kilometer langen Projekts "South Stream". Damit soll ab 2015 Erdgas über das Schwarze Meer zum Balkan und von dort in zwei Strängen nach Ungarn/Österreich sowie nach Griechenland/Italien geführt werden. Andocken soll "South Stream" dann an die Erdgasspeicher Baumgarten in Niederösterreich und Arnoldstein in Kärnten.
Das Abkommen wurde von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Energieminister Sergej Schmatko signiert. Faymann sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin, dass 70 Prozent des Erdgases in Österreich aus Russland kommen. Er sprach von einer "Ergänzung zu erneuerbaren Energien", weil das Gas in Österreich gespeichert werden könne und daher im Bedarfsfall die Energienachfrage Österreichs zusätzlich bedienen kann.
"Ich freue mich, dass wir diese zwei wichtigen Papiere unterzeichnen können", sagte Putin. "Wir wollen das Projekt auf jeden Fall umsetzen." "South Stream" sei ein "Konkurrent" zur von Österreich geplanten Gaspipeline Nabucco, stellte der russische Premier klar. Einmal mehr bezweifelte er die Realisierbarkeit des von der OMV getragenen Nabucco-Projekts, mit dem Europa an Gasvorräte im Kaspischen Raum kommen will. "Ehe man etwas baut, muss man erst Lieferverträge abschließen", so Putin in Anspielung auf die noch offene Frage, welches Gas über Nabucco transportiert werden soll.
Auch Wirtschaftskrise am Tapet
Faymann und Putin erörterten in ihrem etwa halbstündigen Gespräch nach eigenen Angaben zudem die Herausforderungen der Wirtschaftskrise und wie diese bewältigt werden könne. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Russland sollten laut Putin diversifiziert werden. "Ich betrachte die Wirtschaftsbeziehungen positiv", sagte Putin. Es gelte laut Putin die Kooperation im Maschinen- und Anlagenbau zu vertiefen und auch die Zusammenarbeit im Hochtechnologiebereich auszubauen. Die Olympia-Vorbereitungen für Sotschi eröffneten auch Chancen für österreichische Bauunternehmen, so Putin.
Flugverkehrsrechte der AUA diskutiert
Auch die Frage der Flugverkehrsrechte der AUA in Russland wurde von österreichischer Seite angesprochen. Dabei wurde das Interesse an einem unbefristeten Vertrag und mehr Direktflügen deponiert. Die russische Seite habe das österreichische Anliegen zur Kenntnis genommen. Verkehrsministerin Doris Bures sah nach einem Treffen mit dem russischen Ministerpräsidenten bei diesem Thema Fortschritte. Sie gehe davon aus, dass man mit dem Gespräch "einer gemeinsamen Lösung einen wesentlichen Schritt näher gekommen" sei, hieß es am Samstag in einer Aussendung. Russland hat erst im März den Flugplan der AUA bis zum 1. Juli 2010 genehmigt. Die russischen Behörden hatten sich lange geweigert, die Flugerlaubnis für den ab 28. März geltenden Sommerflugplan zu erteilen, weil sie anzweifeln, dass die AUA nach der Übernahme durch die Lufthansa noch eine österreichische Airline sei.
Breitspurbahn und Visa-Liberalisierung
Die Frage der Verlängerung der russischen Breitspurbahn nach Österreich sowie die Frage der Visa-Liberalisierung wollten Putin und Faymann bei einem Arbeitsessen besprechen. Im Raum steht eine Verlängerung der Transsibirischen Eisenbahn bis in den Raum Wien-Bratislava. Die Wiener Wirtschaftskammer hatte sich jüngst für die Verlängerung der russischen Breitspurbahn nach Österreich ausgesprochen. Für die Breitspurstrecke wäre die Verlegung der entsprechenden Schienen notwendig.
Zum Thema Visa-Liberalisierung für Russland sagte Faymann, Österreich koordiniere sich in dieser Frage mit der EU-Kommission. "Wir wollen die persönlichen Kontakte zwischen den Menschen verbessern und einen einheitlichen humanitären Raum schaffen", erklärte Putin. Mit der Visa-Liberalisierung würden auch die (Österreich-)Reisen der russischen Bürger ansteigen.
Putin geht nicht auf Menschenrechte ein
Im Vier-Augen-Gespräch zwischen Faymann und Putin sei laut Kanzleramt auch die Frage der Menschenrechte angesprochen worden. Faymann habe dabei die österreichische Position wie schon bei seinem Treffen mit Putin in Moskau vor sechs Monaten dargelegt. Dem Vernehmen nach sei Putin aber nicht auf den Themenbereich eingestiegen. In der anschließenden Pressekonferenz von Putin und Faymann wurde das Thema Menschenrechte nicht angesprochen.
Hoher Besuch bei der Judo-EM
Eigentlicher Anlass für Putins Wien-Besuch ist die Judo-Europameisterschaft, die im Dusika-Stadion ausgetragen wird. Putin, der Träger des schwarzen Gürtels und Ehrenpräsident der Europäischen Judo-Union (EJU) ist, kam als Ehrengast am späten Samstagnachmittag in das Dusika-Stadion und wohnte den Bewerben bei, was er auch am Sonntagnachmittag tun will.
Um 17.18 Uhr spazierte Putin flotten Schrittes und unspektakulär - getreu dem Motto Ju (sanft, edel, vornehm) und Do (Weg, Grundsatz, Methode) - entlang der Tartanbahn zur Ehrentribüne. Er nahm wie vorgesehen inmitten von rund 30 jungen Judokämpfern - 15 aus Österreich (in zivil gekleidet) und 15 Alterskollegen aus Russland (im roten Trainingsgewand) - sowie einigen Sicherheitsleuten Platz, um sich die Finalentscheidungen der Kontinentaltitelkämpfe anzuschauen.
Flankiert wurde der russische Regierungschef von Österreichs Verteidigungs- und Sportminister Norbert Darabos sowie Marius L. Vizer, dem Präsidenten des Internationalen Judoverbandes. Darabos lud die russischen U17-Judoka zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl für ein Trainingscamp in der Südstadt ein. Putins Besuch lockte u. a. auch Ski-Legende Karl Schranz und den deutschen Ex-Fußballer und Partylöwen Lothar Matthäus ins unschmucke, aber für die EM etwas aufgehübschte Bahnradstadion.
Einsatzkräfte in Alarmbereitschaft
Die Vorbereitungen der heimischen Sondereinsatzkräfte liefen seit Wochen auf Hochtouren. Bereits Stunden vor der Landung Putins, der von 15 russischen Kamerateams begleitet wird, wurde von Teams des Entschärfungsdienstes aus dem Bundeskriminalamt alles für die Sicherheit des Top-Politikers getan. Koordinator John Eberhardt: "Wir fingen bereits um sechs Uhr früh an. Präventiv wurden sämtliche Örtlichkeiten und Wegstrecken mit Hunden und hochsensiblen Geräten auf Sprengsätze abgesucht. Ob geparkte Fahrzeuge neben der Autobahn, Grünanlagen, seine Hotelunterkunft oder das Dusika-Stadion."
Rund 30 Männer sind bis zu Putins Abreise am Sonntagabend allein dafür verantwortlich, dass der Ministerpräsident keinem Bombenattentat zum Opfer fällt. Eberhardt: "Auch während seines Aufenthalts ist stets eines unserer Teams in seiner Nähe." Wie auch Putins persönliche Leibwächter und zahlreiche Beamte der Sondereinheiten Cobra und WEGA. Rund um das zur Festung umfunktionierte EM-Stadion sind ohnehin Scharfschützen positioniert.
Abreise nach Italien am Sonntagabend
Am Sonntagabend fliegt der Premier nach Italien weiter, wo er ein Gespräch mit dem italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi führen wird.
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