„Ich mag die Idee, dass die Kraft des Kinos die Nazis besiegt“, hatte Regisseur Quentin Tarantino augenzwinkernd kundgetan. Wie bitte??? Annäherung an die wohl skurrilste Attentats-Utopie, die jemals ausgeheckt wurde: Krieg, Groteske und die Magie der Leinwand als Mittel strategischer Feindbekämpfung! Tarantinos heiß erwarteter Regiestreich „Inglourious Basterds“, der im Mai bei den 62. Filmfestspielen in Cannes seine Uraufführung feierte und nun die sommerlichen Lichtspiele belebt, kommt als bizarre, wild fabulierende Mär über den Triumph des Kinos über das Böse – in Gestalt der Nazi-Besatzung in französischen Landen – daher.
Dass bei Tarantino der Zweite Weltkrieg anders als in unseren Geschichtsbüchern festgehalten endet, ist der Clou dieser brillant besetzten Produktion, die historische Burleske und Märchen, Wunschtraum und gefinkelter Racheakt sein will und augenzwinkernd mit der Phrase „Es war einmal in Frankreich...“ beginnt.
Christoph Waltz stiehlt Brad Pitt die Show
Zwischen Waffen- und Wortgefechten sind hier marodierende US-G.I.s am Werk, die von den Alliierten über dem besetzten Frankreich abgesetzt wurden, mit dem Ziel, Angst und Schrecken in der Wehrmacht zu verbreiten, indem sie die Skalpe möglichst vieler Nazi-Uniformträger sammeln. Eine gnadenlose Guerilla-Gruppe also, die sich „Basterds“ nennt, zackig-souverän angeführt von Brad Pitt. Dass dem smarten Hollywoodstar die Show von einem Österreicher gestohlen wird, ist nicht nur überraschend, sondern auch die Sensation dieser filmisch-ironischen Annäherung an das Dritte Reich.
Denn es ist Christoph Waltz in der Rolle des SS-Schnüfflers Hans Landa, der als gebildet-narzisstischer und überaus skrupelloser Oberst das Heft von der ersten bis zur letzten Sekunde in der Hand hält. Sein schaurig-fröhlicher, diabolischer Zynismus, der ihn eiskalt morden lässt, stets auf den von Angstschweiß markierten Fährten von in ganz Frankreich versteckten Juden, bestimmt die Tonlage der „Inglourious Basterds“, die hohen Blutzoll, Satire und den Wunschtraum von der Vernichtung Hitlers mit Nonchalance vereinen.
Zwei Frauen und zwei besonders charismatischen Aktricen kommt eine Schlüsselrolle in Tarantinos schräger Vergangenheitsbewältigung zu. Da ist zum einen Diane Kruger („Troja“), die als raffiniert-kokette Adelige Bridget Von Hammersmark deutsche Soldaten becirct und den Lockvogel spielt. Mélanie Laurent brilliert indes als jüdisches Mädchen Shosanna, das inkognito ein schmuckes Kino in Paris führt und auf Rache an den mörderischen SS-Schergen und Peinigern seiner Familie sinnt. Und es ist Shosannas Lichtspieltheater, das zur genialen Falle für die höchsten Nazi-Militärs, einschließlich des Führers selbst, wird. Ein Showdown, der ebenso ungeheuerlich wie mitreißend ist. Ungläubig wohnt man einer verrückten Mutation der Historie des Zweiten Weltkriegs bei und ist versucht, „Vive le cinéma!“ zu rufen, wenn das Kino mit Mann und Maus hochgeht!
„Ich wäre für diese Rolle über glühende Kohlen gelaufen“
Weltpremieren in Cannes fallen für Diane Kruger, Deutschlands schönsten Hollywood-Export, stets auf fruchtbaren Boden. Schon für „Troja“ war sie mit Brad Pitt vor der Kamera gestanden, nun, in „Inglourious Basterds“, gab es für die beiden ein Wiedersehen am Set. Dabei wäre Diane ihre französische Wahlheimat Paris beinahe zum Verhängnis geworden. Kruger: „Jahrelang habe ich gegen meinen Akzent gekämpft, und dann musste ich von Tarantino hören, dass er mir nicht wirklich abnimmt, Deutsche zu sein. Denn er wollte für die Rolle der Nazi-Aktrice und Doppelagentin explizit eine Deutsche! Aber wie Sie sehen, konnte ich ihn überzeugen. Ich wäre über glühende Kohlen gelaufen, nur um diese Rolle zu kriegen.“ Das wusste Tarantino, bekennender Erotiker und Frauenfußfetischist, dann doch zu verhindern...
„Ohne Christoph hätte ich den Film nicht gemacht“
Doch zurück zum österreichischen Sensationserfolg, ist doch der gebürtige Wiener Christoph Waltz, 52, der erste deutschsprachige Schauspieler in der Geschichte des Cannes-Filmfestivals, der den renommierten Darsteller-Palmenpreis entgegennehmen durfte. Der ehemalige Reinhardt-Seminarist, der auch am Lee Strasberg Institute in New York studierte und bereits unter Peymann brillante Burgtheater-Präsenz bewies, hatte in deutschen Produktionen überzeugt und ist uns als Entführer Richard Oetkers in dem TV-Zweiteiler „Tanz mit dem Teufel“ noch bestens in Erinnerung. Waltz: „Tarantino ist ein Entfesselungskünstler, soll heißen, er entfesselt in dir ungeahnte Energien, lockt dich als Schauspieler aus der Reserve!“ Schönstes Kompliment des Adrenalin-Junkies Tarantino an Waltz: „Ohne Christoph hätte ich den Film nicht gemacht!“
von Christina Krisch, Kronen Zeitung
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