Europa-, Integrations- und Außenminister Sebastian Kurz hat am Sonntagvormittag in der ORF-"Pressestunde" seine Pläne zur Kürzung von Sozialleistungen für Migranten verteidigt. Im kritischen Interview mit ORF-Politik-Chef Hans Bürger und "Standard"-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid - das Gespräch glich eher einer Diskussion - stellte der ÖVP-Minister unmissverständlich klar: "Leute kommen nicht nur zu uns, um zu arbeiten" - im Sozialsystem seien grundlegende Kürzungen nötig. Konkret will Kurz Sozialhilfeleistungen für EU-Ausländer in den ersten fünf Jahren streichen.
Es gebe kein Einwanderungsland auf der Welt, wo man von Anfang an aus dem Sozialsystem "herausnehmen" könne, ohne etwas geleistet zu haben, erklärte Kurz gleich zu Beginn der Sendung. "Bevor man etwas herausnimmt, muss einmal eingezahlt werden." Und man dürfe nicht "im Sozialsystem verharren" können. ORF-Moderator Bürger sah darin "die Säulen der EU" erschüttert. Kurz machte aber deutlich, dass man keineswegs an der Niederlassungsfreiheit rütteln, sondern lediglich einen sofort möglichen Zugriff aufs Sozialsystem einschränken wolle.
"Nicht künstlich Anreize setzen"
Vor allem die Kinderbeihilfe ins Ausland müsse man dringend reduzieren, so der Minister, und "nicht noch künstlich Anreize setzen, nach Österreich zu kommen". "Wenn Sie jetzt der Meinung sind, das ist furchtbar ungerecht und unsozial - kann ich Ihnen nur sagen: Für Drittstaatsangehörige ist das schon vor Jahrzehnten abgeschafft worden."
"Das kann man auch verhandeln"
Ob es in Österreich schließlich bei fünf Jahren Sperre der Sozialleistungen bleiben werde, musste Kurz allerdings hinsichtlich des Koalitionspartners relativieren. "Das kann man ja natürlich verhandeln." Auch im Hinblick auf den EU-Ratsvorsitz müsse man die Idee "am Ende des Tages mit dem Bundeskanzler zusammenführen und zu einer österreichischen Linie" machen. Mit an Bord habe man die SPÖ jedenfalls bereits bei der Anpassung der Familienbeihilfe.
"Die Frage ist: Kommen die Menschen durch oder nicht?"
Zweites großes Thema waren die Türkei und der Flüchtlingsdeal. Kurz erinnerte diesbezüglich mehrmals an die gelungene Schließung der Westbalkanroute bzw. an das dadurch erreichte Eindämmen eines unkontrollierten Zustroms. Sollte die Türkei ihre Drohungen wahrmachen und den Pakt mit der EU aussetzen, müsse man sich wieder auf nationale Möglichkeiten konzentrieren - vor allem auf den Grenzschutz. "Das, was wir selbst tun können, das müssen wir auch selbst tun."
Es sei freilich angenehmer, "wenn die Türken die Menschen stoppen, fernab von Fernsehkameras, und man sich selber nicht die Hände schmutzig machen muss". Die essenzielle Frage sei aber - kommen die Menschen durch oder nicht? "Wir müssen Menschen, die sich auf den Weg machen, Schutz bieten - aber es braucht ein Konzept, um illegale Migration aufzuhalten. Das Ertrinken im Meer und das Sterben in der Sahara müssen gestoppt werden."
"Keine Alternativen" zu harter Linie gegen Türkei
Kurz bekräftige ein weiteres Mal ein Ende der EU-"Beitrittsfiktion" für die Türkei. Statt des Beitritts sollte ein Nachbarschaftsvertrag Zusammenarbeit und Grenzen regeln. Das Balkanland habe längst "die rote Linie" überschritten. Ob die Härte zur Türkei die Terrorgefahr erhöhen könnte, ließ Kurz offen. "Es gibt keine Alternativen." Auch wenn es Druck gibt, dürfe man seine Haltung nicht aufgeben.
"Ich bin ein gläubiger Mensch, habe aber trotzem eine Meinung"
Auch seine Vorhaben in der Integrationspolitik der Regierung verteidigte Kurz abermals. Es brauche das Integrationsjahr und Verbote von "Symbolen der Gegengesellschaft" wie der Vollverschleierung. Kritik der Bischofskonferenz - und jene der "Standard"-Chefredakteurin, wonach man "in Wien keine Burka" sehe - nahm der Minister gelassen: "Ich bin ein gläubiger Mensch, aber trotzdem habe ich meine eigene Meinung - und als Politiker eine Verantwortung."
Unverständnis über "viele Überschriften"
Nach der "Pressestunde" erntete Kurz rasch Unverständnis - sowohl beim Regierungspartner als auch bei der Opposition. Die SPÖ ortete lediglich "viele Überschriften", die FPÖ die "üblichen Sprechblasen". Harsche Kritik an "seiner Absage an eine Sozialunion" gab es von den Grünen: "Kurz verfolgt offenbar konsequent das Ziel, Bundeskanzler unter Schwarz-Blau zu werden", meinte Bundessprecherin Eva Glawischnig. Auch NEOS sorgte sich um die Europa-Linie des Ministers, einzig vom Team Stronach gab es verhaltenes Lob und ein Angebot zur Zusammenarbeit.
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