Sonne und blauer Himmel, so weit das Auge reicht: Bei bestem Festivalwetter ist das diesjährige Nova Rock am Mittwoch losgegangen. Auf den Pannonia Fields bei Nickelsdorf haben sich Tausende Besucher eingefunden, um nicht nur ihre Zelte aufzustellen, sondern auch der Musik zu lauschen. Den Anfang machte neuseeländischer Hardrock von Like A Storm, bevor katalonische Sounds angesagt waren. Headliner Linkin Park enttäuschten.
Der von Veranstalter Ewald Tatar angepeilte Publikumsrekord - mittlerweile rechnet er mit 220.000 Menschen an vier Tagen - machte sich früh bemerkbar: Als gegen 16.30 Uhr Like A Storm die Bühne betraten, war die Menge vor der (heute allein bespielten) Blue Stage bereits mehr als ansehnlich. So war es kein Wunder, dass Sänger und Gitarrist Chris Brooks mehrfach ein "Dankescheeen!" entwischte. Immerhin kam die Mischung aus bluesigem Unterbau, druckvollem Rhythmus und eingängigen Melodien an. Eine halbe Stunde lang sorgten Like A Storm so für beste Stimmung.
Abkühlprogramm
Wem es hingegen noch etwas zu früh war, um sich bei hochsommerlichen Temperaturen dem Konzertgenuss hinzugeben, der hatte wie üblich am Nova Rock reichlich Angebote, sich anderweitig zu vergnügen. Heuer können sich die Festivalbesucher neben dem üblichen Band-Merchandise beispielsweise ein "Piercing To Go" verpassen lassen, dem gemeinsamen Karaokesingen frönen oder durch die ziemlich stattliche Freiluftdusche einer Wiener Bierbrauerei spazieren. Für Abkühlung sollte also gesorgt sein.
Definitiv heiß ging es bei La Pegatina zu: Die Band aus Barcelona verband Ska-Rhythmen mit katalonischem Flair und einem Hauch Punk-Attitüde. Im heute ziemlich rocklastigen Programm wirkte das aber zu keiner Sekunde deplatziert, sondern gerade als Anheizer für das, was noch kommen sollte, ziemlich stimmig. Da flogen die Hände in die Luft, wurde ausgelassen getanzt und den Aufforderungen der achtköpfigen Truppe (inklusive Drummer im Dress der österreichischen Fußballnationalmannschaft) mit Freude nachgekommen. Moshpit abseits des Metal? Tja, auch so etwas soll es geben - und das musikbegeisterte Nova-Publikum ist offenbar für alles zu haben.
Pro Europa
Bestens gelaunt präsentierten sich unterdessen backstage die Mitglieder der US-Glam- & Hair-Metal-Band Steel Panther, die am Abend angesagt waren. Sänger Michael Starr und seine Kollegen mit den Löwenmähnen posierten fröhlich für Selfies. "Wir haben immer viel Spaß, besonders bei Festivals und ganz besonders bei europäischen Festivals", betonte der Frontman im APA-Gespräch und lieferte auch die Begründung dafür: "Jeder hier, ganz anders als in den Staaten, mag Musik. In den USA ist Rockmusik derzeit nicht gerade populär. Dort dominieren Dance- und elektronische Musik. Dort geben derzeit ziemlich viele Idioten den Ton an."
Die Musik von Steel Panther war in den 80er-Jahren groß, dann kam Grunge und der Spaß war vorbei. Den will die US-Band auf die Bühne zurückbringen. "In den Neunzigern konntest du keine Gitarrensolos spielen. Hohe Stimmen waren verpönt", erzählte Gitarrist Satchel. "Aber wir haben überlebt, haben weiter unsere Musik gemacht. Und dann haben wir Alben veröffentlicht und die Leute sind darauf abgefahren. Weil sie zehn Jahre lang keinen Heavy Metal mehr bekommen haben. Man musste in den Neunzigern wirklich schlecht sein, um einen Plattenvertrag zu bekommen." Auf ihr Publikum können Steel Panther wohl auch am Nova Rock zählen: Es wurden zahlreiche Fans mit rosa Spandexhosen und Stirnband gesichtet.
Erdiger Hard Rock
Die richtige Band am richtigen Ort waren Airbourne. Die australischen Hardrocker, deren Riffs, stampfende Rhythmen und Gesang nicht ganz zufällig an eine andere Gruppe von Down Under erinnern, reihten Hymne an Hymne und lösten einen Zustrom aus, der sonst oft nur Headlinern vergönnt bleibt. "Ready To Rock" hieß der Opener und das Motto der kurzweiligen Darbietung - aber auch des ersten Festivaltages. Nicht fehlen durfte das traditionelle Bierdose-auf-dem-Kopf-aufschlagen und eine Runde auf Security-Schultern durch das enthusiastische Publikum, das sich bereitwillig vom Rock-Stakkato anstecken ließ. Top-Hits wie "Breakin' Outta Hell", "Live It Up" oder "Runnin' Wild" überzeugen noch immer hervorragend.
Vom österreichischen Publikum zeigen sie sich gleich begeistert, wie von der "Kulinarik". "Bei euch sind die Konzerte immer wieder ein Ereignis. Auch heute - die Stimmung war der Wahnsinn", erklärt Sänger Joel O'Keeffe. Gitarrist und Bruderherz Ryan ergänzt: "Ich hatte vor der Show einen Chicken-Big-Mac. Ihr habt hier auf jeden Fall das beste McDonalds-Angebot." Das Nova Rock ist eines der Festivals, an das sie sich immer wieder zurückerinnern. "Den Staub hier vergisst du dein Leben lang nicht", lacht Joel, "und es gibt wenige Festivals, wo die Toiletten so sauber sind und man immer Platz hat, seine Wäsche zu waschen."
Interne Querelen
Ganz andere Probleme hatten die US-Metaller Five Finger Death Punch zu überstehen. Deren Sänger Ivan Moody betrat bei der vorletzten Festivalshow im holländischen Tillburg anfangs gar nicht erst die Bühne, kam dann etwas verspätet hinzu und begann mit den Kollegen zu streiten. Nach einem halbherzigen Statement seitens der Band wurde sogleich eine große Tour mit In Flames für den Herbst angekündigt und quasi darüber hinweggesehen. Beim Nova Rock trat schließlich wieder Ersatzsänger Tommy Vext von den Bad Wolves in Aktion - angekündigt war dieser Wechsel im Vorfeld nicht.
Die zahlreich erschienenen Fans zeigten sich vor der vollgefüllten Blue Stage von ihren Helden trotzdem gut unterhalten. Überrascht von der hervorragenden Stimmung war auch Bandgründer und Gitarrist Zoltan Bathory, der im Vorfeld noch alle angekündigten Interviews absagte - auch das von der "Krone" geplante. Mit Songs wie "Got Your Six" oder "The Agony Regret" hatten sie das Publikum von Anfang an im Griff, das brachiale "Burn MF" wurde aus tausenden Kehlen mitgegrölt. Selbst als Five Finger Death Punch in "Remember Everything" auf sanftere Klänge setzten, blieb die Stimmung am Siedepunkt. Dass Sänger Vext noch frühmorgens zwölf Songs erlernen musste, brachte ihm das nötige Mitleid ein. Ein solider Gig mit Abstrichen in der B-Note.
Elektronischer Bauchfleck
Begonnen hatte der erste Nova-Rock-Tag mit Metal der alten Schule, ausklingen musste er - zumindest beim Headliner - mit ziemlich durchwachsenen Tönen. Die vormalige Nu-Metal-Band Linkin Park hat sich zuletzt immer stärker elektronischen und recht poppigen Einflüssen hingegeben, was auch Mittwochnacht deutlich wurde. Vom Publikum wurde das verhalten aufgenommen, ausgenommen die alten Klassiker. Ansonsten mäanderte das Sextett nur allzu oft zwischen Justin Bieber und wohlgeformtem Formatradiopop.
Denn das eingängige "Breaking The Habit" oder der wütende Schnellschuss "One Step Closer" führten durchaus vor Augen, warum die Truppe um Sänger Chester Bennington einmal Relevanz besaß. Mittlerweile fühlt man sich aber offenbar im Boyband-Segment wohler, wie "Talking To Myself" oder "Good Goodbye" bewiesen - in beiden Fällen astreines Radiofutter, mit dem Manko, zu wenig Eigenständigkeit und markante Passagen zu besitzen. Die Songs stammen von der kürzlich vorgelegten Platte "One More Light". Das Endergebnis wirkte in der Live-Darbietung eigenartig zerfahren - wobei eine aufwendige Lichtshow auf minimales Stage-Acting traf, das geradezu zurückgenommen für eine Band dieses Kalibers wirkte.
Bennington blieb zudem einmal mehr den Beweis schuldig, dass er die Studiostimme auch auf die große Bühne bringen kann. Delson zeigte sich dennoch überzeugt vom neuen Material. "Wenn du dich als Künstler nicht herausforderst, was machst du dann?", sah der Gitarrist Weiterentwicklung als Steckenpferd des Sextetts. "Natürlich ist es schwierig, Risiken einzugehen. Aber je älter du wirst, je mehr Erfahrung du hast, umso selbstbewusster wirst du." Stimmt. Schließlich gehört einiges dazu, mit solchen Songs als Headliner bei einem Rock-Festival aufzutreten. Für so manchen war der Auftritt das kreative Todesurteil einstiger Jugendhelden.
Elektronischer Triumph
Höchst motiviert an seine Aufgabe ging Fatboy Slim: Dem britischen Elektronikmusiker, der bürgerlich auf den Namen Norman Cook hört, oblag es, das Publikum als "Late Night Act" in die Nacht zu entlassen. "Auf Rockfestivals spiele ich besonders gerne", verriet der 53-Jährige im "Krone"-Interview, "die Leute brauchen dort einfach jemanden, der die Party ganz am Ende noch einmal in Schwung bringt." Berührungsängst kennt der Kultstar nach mehr als drei Dekaden DJing längst nicht mehr. "In den 80er-Jahren wären solche Festivalzusammenstellungen undenkbar gewesen, aber heute herrscht eine angenehme Toleranz zwischen den verschiedenen Geschmäckern." Die Kommunikation zwischen Fatboy Slim und der tanzenden Menge funktionierte jedenfalls prächtig und die von feinen Visuals getragenen Disco-Hymnen begeisterten auch unterm Himmelszelt.
Keine groben Zwischenfälle
Die vielleicht wichtigste Nachricht kam Mittwochnachmittag von den Einsatzkräften: "Alles bisher in Ordnung, keinerlei Zwischenfälle", bilanzierte Oberst Helmut Greiner, Sprecher der burgenländischen Polizei. Am Eingang setzen die Ordner Metalldetektoren ein, Rucksäcke und größere Taschen waren am Konzertgelände verboten. Die Checks waren gründlich, das Personal dabei freundlich. Greiner: "Die Leute akzeptieren die verstärkten Kontrollen beim Einlass. Wir bedanken uns für die disziplinierte Anreise bei den Rockfans!" Viele Besucher hätten das Early-Camping-Angebot genutzt und seien schon gestern angereist. "Dadurch sind die prognostizierten Staus rund um Nickelsdorf ausgeblieben."
Auch das Rote Kreuz war mit dem Auftakt zufrieden. "Gröbere Verletzungen mussten wir bisher keine behandeln", sagte Sprecher Thomas Horvath. Bis 10 Uhr hatten die Sanitäter zwar 60 Versorgungen vorgenommen, aber es handelte sich lediglich um Verstauchungen oder Verletzungen beim Zeltaufbau und Ähnliches. Am Nachmittag galt es dann aufgrund der Hitze, erschöpfte Patienten zu behandeln.
Robert Fröwein/Kronen Zeitung, APA
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