Jener 18-jährige Afghane, der Montagfrüh in Wien-Favoriten seine erst 14 Jahre alte Schwester erstochen haben soll, war in strafrechtlicher Hinsicht kein unbeschriebenes Blatt. Gegen ihn läuft aktuell ein Prozess wegen Betrugs, Hehlerei und gefährlicher Drohung. Er gestand die tödlichen Stiche, will aber nicht in Mordabsicht gehandelt haben.
Gegen den Burschen sollte am Wiener Landesgericht für Strafsachen unter anderem in der Vorwoche verhandelt werden. Der 18-Jährige ließ allerdings schon zwei Termine platzen, bestätigte der Wiener Anwalt Leonhard Kregcjk, der den Jugendlichen in diesem Verfahren vertreten hätte sollen, am Dienstag.
Zwangsvorführung gescheitert
Nachdem er beim ersten Mal unentschuldigt nicht erschienen war, wollte ihn die zuständige Richterin zum nächsten Termin am 11. September zwangsweise vorführen lassen. Die Polizei traf den Burschen an seiner Adresse aber offenbar nicht an. In Untersuchungshaft war der junge Mann bis zum Tötungsdelikt an seiner Schwester nicht, da es sich bei seinen bisherigen Verfehlungen um minderschwere Fälle handelt.
Schwester lebte in Krisenzentrum
Nachdem sich der 18-Jährige am Montagvormittag bei der Polizei gestellt hatte, wurde er bis in die Abendstunden von Ermittlern der Mordgruppe des Landeskriminalamts einvernommen. Der Afghane wohnt nach eigenen Angaben abwechselnd bei Freunden und Bekannten. Seine Schwester war in der Vorwoche in ein Krisenzentrum des Jugendamts gezogen, weil sie sich daheim zu sehr eingeengt gefühlt habe.
Der Beschuldigte gab an, seine Schwester im Streit erstochen zu haben. Er habe sie zufällig bei einer U-Bahn-Station getroffen und überreden wollen, nach Hause zurückzukehren, zitierte Polizeisprecher Harald Sörös aus der Einvernahme. Sie bereite "den Eltern Kummer", lautete ein Vorwurf des 18-Jährigen an das Mädchen. Die Auseinandersetzung sei eskaliert. Daraufhin habe er seine Schwester mit mehreren Messerstichen tödlich verletzt, gestand der junge Mann.
18-Jähriger "explodiert"
Gegenüber seiner Verteidigerin sprach der Festgenommene ebenfalls von einer "Affekttat", die er "zutiefst bereut". Er habe seine Schwester zur Rede stellen, aber nicht töten wollen, sagte Anwältin Astrid Wagner. Im Streit habe das Mädchen über die gemeinsamen Eltern geschimpft und ihn weggestoßen, daraufhin sei der 18-Jährige "explodiert". Der junge Mann gab laut Wagner an, Hauptgrund der Streitigkeiten daheim sei gewesen, dass die 14-Jährige nicht in die Schule gehen wollte. Seine Schwester sei zu nichts gezwungen worden und die Familie eher liberal eingestellt.
"Gute Ausbildung war ihr wichtig"
Das Jugendamt (MA 11) widersprach den Angaben des 18-Jährigen. Demnach hatte sich das Mädchen neben der Schule um eine Praktikumsstelle bemüht. "Eine gute Ausbildung war ihr wichtig", sagte MA-11-Sprecherin Petra Mandl. Die Jugendliche sei daheim eingeschränkt worden, die Familie habe in der Erziehung von Mädchen traditionelle Regeln verfolgt. Die 14-Jährige wurde von ihren Eltern aber nicht bedroht oder verurteilt, weil sie ins Krisenzentrum gegangen war, betonte Mandl.
Der 18-Jährige wurde am Dienstag in die Justizanstalt Josefstadt überstellt. Bei Mordverdacht ist die Verhängung der U-Haft obligatorisch.
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